Brecht-Tage in Berlin: Ein Klassiker eben, immer aktuell

Bertolt Brecht feiert seinen 125. Geburtstag. Im Berliner Brecht-Haus schenkt man ihm zum krummbuckligen Jubiläum Gespräche über den Krieg.

Portrait von Bert Brecht

Bertolt Brecht, mal ohne seine geliebte Zigarre im Bild Foto: UPI/dpa/picture alliance

Auf dem Weg zur Veranstaltung war am Bahnhof Friedrichstraße ein Straßenmusiker zu hören, der tatsächlich „Blowin’ in the Wind“ in die kalte Abendluft sang, in einer recht weinerlichen Version. Ist ja auch beklagenswert, dass so wenig vorangeht, ja, „how many times must the cannonballs fly / Before they’re forever banned?“ Die Kanonenkugeln fliegen, verboten sind sie nicht. Erwähnung soll das hier aber eigentlich nur deswegen finden, weil der Liedautor Bob Dylan für sein Schaffen dann den Literaturnobelpreis bekommen hat. Und der Bertolt Brecht nicht.

Was nicht unbedingt fair ist. Denn Brecht hat nicht nur erfolgreiche Liedtexte geschrieben, meist zur Musik von Hanns Eisler („Vorwärts und nicht vergessen …“), sondern überhaupt eine Menge an Gedichten (sehr schön diese naturlyrischen Zeilen: „Gegen Morgen in der grauen Frühe pissen die Tannen / Und ihr Ungeziefer, die Vögel, fängt an zu schreien“ – sie finden sich in seiner Selbstbeschreibung „Vom armen B.B.“). Dazu noch seine Theaterstücke.

Ein imposantes Werk, mit dem man sich natürlich im Literaturforum im Brecht-Haus beschäftigt, dort an der Chausseestraße, wo der Dichter die letzten Jahre seines Lebens in Berlin gewohnt hat. Vornehmlich macht man das bei den jährlich um seinen Geburtstag am 10. Februar herum stattfindenden Brecht-Tagen.

In diesem Jahr steht der 125. an, ein eher krummbuckliges Jubiläum, das doch für eine kleine Brecht-Renaissance sorgt. Zum Geburtstag gibt es so eine Brecht-Briefmarke und eine 20-Euro-Sammlermünze. Brecht-Büchertische in den Buchhandlungen gibt es eher nicht. Da findet man, wenn man Glück hat, bestenfalls „Mutter Courage“ oder „Der gute Mensch von Sezuan“. So viel Klassiker muss sein. Schullektüre.

Das Thema der diesjährigen Brecht-Tage, sagte Literaturforumsleiter Christian Hippe zur Begrüßung, war „fast zwangsläufig vorgegeben“: In vielen seiner Texte beschäftigt sich Brecht mit Krieg. Und Krieg gibt es gerade. Also.

Bei den Brecht-Tagen im Berliner Literaturforum im Brecht-Haus, Chausseestraße 125, wird bis zum 10. Februar Brechts „Kriegsfibel“ unter verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen. Programm: lfbrecht.de

Ausgewählt zur genaueren Betrachtung wurde mit der „Kriegsfibel“ ein nicht so bekanntes Werk Brechts, eine Woche lang diskutiert unter verschiedenen Aspekten, unter anderem in einem Gespräch mit Alexander Kluge.

Am Montag zum Auftakt wurde die Fibel erst einmal vorgestellt. Die Schauspielerin Margarita Breitkreiz las, an der Wand projiziert waren die Bilder zu sehen, zu denen Brecht seine strengen Vierzeiler verfasste, Zeitungsfotos von zerstörten Städten, Erschießungen, leidenden Menschen, Soldaten. Immer wieder Bilder von Hitler, Göring, Goebbels.

Von den Leiden des Krieges erfährt man in dieser Fibel. Ein Lehrbuch gegen den Krieg ist es deswegen, auch wenn manche Brecht wegen seiner steten Auseinandersetzung damit als Pazifisten sehen wollen, noch nicht.

Ein Krisengebiet wurde auch im zweiten Teil des Abends bereist. Der Fotograf Armin Smailovic und der Autor Dirk Gieselmann stellten ihren „Atlas der Angst“ vor, eine Reise durch Deutschland im Jahr 2016, der in der Form mit der Text-Bild-Montage eben das auch von Brecht in seiner Fibel verwendete Prinzip aufgriff. In der Pause dazwischen fiel auf, dass fast niemand im Raum – mit 50 Menschen ist das Literaturforum schon voll, und so war es auch – auf sein Handy schaute. Nur zwei, drei Leute vielleicht, einer zeigte Babyfotos, augenscheinlich von der Enkelgeneration. Man wartete einfach, manche plauderten. Man kannte sich.

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Im abschließenden Publikumsgespräch war er dann plötzlich wieder da, der aktuelle Krieg, der davor trotz des ganzen Krieges, Krieg, Krieg letztlich draußen vor der Tür geblieben war. Ob seine Angst nicht gewachsen sei, jetzt mit dem Ukrainekrieg, wurde Dirk Gieselmann gefragt. Am Anfang des russischen Überfalls, ja, gab er zu. Große Angst. Aber dass man sich aber eben an ihn gewöhnt habe.“

„Man gewöhnt sich an alles“, ergänzte Armin Smailovic. „Auch an den Krieg.“

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