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Bremer FDP sorgt sich um WaffenbauerEin Herz für Rüstung

Die FDP macht sich Sorgen um die Zukunft von Bremens „Verteidigungsindustrie“ und beklagt mangelnde Rechtssicherheit bei Rüstungsexporten.

Auch für Rheinmetall, Hersteller dieses Maschinengewehrs, macht sich die Bremer FDP stark Foto: Friso Gentsch/dpa

BREMEN taz | Die FDP-Fraktion macht sich in einer Bürgerschaftsanfrage Sorgen über „die Zukunft der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Bremen“, genauer gesagt: um die Zukunft des Rüstungsstandorts Bremen.

Der erhöhte Verteidigungshaushalt senke, so die FDP, „die Notwendigkeit von Unternehmen aus dem Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindus­trie, Rüstungsgüter zu exportieren“. Vor diesem Hintergrund seien Exporterfolge „von zen­traler Bedeutung für die Grundauslastung und den Erhalt einer leistungsfähigen deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“.

In der Vergangenheit sei es aber häufig zu Kritik an den Exporten gekommen – und damit meint die FDP keineswegs die Kritik an Rüstungsexporten in Kriegs- und Krisenländer oder in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen und auch nicht, dass Deutschland seit 30 Jahren die selbst gesetzten Rüstungs-Exportrichtlinien missachtet –, „weil die Regeln hierfür nicht klar waren und für die Unternehmen häufig auch keine abschließende Rechtssicherheit bestand.“

FDP verteidigt „Verteidigungsprodukte“

Tausende Arbeitsplätze seien in Bremen von dieser Industrie abhängig: „Mit Unternehmen wie Atlas Elek­tronik GmbH, Rheinmetall Elec­tronics GmbH, Fr. Lürssen Werft GmbH & Co. KG oder Airbus Defence and Space (Geschäftsbereich von Airbus SE) sind große Player in Bremen vertreten.

Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Kraft ist die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie für den Standort Bremen von großer Bedeutung.“ Mit ihren „Verteidigungsprodukten“ trüge sie zur nachhaltigen Sicherheit Deutschlands und Europas bei, so die FDP.

Sie wollte vom Senat deswegen unter anderem wissen, wie viel Umsatz diese Branche in Bremen direkt und indirekt erwirtschafte und welcher Anteil am deutschen Gesamtumsatz dieser Industrie das sei. Sie wollte außerdem wissen, inwieweit Bremen die Rüstungsindustrie vor Ort fördere und mit wie viel Geld und inwieweit sich der Senat „für klarere Regeln und mehr Rechtssicherheit bei dem Export von Gütern der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie“ einsetze.

Friedensforum ist empört

Das Bremer Friedensforum ist über die FDP-Anfrage empört und weist auf die Präambel des rot-grün-roten Koalitionsvertrags hin, in der es heißt: „Unser Handeln orientiert sich an Humanität. Wir setzen uns mit unseren Möglichkeiten für Völkerverständigung und für die friedliche Entwicklung der Welt ein. Dazu gehört auch ein Verbot von Rüstungsexporten in Krisengebiete.“

Nicht nur zu diesem Bekenntnis, so das Friedensforum, „stehen die Forderungen der FDP im absoluten Widerspruch“, sondern auch zu einer weiteren Aussage aus dem Koalitionsvertrag: „Das Klimaschutzabkommen von Paris und dessen Ziele, die Erderwärmung deutlich unter zwei Prozent zu begrenzen, ist Grundlage des Handelns dieser Koalition in allen Produktionsbereichen.“

Das Friedensforum weist auf das sozial-ökologische Institut für Wirtschaftsforschung hin, „das Krieg und Militär für den Klimakiller Nr. 1 hält“ und auf die Ausbeutung und Verschwendung natürlicher Rohstoffe und den gewaltigen Einsatz von Energie für die Produktion des Kriegsmaterials. Auch die AktivistInnen von Fridays for Future hätten dies bereits erkannt und im August in Bremen eine Demo mit dem Ziel Rheinmetall durchgeführt.

Die Senatsantwort auf die FDP-Anfrage ist knapp: „Der Senat konzentriert sich in seiner Wirtschafts- und Industriepolitik auf Aktivitäten und Maßnahmen für Unternehmen im Bereich der zivilen Sicherheitsindustrie“ und setze seinen Fokus „auf Fördermaßnahmen, die die zivilen Produktionsbereiche der Unternehmen stärken“. Außerdem schließe er „seit längerem die landesseitige Förderung von wehrtechnischen Aktivitäten bremischer Unternehmen aus“.

Unternehmensspezifische Auskünfte könne er nicht erteilen, da ihm „keine gesonderte Branchenerhebung zu dem Wirtschaftsbereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Bremen und Deutschland“ vorliege. Und Themen und Projekte, die die Sicherheit Deutschlands beträfen, würden vom Bund beauftragt und gesteuert, weswegen auch hierüber keine gesonderten Informationen vorlägen.

Widerspruch zwischen Koalitionsvertrag und Realität

Letzteres kritisiert das Friedensforum ebenfalls. Es sei zwar erfreulich, dass der Senat der finanziellen Förderung militärischer Forschung und Produktion eine klare Absage erteile, dennoch drücke er sich um eine klare Stellungnahme zum Widerspruch zwischen Koalitionsvertrag und Realität herum, die so aussehe: „In Bremen entwickeln und produzieren Firmen Waffen und Kriegsgeräte.“ Die FriedensaktivistInnen fordern deswegen, „den unterstützenswerten Worten in der Präambel der Regierungskoalition auch reale Taten folgen zu lassen“.

Und die FDP hat zumindest erkannt, dass es zurzeit Branchen mit größeren Problemen gibt: Ihre Anfrage wurde in der Bürgerschaft am Donnerstag nicht, wie geplant, diskutiert – unter anderem zugunsten eines Eilantrags von CDU und FDP zum Thema „Überbrückungsmaßnahmen und Förderprogramme für die Veranstaltungswirtschaft“.

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