Brexit und die Zukunft Großbritanniens: Eine englische Erfindung
Der Brexit müsste eigentlich Eexit heißen. Denn Schotten, Waliser und Nordiren möchten mehrheitlich in der Europäischen Union bleiben.
D ie Europäische Union und Irland wollen mit der britischen Regierung reden, aber sie schätzen die Aussichten auf einen Deal als gering ein. Der britische Premierminister Boris Johnson hat zum ersten Mal eine konkrete Alternative zum irischen Backstop vorgelegt. Dieser Notfallplan sah vor, dass Großbritannien in der Zollunion und Nordirland quasi im Binnenmarkt bleiben sollte. Damit wäre eine harte Grenze in Irland vermieden worden. Das britische Parlament sagte jedoch Nein.
Laut Johnsons Vorschlag soll Nordirland zwar im Binnenmarkt bleiben, aber die Zollunion gemeinsam mit dem Rest des Vereinigten Königreichs verlassen. Wie aber will man Zölle erheben, ohne eine Grenze zwischen Irland und Nordirland zu errichten? Johnson behauptet, das ließe sich durch Anmeldung von Waren vor dem Grenzübertritt, durch Untersuchungen auf den Firmengeländen der Händler oder durch Technologie regeln. Würde das funktionieren, dann hätte man es längst auf den Tisch gebracht. Doch die Technologie, um eine virtuelle Grenze ohne physische Grenzkontrollen sichern zu können, gibt es bisher nicht.
Darüber hinaus soll die Vereinbarung von der Zustimmung der nordirischen Regionalregierung abhängen, die alle vier Jahre ihr Plazet geben müsste. Doch erstens gibt es diese Regierung seit mehr als zweieinhalb Jahren nicht, weil sich die Koalitionspartner, die für die Union mit Großbritannien eintretende Democratic Unionist Party (DUP) und die für eine irische Vereinigung eintretende Sinn Féin, zerstritten haben. Und zweitens wäre das genau der befristete Backstop, den die Dubliner Regierung stets abgelehnt hat.
Die EU reagierte diplomatisch, weil man sich nicht die Schuld an einem Scheitern zuschieben lassen will. Denn darum geht es Johnson. Er weiß, dass sein Vorschlag für die EU höchstens eine Basis für Gespräche, aber nicht für einen Deal ist. Johnson steuert in Wirklichkeit auf einen harten Brexit am 31. Oktober zu, auch wenn sich das Parlament für eine erneute Verlängerung der Ausstiegsfrist entschieden hat.
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Der Brexit ist eine englische Erfindung, korrekt müsste er Eexit heißen. Schotten, Nordiren und Waliser haben mehrheitlich für den Verbleib in der EU gestimmt. Zwar hat Wales mit 52 Prozent für den Brexit votiert, aber es waren die englischen Rentner, die dafür gesorgt haben, wie eine Untersuchung von Professor Danny Dorling von der Universität Oxford festgestellt hat. Der Vorsprung für Brexit betrug lediglich 82.000 Stimmen. In Wales leben rund 650.000 Engländer, mehr als ein Fünftel der Bevölkerung, ein Viertel davon über 65. In den Gegenden, wo Walisisch gesprochen wird und wo sich nur wenige Engländer angesiedelt haben, gab es eine deutliche Mehrheit für den Verbleib in der EU.
Die Union spielt für Brexit-Befürworter, Tory-Wähler und Tory-Parteimitglieder keine Rolle, auch wenn ihre Partei offiziell Conservative and Unionist Party heißt. Laut Umfragen würden sie, ohne mit der Wimper zu zucken, das Auseinanderfallen des Vereinigten Königreichs als Preis für den Brexit in Kauf nehmen. Und genau das wird bei einem harten Ausstieg wohl passieren. Die schottische Regionalregierung der Scottish National Party (SNP) will schon nächstes Jahr ein neues Unabhängigkeitsreferendum anberaumen, und die irische Vereinigung würde dadurch beschleunigt.
Johnson hat sich vorigen Monat zum Minister für die Union ernannt. Solch einen Posten gab es bisher nicht. Dass man ihn geschaffen habe, sei ein sicheres Zeichen dafür, dass diese Union in Schwierigkeiten stecke, schreibt der politische Kommentator Fintan O’Toole. Johnson hat 10 Millionen Pfund zur Verfügung gestellt, um die Union zu stärken. Für die Vorbereitungen auf einen harten Brexit will er 8,3 Milliarden Pfund ausgeben.
„10 Millionen, um die Union zu erhalten, 8,3 Milliarden, um sie zu zerstören“, stellt O’Toole fest. Deutlicher könne man seine Prioritäten nicht setzen.
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