Bremer Unis droht Kahlschlag: „Die Hütte brennt“

Wegen Pandemie und Schuldenbremse muss Bremen sparen. Das könnte auch in großem Umfang zulasten der Hochschulen gehen.

Glasfassade mit Schriftzug der Uni Bremen

Droht finanziell auszuhungern: Die Uni Bremen Foto: Ingo Wagner/dpa

HAMBURG taz | Der Bremer Hochschullandschaft stehen düstere Zeiten bevor. Wie nun bekannt wurde, plant das Land in den kommenden zwei Jahren offenbar massive Einsparungen im Wissenschaftsbereich. „Es brennt“, sagt Dominik Lange, Finanzreferent des AStA der Uni Bremen.

Denn geht es nach den Plänen der Finanzbehörde, haben die Hochschulen in den Jahren 2022 und 2023 satte 70 Millionen Euro weniger zur Verfügung als bislang. Der Rektor der Uni Bremen, Bernd Scholz-Reiter, hat bereits einen offenen Brief an Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) geschrieben, in dem er „allergrößten Schaden“ nicht nur auf die Uni, sondern auf die ganze Stadt zukommen sieht, falls die Einsparungen kommen sollten.

Am Wochenende kommt der rot-rot-grüne Senat zusammen, um über die Haushaltsplanungen für die Jahre 2022 und 2023 zu sprechen. Wie der Weser Kurier berichtete, gibt es bereits ein Eckpunktepapier vom grünen Finanzsenator Dietmar Strehl, das auch massive Kürzungen im Wissenschaftsbereich vorsieht.

Denn während der Senat dieses Jahr aufgrund der anhaltenden Coronapandemie auf die Schuldenbremse kaum achten muss, sieht es für die kommenden Jahre dramatisch aus: Die Steuereinnahmen sind seit der Pandemie deutlich zurückgegangen, doch wegen der dann wieder eingesetzten Schuldenbremse muss das Land bei den Ausgaben sparen. Das Land muss mit etwa einer Milliarde Euro weniger als geplant zurechtkommen.

Nicht nur Schließung einzelner Studiengänge befürchtet

Während dem Wissenschaftsbereich im diesjährigen Haushalt 420 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sollen es kommendes Jahr 30 Millionen Euro weniger sein. 2023 stünden den Hochschulen gar 39 Millionen Euro weniger zur Verfügung als in diesem Jahr. „Sollte es dazu kommen, können die Bremer Hochschulen eigentlich dicht machen“, sagt Dominik Lange. Der AStA der Uni Bremen befürchtet nicht nur die Schließung einzelner Studiengänge an seiner Uni, sondern einen Kahlschlag über die meisten Fakultäten hinweg.

Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Uni Bremen

„Wir sehen allergrößten Schaden auf die Universität, ihre Studierenden und Beschäftigten sowie auf Bremen insgesamt zukommen“

Auf Nachfrage der taz will sich die Finanzbehörde nicht zu den kolportierten Eckpunkten des Entwurfs äußern. Wie dramatisch die Zahlen sind, zeigt aber ein Blick ins Nachbarland. Auch die Universitäten in Niedersachsen sind von Sparzwängen betroffen. Zwar müssen sie schon dieses Jahr sparen, doch sind die von der Landesregierung geforderten knapp 25 Millionen Euro deutlich geringer – und auf mehr Hochschulen verteilt als in Bremen.

Dabei war den Bremer Hochschulen vor der Pandemie im Wissenschaftsplan 2025 ein Anstieg der Budgets versprochen worden. Den hatte der Senat 2019 beschlossen. Für das Jahr 2023 etwa war vorgesehen, den Hochschulen 527 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Damit gebe es eine Differenz von 140 Millionen Euro zu dem nun kolportierten Betrag.

„Die Zahl entspricht zum Beispiel fast 2.240 Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau, sprich einem Drittel aller Beschäftigten an den Bremischen Hochschulen“, sagt Lange.

Rektor schreibt Brief an Bovenschulte

Diese Diskrepanz bringt nun auch Scholz-Reiter dazu, dem Senat die Dramatik der Lage deutlich zu machen. Die Uni Bremen als größte Hochschule des Landes dürfte zwangsläufig die höchsten Einsparsummen stemmen. „Die Universität hat der beabsichtigten Finanzierung durch den Wissenschaftsplan vertraut“, sagt Scholz-Reiter.

Allerdings, betont Scholz-Reiter, sollte der Plan lediglich dabei helfen, Bremen als Hochschul­standort bei den Ausgaben pro Studierendem wenigstens Richtung Bundesdurchschnitt zu hieven. Bislang liege das Land rund ein Drittel unter dem Durchschnitt.

„Würde der Plan nicht umgesetzt, wären Einstellungsstopps, keine Wiederbesetzung freiwerdender Stellen und keine Verlängerung befristeter Stellen unmittelbare Folgen“, schreibt Scholz-Reiter an den Bürgermeister. Denn: „Die Universität Bremen hat keine finanziellen Reserven.“

Auch der AStA betont, dass von Einsparungen besonders prekär Beschäftigte, die sich von Befristung zu Befristung hangeln, betroffen wären. Selbst wenn nach zwei Jahren die finanzielle Ausstattung der Unis wieder steigen würde, wäre es dann schon zu spät: „Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, die die Hochschulen schon nach kurzer Zeit völlig entkernt“, sagt Lange.

Grüne optimistisch, Kürzungen zu verhindern

Um den Wissenschaftsstandort Bremen ist es, nachdem auch schon die Uni Bremen 2019 ihren Status als Exzellenzuni verlor und Studierende permanent die Schließung von Studiengängen befürchten, ohnehin schlecht bestellt. Im November wurde bekannt, dass die Jacobs University, eine wissenschaftlich renommierte Privat-Uni, zu einem Zentrum für Künstliche Intelligenz geschrumpft werden soll.

Laut Solveig Eschen, grüne Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, stünden die Chancen aber gut, dass die Kürzungen im Wissenschaftsetat noch verhindert werden könnten. Eschen und Finanzsenator Strehl seien sich sicher, dass bei den Haushaltsberatungen mindestens der finanzielle Status Quo gehalten werden könne.

Die Studierendenvertretungen der Bremischen Hochschulen haben für Samstagvormittag, während der Senat zur Haushaltsplanung tagen will, dennoch eine Demonstration vor dem Rathaus angekündigt. „Die Hütte brennt“, mahnen sie in ihrem Aufruf.

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