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Bremens neue Grünen-ChefinAngstfrei und aus Liebe zur Politik

Die neue Frau an der Spitze der Bremer Grünen jobbt an einer Supermarktkasse und kann Apps programmieren. Sie hat auch schon Obama verklagt.

Wargalla hat auch für Wikileaks bei der Kampagne Justice For Assange mitgearbeitet Foto: dpa

Kai Wargalla hätte gute Gründe, sich Sorgen zu machen. Dass sie „berechtigte Furcht“ hat, „weggesperrt zu werden“, ist der Bremerin 2012 sogar gerichtlich in den USA bescheinigt worden. Von sich selbst sagt die 31-Jährige allerdings, dass sie versuche, „möglichst angstfrei zu sein“. Auf ihrem Twitter-Account firmiert sie als „queer vegan sXe political activist“, wobei sXe, laut Urban Dictionnary für „straight edge“ steht. Also drogenfrei.

Wargalla jedenfalls, die am Sonntag zur Frau in der Doppelspitze der Bremer Grünen gewählt worden ist, war neben der isländischen Piraten-Abgeordneten Birgitta Jónsdóttir die zweite internationale Klägerin beim Verfahren gegen Barack Obamas Gesetz über den Verteidigungshaushalt.

Das NDAA. Section 1021 dieses Gesetzes ermächtigt den US-Präsidenten, als feindlich eingestufte Menschen weltweit, heimlich und ohne Gerichtsbeschluss gefangen nehmen und an unbekannten Orten festhalten zu lassen. Der New-York-Times-Journalist Chris Hedges, der die Klage organisierte, nennt sie „Military Gulags“.

Dass Wargalla annehmen muss, davon betroffen zu sein, hat wohl nichts mit ihrem Bremer Partei-Engagement zu tun, mehr dagegen etwa damit, dass sie 2012 Occupy London per Facebook und Twitter initiiert hatte. Unter anderem hat sie auch für Wikileaks bei der Kampagne Justice For Assange im Jahr 2010 mitgearbeitet.

Das klingt weit, weit weg von Bremen. Doch wo immer sie sich hinbegibt, scheint auf eigentümliche Weise Politik loszugehen. Selbst bei ihrem Job an der Kasse im Biosupermarkt, mit dem sie ihren Master-Abschluss in Sustainability Economics (nachhaltigem Wirtschaften) finanziert: Aber weil dann die Arbeitsbedingungen bei Alnatura doch nicht so prickelnd waren, fing sie an, dort einen Betriebsrat zu gründen, sehr zum Ärger des Konzerns.

Kai Wargalla trägt balue Haare, ein Nasenpiercing, kann Apps programmieren, isst selbst geflocktes Müsli mit Hanfsaat zum Frühstück, natürlich vegan, und verkörpert so einen fast vergessenen Aspekt des Tendenzbetriebs Bündnis 90/Die Grünen. „Ich“, sagt sie, „mache Politik aus Liebe.“

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7 Kommentare

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  • Tolle Frau die ihren eigenen Weg geht und ihre Arbeit hoffentlich genauso gut bei den Grünen fortsetzt wie sie es an anderer Stellegetan hat und immer noch tut.

     

    @Khaled: Wo als zu den Grünen soll sie denn hingehen wenn sie sich auch in der Parteipolitik engagieren möchte? Bei den Linken fehlt der ökologische Aspekt und die SPD...? Das währe doch wohl ein Witz!

     

    Kleine Anmerkung: Kai hat blaue, nicht wie im Artikel behauptet grüne Haare.

    • @LV:

      Bei den Grünen fehlt rein faktisch der ökologische Aspekt inzwischen ebenso wie auch der soziale Aspekt.

  • Hört sich gut an. Ich frag mich nur, welche von den genannten positiven Eigenschaften wirklich stimmen.

     

    Apps kann Frau Wargalla zumindest nicht programmieren.

    (Zur Erklärung "coden" == programmieren):

     

    "Megagut! Coden kann ich auch nicht, aber wir finden schon jemanden. :)"

    https://twitter.com/KaiWargalla/status/668050134970851328

  • Mich wundert lediglich, was die gute Frau ausgerechnet bei den Grünen zu finden hofft.

    • @Khaled Chaabouté:

      Wo sonst?

  • Eigenartig, ungewohnt. Wenn mal ein Bericht aus Politik (über Politiktreibende) gut klingt. Toi-toi-toi.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Das gibt Hoffnung. Endlich mal ein Lichtblick bei Grün's....