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Unterschriften gegen RüstungsindustrieBremen rüstet weiter auf

Das entwicklungspolitische Netzwerk macht mobil gegen Rüstungsproduktionen in Bremen. Fast fünf Prozent der Wirtschaftsleistung gehören zur Rüstungsindustrie

Protest mit Tradition: gegen die Rüstungsindustrie wird in Bremen schon lange demonstriert Foto: dpa

Das Bremer entwicklungspolitische Netzwerk (BEN) hat eine Unterschriftenkampagne gegen die Rüstungsproduktion des Landes Bremen organisiert: 600 Unterschriften wurden diesen Sommer gesammelt. Sie sollen am heutigen Freitag Ulrike Hiller (SPD), Staatsrätin für Europaangelegenheiten und Entwicklungszusammenarbeit, vor dem Rathaus übergeben werden.

Fregatten, Torpedos, logistische Systeme oder Satelliten: Die fünf größten Rüstungsunternehmen in Bremen – Atlas, EADS, Rheinmetall, Lürssen und OHB – produzierten in den letzten Jahren im Durchschnitt Rüstungsgüter im Wert von 1,15 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind mehr als sieben Prozent der gesamten deutschen Rüstungsproduktion.

Die städtische Wirtschaftsförderung wirbt laut BEN damit, „die produktivste Region Europas in der Branche zu sein“. Die 4.000 Rüstungsarbeitsplätze in Bremen machen fünf Prozent aller Arbeitsplätze in der bundesweiten Rüstungsindustrie aus. Und während deren Produktion im Bund 0,64 Prozent an der gesamten Wirtschaftsleistung ausmacht, sind es in Bremen 4,8 Prozent. „Die Rüstungsdichte ist somit in Bremen siebeneinhalb Mal höher als im Bundesdurchschnitt“, sagt Christopher Duis, Geschäftsführer des BEN.

Das BEN fordert mit seiner Unterschriftenaktion eine Rüstungskonversion, also die Umstellung industrieller militärischer Produktion auf eine zivile Fertigung. Diese hat es in Bremen bereits zwischen 1991 und 2000 gegeben und wurde mit nachlassendem Reformdruck wieder fallengelassen. Duis fordert, dass sich Bremen an den globalen Nachhaltigkeitszielen der UN orientiert, die fordern, den Frieden und die Gerechtigkeit zu wahren. Daran müsse sich auch Bremen orientieren, sagt Duis.

Ulrike Hiller, die die gesammelten Unterschriften entgegennimmt, stimmt einer Rüstungskonversion zu. Sie wünsche sich, sagt sie, in ganz Europa einen Strukturwandel der Unternehmen, weg von der Rüstungsproduktion hin zur Produktion von Technologien für zivile Zwecke.

Es sei wichtig zu überlegen, wofür die Technologien fernab von Rüstungsproduktion noch verwendet werden könnten, so Hiller. Sie spricht sich außerdem dafür aus, die begonnene Forderung nach Transparenz des damaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) unter anderem auch bei der Verschiffung von Rüstungsgütern über die Bremer Häfen fortzuführen.

Das erweist sich laut Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum häufig als schwierig. Eine Vielzahl von Rüstungsexporten könne statistisch nicht erfasst werden, da die Güter nicht unter das Gefahrengutrecht fielen, sagt er. Damit unterlägen sie nicht der Meldepflicht beim Hafenamt, weil von ihnen keine Explosionsgefahr ausgehe. Zu diesen Gütern zählen ungeladene Sturmgewehre oder Panzer, die ohne Munition verschifft werden.

Fünf Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschlands Rüstungsindus-trie befinden sich in Bremen

Mit bundesweit 80.000 Arbeitsplätzen in der Rüstungsproduktion sei Deutschland nicht auf Rüstung angewiesen, argumentiert Lentz. „So lange die Nachfrage jedoch da ist und dies für die Bremer Unternehmen sichere Aufträge bedeutet, wird eine Rüstungskonversion schwierig sein“, sagt er.

Die Linksfraktion im Bundestag fordert in einer parlamentarischen Anfrage vom Oktober dieses Jahres eine größere Transparenz und Aufklärung über Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus Bremen. „Wir fordern einen Umdenkprozess“, so Birgit Menz, Bundestagsabgeordnete der Linken. Mit parlamentarischen Anfragen müsse zum einen eine größere Transparenz für bestehende Exporte von Rüstungsgütern geschaffen werden und zum anderen auf mögliche zivile Umnutzung der Technologien hingewiesen werden.

In Bremen korrelieren politische Ideale und wirtschaftliche Interessen. Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) promovierte zu Rüstungskonversion und war Kriegsdienstverweigerer. Auf Nachfrage der taz wollte er zur Rüstungsproduktion in Bremen jedoch nicht Position beziehen. Auch eine entsprechende Nachfrage an das Ressort für Wirtschaft, Arbeit und Häfen blieb unbeantwortet.

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