Bremer Symposium zum Film: Die verrückte Kunstform
Das Bremer Symposium zum Film findet ab dem 5. Mai online statt. Vorträge und Streamings widmen sich dem Thema „Psychische Erkrankung und Film“.
Der Paarung „Psychische Erkrankung und Film“ haben nicht ohne Grund auch die Organisator*innen des „Internationalen Bremer Symposiums zum Film“ dessen anstehende 25. Ausgabe gewidmet: Die seelische Erkrankung sei eine „Gefährtin des Kinos“, teilen sie mit; sie habe „das Kino seit dessen Entstehung begleitet, mit Themen bespielt, es geprägt und zur Weiterentwicklung von Ausdrucksmöglichkeiten und Theorien beigetragen“.
So versteht es der Film, aus der Perspektive Erkrankter zu erzählen, ihre Phantasmagorien auf die Leinwand zu bringen. Er kann sich auch mit dokumentarischen Mitteln den als so andersartig empfundenen Innenwelten nähern.
Mit welchen Mitteln Filmemacher*innen dies gelingt und wie die Bilder, die sie gestalten, die Vorstellungen von psychischen Krankheiten verändert haben: Das ist in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem wichtigen Forschungsfeld der Filmwissenschaften geworden, und so wurden diese Fragen zum Thema des 25. Symposiums, das die dortige Universität und das Kommunalkino City 46 zusammen ausrichten.
Eigentlich hätte das Symposium im Mai 2020 stattfinden sollen, musste wegen der Coronakrise aber ausfallen. In der Zwischenzeit hat sich inhaltlich kaum etwas verändert. Nur ein Film, der vor einem Jahr noch nicht fertig war, ist dazugekommen: In „Psychosis in Stockholm“ erzählt die Regisseurin Maria Bäck aus ihrer eigenen Jugend, die geprägt war von den bipolaren Phasen ihrer Mutter. Ein Spielfilm also wie maßgeschneidert für das Symposium – und so feiert er dort jetzt online seine Deutschlandpremiere.
Das Bremer Symposium gibt es seit 1995, gegründet damals zum 100. Geburtstag des Kinos. Besonders ist daran immer gewesen, dass es in einem Kino stattfand und auch interessierte Nichtakademiker*innen die Vorträge, Diskussionen und Vorführungen besuchen konnten – so war es nie nur eine filmwissenschaftliche Veranstaltung.
Ob sich kulturell interessierte „Laufkundschaft“ auch bei dieser Online-Ausgabe einfinden wird? Organisator Tobias Dietrich spricht zwar von der größeren Reichweite eines digitalen Symposiums, das nicht an einen realen Ort gebunden ist, aber er weiß auch, dass vieles, was immer als essenziell galt, wegfallen wird. So etwa die informellen Gespräche der Teilnehmer*innen zwischen den Programmpunkten, gemeinsames Essen und Trinken.
An den vier Tagen des Symposiums können nun alle, die eine digitale Einzelkarte für je 6 Euro erwerben oder eine Dauerkarte für 15, 25 oder 35 Euro – jede*r soll zahlen, was er*sie kann oder will – die Filme online ansehen. Die vorproduzierten Vorträge sind kostenlos zu sehen, für die Zoom-Foren an den Vormittagen ist eine – ebenfalls kostenlose – Anmeldung nötig.
25. Internationales Bremer Symposium zum Film: 5.–8. Mai. Alle Informationen gibt es hier.
Der Star unter den Referent*innen ist eindeutig W. J. T. Mitchell, der an der Universität Chicago über Kunst, Literatur und Film lehrt und zum Thema „Cinemania: Madness and the Moving Image“ sprechen wird. Es geht ihm darin um die Möglichkeit des Kinos, von psychischer Erkrankung aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen. Mitchell selbst hat einen biografischen Zugang zum Thema: Sein Sohn Gabriel ist Filmemacher und selbst psychisch krank; mit seinen Filmen versucht er „Schizophrenie von einer Behinderung in eine kritische Perspektive zu verwandeln“.
Michele Aaron, Dozent im englischen Warwick, untersucht in seinem Vortrag „Warts and All: Film, Ethics und Human Frailty“, wie vor allem in Hollywood eine eigene Grammatik entwickelt wurde, um im Kino von der Gebrechlichkeit und dem Sterben zu erzählen. Auf dem Programm stehen ferner drei Vorträge Richard Wardens aus Glasgow, der seit fast zehn Jahren Filmprogramme zu „Mental Health“ kuratiert. In drei Foren werden schließlich aktuelle wissenschaftliche Entwicklungen diskutiert; bei Themen wie „Syndrome & ein Jahrhundert. Pathogenealogien des Kinos“ oder „Salutogenese durch Film“ sind die Wissenschaftler*innen dort wohl ganz unter sich.
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