Brustkrebsvorsorge in Männerhand: Pornos retten Leben
Die neue Zielgruppe in Sachen Brustkrebsvorsorge sind Männer. Eine Werbevideo verbreitet sich im Internet – entworfen wurde es für Pornhub.
Stellen Sie sich vor, Sie schauen einen Pornoclip. „Latin boobs – touch your beloved ones“ heißt er. Nichts Besonderes, ein klassisches Stück der Sparte Hetero: eine Frau mit großen, symmetrischen Brüsten und schmaler Hüfte öffnet ihren BH, sie sitzt auf einer Massageliege, hinter sie tritt ein Mann, der mit eingeölten Händen ihre Brüste umfasst. Dazu dudelt Abspritzmusik. 37 Sekunden dauert das.
Dann flimmert es, ein lautes Störgeräusch ertönt und der Schriftzug „Dies ist kein Erotik-Video“ schiebt sich ins Bild. Die Massagesequenzen vom Anfang laufen noch einmal durch, diesmal wird in Untertiteln zu jeder Berührung erklärt, wie man Brüste nach Knoten und Schwellungen abtastet.
„Latin boobs“ nämlich ist ein Lehrvideo zur Brustkrebsvorsorge. Auftraggeber ist das Alcázar Gynecology Institute in Bolivien. Seit Oktober 2014 steht das Video auf Pornhub, der weltweit drittgrößten Pornoseite, seit einigen Tagen auch auf Vimeo. Der Titel dort: „Porn can save lives.“
Das Abtasten der Brust ist eine zuverlässige Methode der Früherkennung. Vorausgesetzt, man tut dies regelmäßig. Unzählige Kampagnen, die sich an Frauen wandten, aber gingen ins Leere. Das gynäkologische Institut versucht darum, die Männer zu erreichen. Gedacht haben werden sie sich in etwas Folgendes: Wo findet man diese Männer? Genau. Auf Pornoseiten. Schließlich treiben sich da 95 Prozent von ihnen herum – wie die MacherInnen es uns im Video erklären.
Empfohlener externer Inhalt
Das Video
Aber das Video stößt auch auf Kritik. Organisationen von Betroffenen sehen die Bildsprache als Fortführung der sexuellen Objektivierung von Frauen. Sie halten die Sexualisierung der Krankheit für unangebracht. Das Tutorial nämlich ist in seiner Pornoaufmachung NSFW – Not Save for Work. Und überdies: Dass das Video überhaupt bei Männern fruchtet, ist unwahrscheinlich.
Dennoch erzeugt die Umkehr des Pornosettings zum Lehrvideo einen unkonventionellen Blick auf die sonst fetischisierte Frauenbrust, lässt sie zu einem ganz normalen Körperteil werden. Einem unter vielen. Einem, das eben anfällig für Krebs ist. Und vielleicht ist genau das der Schlüssel zur Sensibilisierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee