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Bremer Konzept für soziale VielfaltMehr Sozialwohnungen in den Reichenvierteln

Bremen will den Bau von Sozialwohnungen besonders in den Stadtteilen fördern, in denen es bisher kaum welche gibt. Das Ziel ist mehr Durchmischung.

Hübsche Bremer Häuserreihe – aber auch sozial gut durchmischt? Foto: Sabine Gudath/imago

Bremen taz | Günstige Wohnungen sollen in Bremen künftig vor allem dort entstehen, wo Wohnen heute besonders teuer ist: So will die rot-grün-rote Koalition etwas tun gegen die Teilung der Stadt in Arm und Reich.

„Segregation entgegenwirken. Soziale Vielfalt in allen Stadtteilen“ ist der Antrag der rot-grün-roten Koalition betitelt, der am Dienstagabend in der Bürgerschaft behandelt wurde. Zur öffentlichen Vorstellung am Vormittag ist dann aber doch nur die Linke erschienen – die hat das Programm angeschoben. Es ist das „Ergebnis mehrerer Jahre politischer Arbeit“, sagte die Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis.

Aus drei Teilen besteht der Plan, der helfen soll, Bremen besser zu durchmischen: Erstens sollen auch bei kleineren Wohnvorhaben Sozialwohnungen entstehen, zweitens soll es eine neue Pflicht zur Schaffung von Wohnungen im mittleren Preissegment geben, und drittens – das ist bundesweit in dieser Form einmalig – soll die Quote je nach Stadtteil unterschiedlich ausgelegt werden: Wo Wohnen heute teuer ist, soll günstiger Wohnraum entstehen. Wo ohnehin schon viel günstiger Wohnraum nur arme Mieter anzieht, darf mehr teurer Wohnraum entstehen.

Schon heute gilt in Bremen eine Sozialwohnungsquote von 30 Prozent – allerdings nur bei großen Neubauvorhaben. In Zukunft soll sie schon für Bauprojekte mit nur sechs Wohnungen gelten. Als die Quote 2012 eingeführt wurde, lag die Bagatellgrenze noch bei 50 Wohnungen; viele Neubauvorhaben wurden danach mit exakt 49 Wohnungen angemeldet. 2020 setzte die Koalition die Grenze deshalb auf 20 Wohnungen herab. „Aber wir haben gesehen, dass das nicht reicht, um genügend Sozialen Wohnraum zu schaffen“, sagt Leonidakis.

Sozialwohnungen auch in zentralen Lagen

Ein Problem: Große Bauprojekte von mehr als 20 Wohnungen entstehen logischerweise vor allem in großen Neubaugebieten – bei der Umnutzung alter Industrieflächen zum Beispiel oder am Stadtrand. Neubauten in bestehenden dicht bebauten Stadtquartieren sind oft viel kleiner. Gerade die vielbeschworene Nachverdichtung und Lückenbebauung, die Wohnraum in zentralen Quartieren schafft, ohne Grünflächen zu versiegeln, kommt daher oft ohne Sozialwohnungen aus. Das soll sich durch die neue Regelung ändern.

Der zweite Punkt des Vorhabens zielt auf Wohnungen für Menschen mit mittlerem Einkommen: Schon seit 2022 gibt es in Bremen auch für sie ein Förderprogramm. Während Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau für 6,80 Euro pro Quadratmeter vermietet werden müssen, entstehen mit dem neuen Förderprogramm Wohnungen für einen Mietpreis von 9 Euro pro Quadratmeter.

140 Förderanträge wurden seit Einführung gestellt, 70 für Bremen, 70 für Bremerhaven. Verpflichtend war das Programm bisher allerdings nicht für Bauherren. Vorbild für ein verpflichtendes Modell ist Hamburg, dort gibt es eine feste Quote für das mittlere Preissegment bereits seit 2022. Allerdings ist die Quote dort kleiner: Sozialwohnraum und Wohnraum für mittlere Einkommen sollen in Hamburg zusammen 30 Prozent der neugebauten Wohnungen ausmachen. In Bremen sind es zusammen bis zu 60 Prozent.

Andere Quoten für arme Stadtteile

„Bis zu“ – diese Einschränkung ist wichtig. Denn nicht überall soll die volle mögliche Quote zuschlagen. Dort, wo schon heute viele Sozialwohnungen bestehen, wo Wohnen ohnehin besonders günstig ist, sollen andere Quoten gelten können. „Bisher haben Sozialwohnungen die gesellschaftliche Spaltung teilweise ungewollt noch verstärkt, weil sie so ungleich verteilt sind“, so Leonidakis.

Im armen Gröpelingen etwa würde nach dem Konzept in Zukunft zwar weiterhin eine Mindestquote von 30 Prozent geförderter Wohnungen bestehen – aber dann nur noch für Wohnungen im mittleren Preissegment. Sozialwohnungen müssten nicht mehr verpflichtend gebaut werden.

In Schwachhausen dagegen, wo es heute insgesamt nur 45 Sozialwohnungen gibt, müssten bei einem Neubauprojekt beide Quoten erfüllt werden. Konkret: In einem neuen Haus mit sechs Wohnungen würden zwei Sozialwohnungen entstehen und zusätzlich zwei Wohnungen für 9 Euro den Quadratmeter.

Stadtteilspezifische Quote in Deutschland einmalig

Schon Ende Dezember hatte Bremen testweise für drei Grundstücke das Baulandmobilisierungsgesetz des Bundes genutzt, um Sozialwohnungen in dicht besiedelten und gut betuchten Quartieren zu ermöglichen. Doch das Bundesgesetz hatte nur zweieinhalb Jahre Gültigkeit. Wenn die nächste Bundesregierung es nicht neu auflegt, kommt dieser Weg nicht mehr in Frage. Außerdem zielt das Gesetz nur auf sogenannte „unbeplante Gebiete im Innenbereich“ – das neue Bremer Konzept soll andere Grundstücke für den Sozialen Wohnungsbau öffnen.

Aktuell ist der Senat dabei, eine „Wohnraumbedarfsprognose“ zu erstellen. Auf dieser Grundlage soll nächstes Jahr entschieden werden, für welches Quartier welche Quote gilt. In Deutschland einmalig sei eine solche stadtteilspezifische Quote, meint die Linke.

Die Hoffnung auf eine bessere Durchmischung der Stadt beschreibt Leonidakis als „kollektiven Profit für die ganze Gesellschaft“: Wenn sich die Quartiersbewohnerschaft streng nach Einkommen ordnet, fallen schichtenübergreifende Freundschaften, stärkende Hilfsnetzwerke in der Nachbarschaft und Bildungsvorbilder im engen Umfeld weg.

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3 Kommentare

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  • Eine hervorragende Idee!



    Ghettos für Reiche wie für Arme lassen nämlich den Stadtgeist verarmen, während etwa gemeinsamer Grundschulenbesuch die Grundlage für Gemeinsinn schafft. Und davon können wir gerne gerade etwas mehr haben.



    Bremen ist da dem Rest der Republik voraus. Mich interessiert, wie die Umsetzung funktionieren wird.

  • Wie man sieht, wird sie die Privatwirtschaft immer davor drücken Sozialwohnungen zu bauen.



    Wenn ich den Bäcker zwinge Brötchen anzubieten, an denen er nichts verdient, wird er auch versuchen das zu umgehen.

    Wenn der Staat Sozialwohnungen möchte, dann muss er sie einfach bauen. Das würde funktionieren.

  • "Wenn sich die Quartiersbewohnerschaft streng nach Einkommen ordnet, fallen schichtenübergreifende Freundschaften, stärkende Hilfsnetzwerke in der Nachbarschaft und Bildungsvorbilder im engen Umfeld weg."

    Ich pflege keine Freundschaften im Mehrfamilienhaus, das ist eine Zweckgemeinschaft. Da wünsche ich mir Nachbarn mit ähnlichem Anspruch an Ruhe und Sauberkeit wie ich, mehr nicht, und bin bereit dafür auch etwas mehr hinzulegen. Einwanderer ziehen bevorzugt in Stadtviertel wo ihre community stark ist, würde ich auch tun.



    Deshalb segregieren sich Wohngegenden ganz von alleine wenn man den Menschen die Wahl lässt, und niemand beschwert sich darüber, außer den üblichen sozialistischen Gesellschaftsplanern, die ein Problem sehen wo keines ist und den Menschen mit Staatsmacht andere Vorstellungen einer Gesellschaft aufzwingen wollen.