Abstimmung über Windenergie in Bruchsal: Windkraftfreunde gewinnen, gebaut wird trotzdem nicht
Windkraftbefürworter in Bruchsal entscheiden ganz knapp den Bürgerentscheid für sich. Aber jetzt zieht sich der Anlagenprojektierer zurück.
Bei einem Bürgerentscheid in Bruchsal in der Nähe von Karlsruhe hat sich die Mehrheit der Abstimmenden am Sonntag dafür ausgesprochen, kommunale Waldflächen für Windenergieanlagen zu verpachten. Dennoch ist offen, ob das Projekt realisiert werden kann: Nur einen Tag vor der Abstimmung wurde bekannt, dass sich der Projektierer Energiequelle GmbH zurückzieht.
Die Nachricht hatte die Verwaltung am Freitagabend per Mail erreicht und wäre fast übersehen worden, berichtet Oberbürgermeister Sven Weigt (CDU): „Sie begründen das mit den unsicheren wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für regenerative Energien.“ Allerdings: „Diese Rahmenbedingungen waren am Freitag nicht anders als vor zwei Wochen“, so Weigt weiter Der Streit um die Windkraft im Wald hatte die Stadt monatelang in Aufruhr versetzt.
Für den Bürgermeister ist diese „sehr allgemeine“ Erklärung schwer verdaulich. Das Vorgehen stellt die Stadt vor Probleme: Die Verwaltung hatte mit den Konditionen geworben, die mit Energiequelle ausgehandelt worden waren. Demnach hätte Bruchsal mit jährlichen Einnahmen von bis zu einer Million Euro rechnen können. Ziel sei es jetzt, einen neuen Projektpartner zu finden, der ähnliche finanzielle Vorteile bietet, sagt Weigt.
Der Rückzug war vollkommen überraschend gewesen. Der Tageszeitung Badische Neueste Nachrichten sagte Weigt, noch am Donnerstag habe der Projektierer den Vertragsentwurf bestätigt. Die Energiequelle GmbH ließ eine taz-Anfrage unbeantwortet.
„Klares Signal“
Die Absage hatte am Wochenende in der Stadt für wilde Spekulationen gesorgt. Befürchtet wurde, dass sie dazu führen könnte, dass das bei der Abstimmung notwendige Quorum von 6.951 Stimmen verfehlt würde. In diesem Fall hätte der Gemeinderat erneut über das Thema beraten müssen. Er hatte sich schon im Mai für die Verpachtung städtischer Waldflächen ausgesprochen. Dagegen wehrte sich die Bürgerinitiative „Kein Windrad im Wald“ und setzte den Bürgerentscheid durch.
Am Ende erreichten die Windkraft-Befürworter aber 7.352 Stimmen, 401 Stimmen mehr als notwendig. Bei einer Wahlbeteiligung von 36,44 Prozent votierten somit 58,14 Prozent für das Projekt.
„Es ist ein gutes Gefühl, dass so viele zur Wahl gegangen sind und eine klare Entscheidung da ist“, sagt Weigt. Auch das fraktionsübergreifende Bündnis „Team Zukunft Bruchsal“, das in der Stadt für die Windkraft warb, sei „überglücklich“, sagt Sprecher Jesper Willmann. „Das ist ein ganz, ganz klares Signal in die Stadtgesellschaft hinein.“ Der 16-Jährige glaubt allerdings nicht, dass das Thema damit erledigt ist. „Die Bürgerinitiative wird das Ergebnis auf keinen Fall akzeptieren“, sagt er.
BI zündelt weiter
Die BI selbst betont, dass sich in den direkt betroffenen Ortsteilen (Obergrombach und Helmsheim) eine Mehrheit gegen Windräder ausgesprochen habe. Sie werde daher das Thema „weiter kritisch begleiten“. Vor der Abstimmung war die BI in die Kritik geraten, da alle Verantwortlichen „Aufbruch Bruchsal“ nahestehen. Die stramm rechte Wählervereinigung erreichte 2024 bei der Kommunalwahl 2,8 Prozent und ist im Bruchsaler Gemeinderat mit nur einem Sitz vertreten. Stadträtin und BI-Sprecherin Dela Schmidt fiel bereits in der Vergangenheit mit kruden Ansichten zum Klimawandel und der Energiewende auf. Als „wissenschaftlicher Berater“ der BI fungiert Christoph Canne von der Bundesinitiative Vernunftkraft, die seit Jahren als Speerspitze der deutschen Anti-Windkraft-Bewegung gilt.
Am 4. Dezember hatte Canne bei einer Info-Veranstaltung der BI erklärt: „Wenn meine Mitstreiter einen Bürgerentscheid verlieren, dann ist es eben so.“ Am Morgen der Wahl schlug der saarländische Aktivist ganz andere Töne an. Auf X schreibt er von „Zuständen wie im Tollhaus in Bruchsal“ und beklagt eine „Schlammschlacht mit Kampagnen auf persönlicher Ebene“ gegenüber den Windkraft-Gegnern. Zudem behauptet er, der Projektierer sei abgesprungen, weil sich Windräder in Bruchsal nicht rechnen. Der Bürgerentscheid – der die Stadt 150.000 Euro kostete – habe nach diesem Rückzug keine Grundlage mehr.
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