Buch über Donald Trump: Das tollste Team aller Zeiten
„Fire and Fury“ enthüllt die narzisstischen Grabenkämpfe im Weißen Haus. Dem Präsidenten dürfte die Aufregung um das Buch nicht einmal schaden.
Stattdessen konnte Wolff mit einem einfachen Trick frühzeitig in das Innerste der Trump-Welt vordringen: Schmeicheleien. Unter anderem ein wohlwollend geschriebenes Interview mit dem Kandidaten Trump, ein lobhudelndes Gespräch mit dessen angehendem „Chefstrategen“ Stephen Bannon. Das öffnete Türen. Wolff, ein Boulevard-Journalist aus New York, konnte monatelang Mäuschen im Trump Tower an der 5th Avenue und im Weißen Haus spielen, bekam Zugang zu den zentralen Figuren, die dort gegeneinander und für sich selbst kämpften, und beobachtete aus nächster Nähe Dinge, die andere nur vermuteten.
Das Resultat ist eine Beschreibung, in der der Präsident nackt ist. Sie kommt unter einem ironischen Titel daher, der Trumps bislang gefährlichste Androhung gegen den Rest der Welt zu einer Waffe gegen ihn selbst macht. „Fire und Fury“ – Feuer und Wut – waren die Worte, die der Präsident benutzte, um Nordkorea atomare Schläge in Aussicht zu stellen. Stattdessen steht er jetzt selbst – auf 336 Seiten – im Visier.
Der irre Präsident
Wolff beschreibt einen auf sich selbst zentrierten, übergewichtigen, alten Mann, dessen Leben und Arbeit sich zuvor jahrzehntelang in drei Stockwerken seines Hochhausturms in New York abgespielt hat. Im Weißen Haus zieht er sich am liebsten abends schon um 18.30 Uhr mit einem Cheeseburger in sein mit niemandem geteiltes Schlafzimmer zurück und schaltet die drei Fernsehbildschirme an. Er ist der erste Präsident, der ein Schloss an seiner Zimmertür im Weißen Haus anbringen lässt, und er isst McDonald’s Fast Food, weil er Angst hat, vergiftet zu werden.
Wenn das Medienecho nicht Trumps Drang nach Lobhudelei entspricht, weint er sich in langen Telefonaten bei FreundInnen aus. Auch diese Jammereien finden sich in Wolffs Buch. Jenseits seiner eitlen Oberflächlichkeit hat der Präsident die Aufmerksamskeitsspanne eine Schulkinds. Als sein Berater Sam Nunberg versucht, ihm die Zusätze zur US-Verfassung zu erklären, gibt er schon beim vierten der 27 Zusätze auf. Texte, die länger als eine Seite sind, liest der Präsident nicht. Ernste Gespräche, die länger als ein paar Minuten dauern, erträgt er nicht. Aber seine MitarbeiterInnen nennt er „Verlierer“, „Trottel“ und „Zwerg“. Seiner Kommunikationsberaterin Hope Hicks sagt er im Weißen Haus ins Gesicht, sie sei ein „guter Hintern“.
Seine machtgeilen MitarbeiterInnen
Trumps MitarbeiterInnen unterteilen sich nach Wolffs Beobachtung in mindestens drei gegeneinander kämpfende Lager. Das Lager mit der klarsten ideologischen Kontur ist angeführt von Bannon, dem selbsterklärten Vordenker der radikalen Rechten in den USA, der Trump seine Einwanderungspolitik und seinen Rückzug aus internationalen Abkommen einflüstert. Bannons Büro im West Wing bleibt bis zu seinem Rausschmiss im zurückliegenden Sommer quasi unmöbliert, aber er ist der Mann aus Trumps Entourage, der sich am längsten im Weißen Haus aufhält. Der nachlässig frisierte und gekleidete Bannon trägt oft tagelang dieselben Hemden, weil er es nachts nicht nach Hause schafft.
Bannon war auch die wichtigste Quelle von Buchautor Wolff. Im Weißen Haus kämpfte Bannon erbittert und zuletzt vergeblich gegen die beiden anderen Fraktionen: einerseits „Jarvanka“, wie sowohl Bannon als auch der Buchautor die Trump-Tochter Ivanka und ihren Gatten Jared Kushner nennt.
Die „Jarvanka“ waren vor der Wahl gefühlte Mainstream-Demokraten und New Yorker Milliardärsnachwuchs ohne andere Erfahrungen in der Welt. Im Weißen Haus holten sie sich Verstärkung von Goldman Sachs. Sie machten den Exchef der New Yorker Finanzinstitution, Gary Cohn, zu Trumps Wirtschaftsberater. Und sie überzeugten Dina Powell, die zuvor ebenfalls für Goldman Sachs gearbeitet hat, als „Strategin“ zu kommen.
Als Gott das Hirn austeilte
Der Autor macht sich auch Bannons und Trumps Einschätzung über die limitierten intellektuellen Fähigkeiten der Trump-Söhne Don jr. und Eric zu eigen. Laut Vater haben sie hinten im Klassenraum gestanden, als Gott das Hirn austeilte. Aus ihrer New Yorker Jugend hängen ihnen die Spitznamen „Uday“ und „Qusay“ nach, die an Sadam Husseins Söhne erinnern. Aber auch die öffentlich verehrte Tochter Ivanka kommt in Wolffs Buch als strohdumm daher. Und ihren Vater zitiert er mit dem Wunsch: „Jared und Ivanka hätten nie nach Washington kommen sollen.“
Jared Kushner ist einer der vielen, denen Trump je nach Laune in den Rücken fällt. Nach nur wenigen Monaten im Weißen Haus drohen dem Schwiegersohn, den Trump für eine Lösung des Nahostproblem losgeschickt hatte, wegen seiner Russlandkontakte eine Verurteilung zu Gefängnis und der Bankrott. Wolff beschreibt, dass die „Jarvanka“ immer wieder in den Urlaub flüchten.
Die dritte Fraktion ist angeführt von Reince Priebus, der Trump bis zum Sommer 2017 als erster Stabschef im Weißen Haus diente. Priebus war ein wenig subversives U-Boot des Apparats der republikanischen Partei bei dem Präsidenten, den sie nie im Weißen Haus gewollt hatte.
Zwischen Bannon, den „Jarvanka“ und Priebus finden permanente Kämpfe und lähmende Intrigen statt. Sie geben Geheiminformationen an die Medien, um sich gegenseitig zu denunzieren, stellen sich Fallen und versuchen den Präsidenten gegeneinander aufzuhetzen. Einig hingegen sind sie in ihrer Einschätzung ihres Präsidenten. Sie sehen ihn als Gefahr. So versuchen sie, seine Tweets und spontanen Reden sowie seine emotionalen Rausschmisse zu verhindern.
Kaum Dementis
Trumps Reaktion auf das Buch – „Ich bin ein sehr stabiles Genie“ und sein Ansinnen, den Buchverlag juristisch zu belangen und die InterviewpartnerInnen des Buchautors beruflich auszuschalten – bestätigt seine leicht verletzliche Eitelkeit. Aber Dementis zu dem Buch gibt es kaum. Für den Hauptbelastungszeugen Bannon könnte das Buch dennoch ein Karriereknick werden. Denn Trump hat ihm die Freundschaft gekündigt. Und die Milliardärsfamilie Mercer, die Bannon bislang unterstützte, will ihn offenbar aufgeben.
Für Trump ist das Buch ein Gefecht, wie er sie im zurückliegenden Jahr schon viele geführt und gewonnen hat. Im Hintergrund arbeitet er weiter an der Umsetzung des republikanischen Traumprogramms. Nachdem er kurz vor Weihnachten die Unternehmensteuern gesenkt und fast alle verbleibenden Einschränkungen für die Ölförderung aufgehoben hat, arbeitet er nun weiter an seiner radikalen Einwanderungspolitik. Solange alle auf das Buch starren, ist er dabei ungestört.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste