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An der Grenze zwischen Bursa und Balikesir ist ein Waldbrand ausgebrochen, Türkei, am 11.7.2025 Foto: Sergen Sezgin/imago

Waldbrände 2025Brennpunkt Europa

Vom Mittelmeer bis nach Brandenburg: Ein Sommer im Zeichen der Klimakrise – mit dem Epizentrum in Südeuropa. Auch Deutschland ist betroffen.

D er Deutsche Wetterdienst hat vor zehn Jahren extra einen neuen Index entwickelt, um vor dieser Gefahr zu warnen: den Waldbrandgefahrenindex (WBI). Aktuell ist der nach dem vielen Regen nur ganz im Osten beige eingefärbt – „geringe Gefahr“. Im Juni sah das ganz anders aus: Weite Teile Deutschlands waren tiefrot, „sehr hohe Waldbrandgefahr“.

Tatsächlich haben auch in Deutschland Anzahl und Intensität der Waldbrände zugenommen: Standen im Jahr 2014 noch 214 Hektar hierzulande in Flammen, so waren es 2019 bereits 2.711 Hektar. Allein im Landkreis Ludwigslust-Parchim verbrannten damals 944 Hektar. Der bislang größte Waldbrand in Mecklenburg, mehr als 3.000 Feuerwehrleute waren im Einsatz.

2020 wütete im deutsch-niederländischen Grenzgebiet nahe Viersen (Nordrhein-Westfalen) ein Großbrand, 4.000 Einwohner wurden in Turnhallen not­ein­quartiert. 2022 brannte die Sächsische Schweiz, in Südbrandenburg gingen 1.000 Hektar im Feuer unter. In diesem Jahr verlor die Gohrischheide (Sachsen) mindestens 600 Hektar Wald, bis Mitte Mai war die Feuerwehr im Harz bereits 35-mal ausgerückt, „ein Ausnahmejahr“, sagte der Harzer Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse dem MDR.

Den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Waldbränden untersucht Christopher Reyer am Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Im vergangenen Jahr erschien eine Studie, an der er mitgearbeitet hatte: „Wir sehen einen klaren Einfluss des Klimawandels“, sagt Reyer der taz. Demnach ist die verbrannte Fläche weltweit von 2003 bis 2019 um 15,8 Prozent gestiegen. Vor allem in Australien, Südamerika, West-Nordamerika und Sibirien hat die Feueraktivität zugenommen, was die Forscher mit trockeneren und wärmeren Wetterbedingungen begründen.

Wo brennt es?

Portugal: In den zentralen und nördlichen Regionen – etwa bei Arouca, Ponte da Barca und Penamacor – wüten drei große Waldbrände. Mehr als 1.300 Feuerwehrleute sind im Einsatz

Italien (Sardinien): Bei Punta Molentis erreichten die Flammen sogar den Strand – Hunderte Fahrzeuge brannten aus, die Küstenwache musste zahlreiche Menschen evakuieren

Kroatien, Montenegro, Albanien: Brände nahe Prizren, Nikšić und entlang der kroatischen Adriaküste – etwa bei Pisak und Marušići. Es kommt zu Evakuierungen, Straßensperrungen und laufenden Löscheinsätzen.

Und das wird immer mehr zum Gesundheitsrisiko: „Die Auswirkungen des Rauches von Feuern treffen nicht nur die Menschen unmittelbar dort, wo es brennt“, erklärt Reyer, „auch die städtische Bevölkerung leidet erheblich darunter.“ In einer zweiten Studie untersuchte er mit Kol­leg:in­nen nämlich, wie sich die Gesundheitsrisiken durch die Feuer in den letzten 60 Jahren verändert haben.

Demnach hat sich die Zahl der Todesopfer durch die Luftverschmutzung seit den 1960er Jahren auf knapp 100.000 verdoppelt. „Rauchbelastung kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben“, sagt Reyer. Das ist kein Problem weit weg von uns: Als es 2018 in Treuenbrietzen südlich von Potsdam brannte, zog der Rauch bis in die Brandenburger Hauptstadt und weiter nach Südberlin.

Zu allem Überfluss heizen die Waldbrände den Klimawandel weiter an, die borealen Wälder im hohen Norden, etwa in der Taiga, gelten sogar als Kippelement im globalen Klima. Noch speichern sie große Mengen Treibhausgas, ab einer bestimmten Schwelle des Klimawandels werden sie aber unwiederbringlich verloren gehen. „Brennende und absterbende Wälder setzen gespeicherten Kohlenstoff frei“, sagt PIK-Experte Reyer. Im Sommer 2020 brannten wochenlang in Nordsibirien riesige Waldflächen. Laut Copernicus stießen die Taigabrände 244 Millionen Tonnen CO2 aus – mehr als ganz Spanien in einem Jahr.

Feuerwehrleute im Einsatz: die Flammen breiteten sich aufgrund starker Winde erneut aus, Bursa, Türkei, am 28.7.2025 Foto: Mustafa Bikec/imago

Auch der Amazonas stellt so einen Kipppunkt dar: Wegen der starken Sonnenintensität am Äquator und der Feuchtigkeit des Waldes verdunstet dort sehr viel Wasser, es bilden sich Wolken. „Diese regnen dann im Flachland und an den Hängen der Anden wieder ab und versorgen den Regenwald so mit neuem Wasser“, sagt Reyer. Eigentlich ein sich selbst erhaltendes System, das bei Hitzestress ins Stocken gerät: 2024 brannte allein in Brasilien eine Fläche so groß wie Italien.

„In Deutschland gehören Feuer, was die betroffenen Fläche angeht, zu den weniger relevanten Waldstörungen“, sagt Reyer vom Potsdam-Institut. 2024 beispielsweise war ein sehr nasses Jahr, Brandanzahl als auch die verbrannte Fläche lagen deutlich unter dem langjährigen Mittel in der Statistik. Allerdings hilft uns der Wald in Deutschland nicht mehr beim Klimaschutz, er gibt mehr Kohlendioxid ab, als er speichert. Genau das zeigt die Vierte Bundeswaldinventur.

In Deutschland stehen mehr als 100 Milliarden Bäume (Größe über 20 Zentimeter), seit 2017 ermittelt das Thünen-Institut eine „Kohlenstoffinventur“ – beantwortet zum Beispiel die Frage, wie viel Kohlenstoff in den hiesigen Bäumen gebunden wird. Das Ergebnis aus dem letzten Jahr: Der Kohlenstoffvorrat ist um 41,5 Millionen Tonnen zurückgegangen. Das bedeutet: So viel Treibhausgas hat der Wald wieder abgegeben, entsprechend stark ist die deutsche Klimaschuld angestiegen – um mehr als 6 Prozent. Grund sind die Hitzesommer 2018, 2019, 2021, die dem Wald zugesetzt haben, die Bäume sind kaum gewachsen. Der aktuelle Waldzustandsbericht ergab: Nur noch 18 Prozent der Buchen sind gesund, bei den Eichen sind es sogar nur noch 16 Prozent.

Spanien: Die Ära der 6. Generation

Spanien lebt in ständiger Furcht vor einem erneuten Waldbrand der 6. Generation. Das sind Brände, die so viel Energie und Hitze freisetzen, dass sie ein Eigenleben führen. Sie sind in der Lage, die Wetterbedingungen in ihrer Umgebung zu verändern. Es entstehen Wolken, Stürme und sogar Blitze. Solche Waldbrände breiten sich explosionsartig aus – sogar gegen den Wind – und geraten dann völlig außer Kontrolle.

Wie das aussieht, zeigte sich Anfang Juli in der katalanischen Provinz Lleida im Nordosten der Iberischen Halbinsel. Ein riesiges Gebiet lag unter einer 14 Kilometer hohen Rauch- und Aschewolke. Die Feuerfront rückte mit einer Geschwindigkeit von über 28 Kilometer pro Stunde vor. An Löscharbeiten war nicht mehr zu denken. Erst nach starken Niederschläge konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden. Zu beklagen waren am Ende zwei Tote und 5.500 Hektar verbranntes Land – eine Fläche halb so groß wie die Stadt Barcelona.

„Der Begriff ‚Feuer der sechsten Generation‘ bezieht sich auf Brände von solcher Intensität, dass sie die Dynamik der oberen Atmosphärenschichten verändern und Winde erzeugen, die sich nur schwer berechnen lassen, was eine Vorhersage des Brandverhaltens unmöglich macht“, erklärte Inazio Martínez de Arano, Direktor des Mittelmeer-Regionalbüros des Europäischen Forstinstituts. Trockenheit und die infolge des Klimawandels viel zu hohen Temperaturen lassen das Waldbrandrisiko ständig steigen.

Souni, Zypern: Ein Mann durchquert die verkohlte Landschaft nahe dem Troodos­gebirge Foto: Petros Karadjias/AP/dpa

Der Juni dieses Jahres war der heißeste Juni, der in Spanien bisher registriert wurde. Er lag 2,81 Grad über dem Durchschnitt im Zeitraum von 1991 bis 2020. Hinzu kommt die Vernachlässigung von Wäldern und die Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzflächen.

So sammelt sich immer mehr brennbare Biomasse an. Ein explosives Gemisch. In Lleida war es – so die Ermittlungen – ein Funke, verursacht durch eine landwirtschaftliche Maschine, der den Brand auslöste.

95 Prozent der Brände sind menschengemacht. Meist nicht beabsichtigt, entstehen sie etwa durch Verbrennen von Reisig, bei anderen landwirtschaftlichen Arbeiten, Verkehrsunfällen und leider auch durch Funkenflug beim eigentlich im Sommer verbotenen Grillen. In jenen ländlichen Gegenden, wo während des Baubooms besonders viele Häuser entstanden, kommt es häufiger zu Bränden – meist ausgelöst durch Blitzeinschläge.

Brände der 6. Generation sind nach wie vor die Ausnahme, ihre Häufigkeit nimmt allerdings zu. Die Einstufung eines Brandes in 1., 2. oder 3. Generation hängt von der Windstärke sowie der Größe des Brandherds ab.

Die 4. Generation sind Großbrände in Gebieten, wo Land und Wohngegend sich abwechseln. Von der 5. Generation wird gesprochen, wenn ein Großbrand von mehreren Brandherden auf einmal ausgeht und die Bevölkerung gefährdet, was die Gefahren bei der Brandbekämpfung erhöht.

Vom 1. Januar bis zum 29. Juli 2025 haben die Brände in Spanien insgesamt 35.923 Hektar zerstört. Dies entspricht 12,2 Prozent der 292.855 Hektar, die bisher in diesem Jahr in der Europäischen Union (EU) verbrannt sind, so die Daten des Waldbrandinformationssystems (Effis) der EU-Kommission. 2024 brannten insgesamt 47.711 Hektar – etwas mehr als die halbe Fläche von Berlin. Spanien und das Nachbarland Portugal sind die Länder der EU, in denen es am häufigste brennt.

Griechenland: Nur Asche und Staub

Alles nur noch Asche und Staub in Griechenland Foto: Ferry Batzoglou

Eine der größten Feuertragödien in Griechenland nimmt am Mittag des heißen 23. Juli 2018 ihren Anfang, als ein 65-jähriger Bewohner die irre Idee hat, Gras und trockene Äste auf seinem Feld auf dem attischen Penteliberg zu verbrennen. Total fatal.

Das Feuer bricht aus – und gerät binnen kürzester Zeit völlig außer Kontrolle. Kein Wunder: Zu diesem Zeitpunkt fegen Sturmböen mit bis zu acht Beaufort durch die Region, und der Boden ist nach monatelanger Dürre ausgetrocknet. Die Feuerwalze breitet sich rasend schnell in die Hänge des Penteligebirges hinunter aus, hinterlässt eine Schneise der Verwüstung und erreicht schließlich den ostattischen Küstenort Mati. Einwohner wie Urlauber können nicht rechtzeitig fliehen. Sie werden in ihren Häusern eingeschlossen, verbrennen oder kommen ums Leben, als sie versuchen, zu Fuß oder mit ihren Autos der Feuersbrunst zu entkommen. Die verheerende Bilanz der Mati-Tragödie: 104 Todesopfer, enorme Sachschäden. Eine biblische Katastrophe.

Den Anfang der diesjährigen Waldbrandsaison in Hellas machte die östliche Ägäisinsel Chios. Genau 4.091 Hektar Fläche brannten vom 22. Juni bis 24. Juni im Herzen des Eilands nieder. Bäume, Sträucher, Weideflächen, Agrarflächen sowie Naturschutzgebiete fielen dem Großfeuer zum Opfer. Auch 12.000 der einzigartigen Mastixbäume, aus denen das kostbare Harz gewonnen wird, sind laut empörten Produzenten vollständig zerstört.

Das hierzulande jüngste Großfeuer fängt am 25. Juli auf der Insel Kythira, südlich der Halbinsel Peloponnes gelegen, an und verwüstet hernach große Landstriche. Kythira, bislang vom Massentourismus verschont, droht laut Experten zur Wüste zu werden.

Professor Efthymios Lekkas, Experte für Naturkatastrophenmanagement und Leiter der griechischen Organisation für Erdbebenplanung und -schutz, sieht im Brand auf Kythira einen „schweren Schlag“ für das empfindliche Ökosystem der Insel. „Der Waldbrand hat ein Gebiet zerstört, das sich gerade erst von dem verheerenden Feuer von 2018 erholt hatte. Das Gebiet wird jetzt (nach dem neuerlichen Brand) kaum zu retten sein“, sagte er. Lekkas’ Befund: „Das ist ein kritischer ökologischer Wendepunkt.“

Das Großfeuer auf Kythira brach auf dem Höhepunkt einer 13-tägigen Hitzewelle aus – einer der längsten, die je in Griechenland gemessen wurden. Der 25. Juli war der heißeste Tag: An 362 Messstationen wurden über 37 Grad, an 167 sogar über 40 Grad gemessen. Anwohner und Touristen schwitzten um die Wette.

Am heißesten war es im Ort Skala im Südpeloponnes, nicht weit von Kythira entfernt: 45,8 Grad. Trotz EU-finanzierter AntiNero-Programme greifen die Präventivmaßnahmen kaum: Bis zum 31. Juli 2025 haben 27 Großbrände in Griechenland bereits 19.464 Hektar Land zerstört.

Am 7. Juli 2025 bricht im Dorf Pauls in der Nähe des Naturparks Parc Natural dels Ports ein Großbrand aus, Katalonien Foto: Joan Cros/imago

Das hat das Europäische Informationssystem für Waldbrände (EFFIS) erfasst. Unterm Strich belief sich die von 2021 bis 2024 verbrannte Fläche in Griechenland auf enorme 369.945 Hektar. Dies entspricht 3.699 Quadratkilometern oder der Fläche von gleich drei Bundesländern zusammen: Saarland, Hamburg und Bremen.

Auch das Nachbarland Zypern leidet. Das Feuer bei Limassol, das am 23. Juli ausbrach, hinterließ laut Satellitendaten vom 24. Juli rund 125 Quadratkilometer verbrannte Erde. 50 Prozent der verbrannten Fläche seien Weideland, 31 Prozent Hartlaubvegetation, 16 Prozent Baumvegetation und 1,3 Prozent Siedlungsgebiete. Die grüne Lunge von Limassol ist nur noch Asche und Staub.

Türkei: Kein Klima-Bewusstsein

Es war apokalyptisch. Eine Woche lang raste ein Feuersturm durch die Türkei, wie es ihn in dem Land noch nie gegeben hatte. Angefangen von Antakya im Südosten über Teile der Mittelmeerküste bei Antalya, rauf in den Norden in die Mittelgebirge, die die Schwarzmeerküste vom anatolischen Hochland trennen, und weiter in den Nordwesten bis an die ägäische Küste.

Zeitweise brannte es in 85 Wäldern gleichzeitig. Etliche Dörfer mussten evakuiert werden. Die Feuerwehren waren überfordert – es mangelte überall an Löschflugzeugen und Hubschraubern. Die Flammen zerstörten nicht nur riesige Waldgebiete, sondern forderten auch 14 Menschenleben – Feuerwehrleute und Waldarbeiter, die eingeschlossen waren oder im unwegsamen Gelände verunglückten.

Ausgerechnet rund um die Millionenmetropole Bursa im Nordwesten der Türkei wüteten die schlimmsten Brände. Die viertgrößte Stadt des Landes trägt den Beinamen „Yeşil Bursa“ – das grüne Bursa –, da sie am Fuße des 2.500 Meter hohen Uludağ von uralten Wäldern umgeben ist. Diese fast urwaldartigen, natürlich gewachsenen Wälder konnten bislang genug Wasser speichern und galten als wenig brandanfällig. Anders als die im Sommer ausgedörrten Kiefernwälder an der Mittelmeerküste ist der Baumbestand rund um Bursa, im ganzen Nordwesten des Landes und entlang der fast immer regenfeuchten Schwarzmeerküste normalerweise vor Waldbränden sicher. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Seit zehn Tagen liegt über der Türkei eine in dieser Dimension noch nie erlebte Hitzewelle. Rund 80 Prozent des Landes litten unter Temperaturen bis zu 40 Grad, ganz im Südosten, um die kurdische Metropole Diyarbakır, erreichten die Temperaturen auch 50 Grad.

„Bei diesen Temperaturen reicht der geringste Funke, um einen Großbrand auszulösen“, sagte der Landwirtschafts- und Forstminister İbrahim Yumaklı zu den Vorwürfen, die Türkei sei auf die Feuer schlecht vorbereitet gewesen. „Natürlich können wir bei so vielen Bränden nicht überall sein.“ Tatsächlich wurden in etlichen Gegenden Stromleitungen abgeschaltet, weil man fürchtete, dass Funken aus den überlasteten Leitungen weitere Brände auslösen könnten.

Mittlerweile sind die meisten Großbrände wieder unter Kontrolle, auch rund um Bursa konnte das Schlimmste verhindert werden. Doch die Gefahr weiterer Großbrände bleibt bestehen. Die Temperaturen sind stellenweise gesunken, bleiben aber insgesamt zu hoch. Jede Unachtsamkeit kann einen neuen Brand auslösen. Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte am Mittwochabend, rund 90 Prozent der Brände seien auf menschliches Versagen oder Brandstiftung zurückzuführen.

Auch in Bursa wurde nun ein Mann verhaftet, der angeblich aktiv Brände gelegt haben soll. Über 30 Personen wurden festgenommen – sie stehen im Verdacht, Brände verursacht zu haben. Die Regierung will nun die Strafen für Brandstiftung erhöhen. Forstexperten fordern ein besseres Waldmanagement zur Prävention von Bränden. Dorfgemeinschaften haben damit begonnen, in den Wäldern in ihrer Umgebung Glasflaschen aufzusammeln, die in der Sonne Brände auslösen könnten, und den Waldboden von Unterholz zu räumen. Auch sollen die Wälder in den Sommermonaten nicht mehr betreten werden. „Was fehlt“, sagt der Forstwissenschaftler Osman Elvan der Zeitung Hürriyet, ist ein Bewusstsein dafür, dass angesichts der neuen Klimasituation ein völlig anderes Verhalten zum Schutz der Wälder notwendig ist“.

Balkan: Als der Regen kam

Viele kennen den Song von 1959 wohl nicht mehr, oder doch? Wer den bisherigen Sommer am Mittelmeer durchgestanden hat, dem ging nach dem Regen am Dienstag in Kroatien, Bosnien und Nordserbien das Lied der Französin Dalida, „Am Tag, als der Regen kam, heiß ersehnt, heiß erfleht …“, nicht mehr aus dem Kopf. „Auf die glühenden Felder, auf die durstigen Wälder“ fiel er endlich, der Regen.

Vorbei die Wochen unter der glühenden Hitze an der Adriaküste von 35 bis 38 Grad, sogar schon im Juni. Das Wasser der Adria, inzwischen auf 27 oder 28 Grad erhitzt, brachte nur wenig Erfrischung. Lediglich die neu angekommenen Touristen aus dem kalten Norden freuten sich über die Wärme und das Meer.

Am Strand gab es viel entblößte weiße Haut. Sie brachten sogar ihre Kleinkinder an den glühenden Kieselstrand, manche achteten mehr auf ihre Handies als auf ihren Nachwuchs, der bald anfing zu kreischen. Vor allem die Babys schienen zu leiden. „Welche Unverantwortlichkeit“, bedeutete eine Touristin und zeigte auf die Eltern.

Im Inland stiegen die Temperaturen sogar auf weit über 40 Grad, wie in der von Touristen überlaufenen Stadt Mostar, die nur durch den kühlen Fluss Neretva dort zu ertragen ist. Vor allem in der Herzegowina bedeutete das Waldbrandgefahr, in der Tat fingen große Wald- und Macchiaflächen Feuer, in dem herzegowinischen Städtchen Prozor fingen schon die Häuser am Stadtrand an zu brennen.

Aber auch ohne die Brände macht die Hitze nicht nur nordische Menschen benommen, das Hirn erscheint selbst den Einheimischen plötzlich entleert, ausgebrannt, klare Gedanken verschwimmen, steigern sich bei einigen zu Angst- und anderen Fantasien.

Aber wer sich an die Regeln hält und die Siesta respektiert, nur während der Morgenfrische in den Feldern und Gärten arbeitet, entgeht diesem Schicksal. Das meint jedenfalls der Dalmatiner, der Endsechziger Toni, der nach wie vor auf der Insel Ciovo seinen Olivenhain betreut. Und sich jetzt über den Regen freut.

In Dalmatien, in der Herzegowina und in Bosnien kam dieser als ein Fadenregen an, der langsam in den Boden einsickerte, ein Regen, der dazu einlud, ihn auf der nackten Haut zu spüren, der die Hitze beendete, ein Lebenselixier. Als er sich während der Nacht verdichtete, auf die Dächer trommelte, kleine Bäche in den Hängen der Olivenhaine bildete und die Lufttemperatur auf 22 Grad stürzte, war es vorbei mit der Hitze. Und den Waldbränden in der Herzegowina.

Der Dienstag war also der Tag, als der Regen kam. Für die Leute in Istrien, den nördlicher liegenden Gebieten in Kroatien und Slowenien war das Geschehen weniger romantisch. Dafür aber ein radikalerer Wettersturz. Im Norden Kroatiens fielen aus dem heißen Nichts unter Donnerbegleitung Hagelkörner groß wie Tennisbälle, Stürme ließen Boote kentern, sogar in Split verkeilte sich eine Fähre mit einem Passagierschiff, die Schiffsverbindungen zu den zahllosen kroatischen Inseln mussten zumindest kurzzeitig unterbrochen werden.

Das Wetter ist noch unberechenbarer geworden, heißt es in den lokalen Medien. Dass die Erderwärmung voranschreitet, ist allgemeiner Tenor. „Ihr in Deutschland solltet bald aufpassen, denn schon jetzt verdunstet unglaublich viel Wasser in der Atmosphäre“, sagt Pero, der frühere Fischer. Seit die Bestände in der Bucht von Trogir-Split dramatisch gesunken sind, läuft er nur noch selten aus, kennt aber das Wetter gut. „Die Wolken von uns, von der Adria, werden bald nach Norden, zu euch hin wandern.“ Und sich dort abregnen. Wahrscheinlich keineswegs heiß ersehnt.

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