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Bürgerentscheid zu FlüchtlingsunterkunftFürstenauer wollen Flüchtlinge

Die Pommern-Kaserne im niedersächsischen Fürstenau soll bis zu 500 Geflüchtete aufnehmen. Ein Bürgerentscheid dagegen fand keine Mehrheit.

Die ehemalige Pommernkaserne soll künftig Geflüchtete aufnehmen Foto: Georg Geers

Hannover taz | Es war der erste Bürgerentscheid in Niedersachsen für oder gegen eine Flüchtlingsunterkunft. In Fürstenau bei Osnabrück stimmten am Sonntag 3.757 Bür­ge­r*in­nen darüber ab, was mit der ehemaligen Pommern-Kaserne am Ortsrand geschehen soll.

55,2 Prozent erklärten, die Stadt dürfe einen zehn Hektar großen Teil des Geländes ruhig an die Landesaufnahmebehörde vermieten, 44,8 Prozent lehnten dies ab. Damit ist das Bürgerbegehren, das die Unterbringung von bis zu 500 Geflüchteten an dieser Stelle verhindern wollte, gescheitert.

Er sei erleichtert, sagte der ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde, Ernst Ehmke (SPD) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ähnlich äußerten sich Stadtdirektor Matthias Wübbel (SPD) und Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD).

Und die grüne Landtagsfraktion jubelte in einer Pressemitteilung gar: „Sachliche Debatten über die Unterbringung von Geflüchteten sind möglich.“ Das liegt möglicherweise aber auch daran, dass die Debatte in Fürstenau nicht so ganz entlang der üblichen Frontstellungen verlief.

Verwirrende Fragestellung

Das fängt schon mit der Fragestellung an: „Lehnen Sie eine Vermietung/Verpachtung der ehemaligen Pommernkaserne durch die Stadt Fürstenau an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ab?“ Wer also keine Erstaufnahmeeinrichtung an dieser Stelle will, muss mit „Ja“ stimmen. Wer für die Unterkunft ist, mit „Nein“.

Dass dies so umständlich und missverständlich formuliert ist, musste die Stadtverwaltung immer wieder erklären. Es liegt daran, dass das Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verfügt, dass ein Bürgerbegehren immer so formuliert sein muss, dass diejenigen, die mit den Initiatoren übereinstimmen, mit „Ja“ antworten können.

Die Initiatoren sind in diesem Fall zwei Anwohner, die von Anfang an betonten, nicht aus der rechten Ecke zu kommen, wie die NOZ berichtet. Sie betonen einerseits die Verärgerung darüber, nicht ausreichend informiert worden zu sein – und andrerseits die Sorge darum, dass eine Massenunterkunft eben nicht unbedingt integrationsfördernd ist.

Auf dem Gelände, das aktuell einem Privatmann gehört, der es aber gern an die Stadt verkaufen möchte, waren schon länger Geflüchtete untergebracht.

Auch die AfD schob das Argument der gefährdeten Integration gegen die Unterkunft vor

Allerdings hatte sich die Art der Unterbringung zwischenzeitlich geändert: Aus einer Notunterkunft für Ukrainerinnen wurde eine Erstaufnahmestelle, die Belegungszahlen änderten sich, die Fristen, zu denen dieses vorübergehende Arrangement auslaufen sollte auch immer wieder – die Anwohner fühlten sich dabei nicht mitgenommen.

Gleichzeitig wird diese Art von Kasernierung auch von Flüchtlingsorganisationen kritisch gesehen, weil sie eben tatsächlich eher zu Isolation als zur Integration führt.

Aber um das Wirrwarr komplett zu machen: Im Fall Fürstenau schiebt nun selbst die AfD das Integrationsargument vor, um sich gegen die Unterkunft auszusprechen. Andere sprechen sich gegen die Unterkunft aus, weil sie es lieber hätten, wenn das gesamte Gelände – die Stadt will insgesamt 40 Hektar kaufen – zur Entwicklung als Gewerbegebiet zur Verfügung stünde.

Stadt spart eigene Unterbringung

Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die nicht nur Mitleid mit den Geflüchteten haben, sondern auch deutliche Vorteile für die Stadt und ihre Kasse sehen. Die Verpachtung an die Landesaufnahmebehörde würde jährlich rund eine Million Euro einbringen – damit ließe sich der Ankauf und die Entwicklung des restlichen Geländes zumindest teilweise refinanzieren.

Außerdem sehen die bisherigen Vereinbarungen mit dem Land vor, dass die Erstaufnahmeeinrichtung auf die Zuweisungsquote angerechnet wird. Das heißt: Fürstenau braucht selbst keine Geflüchteten mehr unterzubringen, die dann im Ort mit anderen um knappen Wohnraum, Kita- und Schulplätze oder sonstige Kapazitäten konkurrieren. Dafür entstehen in der Einrichtung sogar noch Arbeitsplätze.

Trotzdem hat die Frage den Ort offenbar ziemlich gespalten: Die beiden Lager liegen nur um 390 Stimmen auseinander. Und auch die Wahlbeteiligung von 48,8 Prozent spricht dafür, dass die Sache viele Menschen bewegt hat.

Sie mag zwar auf den ersten Blick niedrig erscheinen, ist aber für einen Bürgerentscheid, der nicht mit anderen Wahlgängen zusammen stattgefunden hat, tatsächlich ziemlich gut. Rund 30 Prozent aller Bürgerentscheide in Niedersachsen scheitern daran, dass sich zu wenig Wahlberechtigte ins Wahllokal begeben, erklärt der Verein „Mehr Demokratie “ auf seiner Webseite.

Für den Rat ist diese Entscheidung nun bindend. Die Stadtverwaltung hat angekündigt, die Kauf- und Pachtvereinbarungen sobald wie möglich abstimmungsreif vorlegen zu wollen. Dann kann in Fürstenau wieder um andere Dinge gestritten werden.

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