Braunkohle in Deutschland: Transformation statt Revolution
Wirtschaftsministerin Reiche besucht das Brandenburger Braunkohle-Kraftwerk. Dabei spricht sie sich für mehr fossiles Erdgas statt grünen Wasserstoffs aus.

Reiche besucht in diesen Tagen Unternehmen und Orte, die sich eignen, Botschaften zu senden. Unter besonderer Beobachtung steht die Nachfolgerin von Robert Habeck (Grüne) in Sachen Energiepolitik. Was will sie am Ausbau der erneuerbaren Energien ändern? Geht es ihr darum, die Energiewende zu verlangsamen, wie Umweltverbände und Grüne meinen?
Das Kraftwerk im brandenburgischen Spremberg ist nicht schwarz, sondern ein 160 Meter hoher silbrig schimmernder Koloss. Spätestens in 13 Jahren, 2038, soll hier Schluss sein mit der Verbrennung von Braunkohle zur Stromproduktion. So hat es die Kohle-Kommission der Bundesregierung vor Jahren beschlossen. Aber was passiert dann? Welche Zukunft gibt es hier für die Arbeitsplätze, die Privathaushalte, das Unternehmen Leag? Dass die AfD in Spremberg bei der Bundestagswahl 45,5 Prozent der Stimmen bekam, erklärt Betriebsrat Toralf Smith auch mit der Angst der Beschäftigten vor dem, was kommen könnte.
Auf einem Transparent fordern die Leute jetzt: „Transformationsbonus statt Südbonus“. Die Demonstrierenden reagieren damit auf die Ansage Reiches, neue Erdgaskraftwerke vor allem im Süden anzusiedeln – in Bayern und Baden-Württemberg, wo Deutschlands Weltmarktindustrie steht. Doch auch hier wollen sie ein Gaskraftwerk als Ersatz für ihre Braunkohlekessel. Selbst wenn jenes viel weniger Arbeitsplätze bietet. Hauptsache, es geht weiter mit der Stromproduktion in der Lausitz, dieser alten DDR-Energielandschaft.
Erdgas weiter nötig
Wie der Übergang von den fossilen Energien zur künftigen, klimaneutralen Stromproduktion funktionieren soll, ist eine heikle Frage. Mit ihrem grünen Amtsvorgänger Habeck ist sich Reiche einig, dass einige Erdgaskraftwerke auch später noch nötig sein werden. Ein Grund: Wenn wenig Wind weht und der Himmel bewölkt ist, liefern Wind- und Solarkraftwerke einfach nicht genug Strom. Aber wie viele Gaskraftwerke erfordert das? Und wann wird das fossile, ebenfalls klimaschädliche Erdgas durch Wasserstoff ersetzt, den man mit Ökostrom herstellt? An diesen Punkten unterscheiden sich Habeck und Reiche durchaus.
„Ich fühle mich der Lausitz verpflichtet“, betont die Ministerin im Infozentrum des Kraftwerks. „Die Angst ist unbegründet“, dass in Spremberg ein Kahlschlag drohe. Bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union sei sie schon „sehr, sehr weit“ gekommen. Die Bundesregierung braucht die Genehmigung der EU-Kommission, wenn sie neuen Gaskraftwerken Subventionen zahlen will, ohne die diese wohl nicht arbeiten können.
Reiche verspricht, die Ausschreibungen für die Erdgasanlagen würden so gestaltet, dass sie auch für Schwarze Pumpe „funktionieren“. Das Verfahren soll Ende 2025 starten. Außerdem erklärt sie, die neuen Kraftwerke sollten „mit Wasserstoff beschickt werden“, allerdings „nicht heute oder morgen“, eher „übermorgen“. Zur Begründung argumentiert die Wirtschaftsministerin, dass sich die Entwicklung hin zu Wasserstoff insgesamt verlangsame. Die Kosten seien zu hoch, und grüner Wasserstoff werde bisher kaum angeboten.
An solchen Äußerungen lässt sich ablesen, was die Strategie Reiches von der ihres Amtsvorgängers Habeck unterscheidet. Für den Grünen war erstens klar, dass einige der neuen Gaskraftwerke innerhalb weniger Jahre auf Wasserstoff umzurüsten seien. Bei Reiche mag sich dieser Zeitraum deutlich nach hinten verschieben, wobei sie schriftliche Festlegungen noch vermeidet. Zweitens plant das Wirtschaftsministerium unter ihrer Leitung nun Gaskraftwerke mit einer Leistung „bis zu 20 Gigawatt“ (Milliarden Watt). Bei Habeck ging es um 12,5 Gigawatt. Mit der CDU-Politikerin könnte die fossile Stromerzeugung also länger von größerer Bedeutung bleiben.
Wie viel Strom braucht Deutschland in Zukunft? Das soll ein Energie-Monitoring zeigen, das Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nach der Sommerpause vorlegen will. Das betraute Institut lässt Böses ahnen. Warum das die Energiewende gefährdet.
Und manchmal wird die neue Wirtschaftsministerin sehr deutlich. Es gehe um eine „Transformation“ des Energiesystems, nicht um eine „Revolution“. In den vergangenen Jahren habe der Klimaschutz im Vordergrund gestanden, nicht „Energiesicherheit und Preisstabilität“. „Das drehen wir jetzt um“, betonte Reiche in Spremberg. Betriebsrat Smith findet das gut. Reiche äußere sich „klarer“ als Habeck – in seinen Augen eine hoffnungsvolle Botschaft für Schwarze Pumpe, die Beschäftigten und die Region.
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