Brasiliens durchwachsene Olympia-Bilanz: Einiges Licht, noch mehr Schatten
Sportlich war Olympia für das Gastgeberland ein Erfolg. Große Kritik gab es jedoch an der Organisation und am Verhalten des Publikums.
Die Bilanz von Olympia 2016 in Rio de Janeiro fällt durchwachsen aus. Bürgermeister Eduardo Paes gab den Spielen die Bestnote, räumte aber auch Probleme bei Organisation und Infrastruktur ein. „Die Stadt ist nicht ein perfekter Ort geworden, hat sich aber verbessert“, sagte Paes am Samstag. Weiße Elefanten, also in Zukunft ungenutzte Bauwerke wie nach der WM 2014, werde es nicht geben. Zum erwarteten Finanzkollaps, der mittlerweile die Ausrichtung der Paralympics in Frage stellt, äußerte sich Paes nicht.
Die Organisatoren mussten viel Kritik einstecken. Die Wege waren zu weit, die Warteschlangen zu lang, das Essensangebot zu begrenzt, einfach keine olympische Feierstimmung in der Stadt. Stimmt – daran ändert auch der Einwand nichts, dass einiges davon den Vorgaben des IOC geschuldet ist. Andere Kritiken sind übertrieben oder ungenau, zum Beispiel der Hinweis auf die unsichere Sicherheitslage.
Im Gros waren Athletinnen und Athleten sowie ihre Fans ausreichend behütet, und der aufsehenerregendste Überfall war nichts als eine Lügenstory von betrunkenen US-Schwimmern. Die kritischen oder ängstlichen Gäste übersehen, dass die Unsicherheit, die hohen Mordraten und die tägliche tödliche Polizeigewalt nicht rund ums Olympiadorf, sondern in den ärmeren Vierteln wütet.
Die Cariocas sind gar nicht so nett
Der wohl größte Minuspunkt dieser Spiele betrifft das Publikum. Einerseits, weil die Ränge bei vielen Wettbewerben gähnend leer waren, was vor allem ein Fehler der Organisation ist. Andererseits haben sich die Brasilianer mit dem ständigen Auspfeifen der Konkurrenten heimischer Sportler viele Sympathien verscherzt. Auch vielen Brasilianern ist dieses Auftreten der angeblich fröhlichen gelb-grünen Fans zutiefst peinlich.
Trotz diverser Rechtfertigungsversuche ist es ein Makel, dass sich die abendlichen Gespräche während Olympia weniger um die Tränen wegen Sieg oder Niederlage, sondern mehr um das Ausbuhen anderen Menschen drehten. Das Bild der immer netten Cariocas hat einen Kratzer bekommen.
Einige in Brasilien erklären die Pfiffe mit einem Minderwertigkeitskomplex, den die Literatur complexo de vira-lata – Promenadenmischungskomplex – nennt. Vor allem die weiße Mittelschicht leidet unter diesem Problem, da sie oft die ethnische Vielfalt dafür verantwortlich macht, dass ihr Land nicht zu den Großen in der Welt zählt.
Goldmedaillen für Afrobrasilianer
Aufgrund dieser rassistischen Einstellung konnten sich einige nicht so richtig über die sportlichen Erfolge freuen: Die erste Goldmedaille ging an eine schwarze Judoka, die in einer Favela aufwuchs, die dritte an einen schwarzen Boxer aus dem Bundesstaat Bahia – also aus dem armen Nordosten, der bis heute für alles Rückständige im Land verantwortlich gemacht wird.
Auch der Kanute, der erstmals drei Medaillen auf einmal – zwei Silber und eine Bronze – gewann, ist ebenfalls ein Afrobrasilianer aus ärmsten Hause in Bahia. Die Judoka Rafaela war bei früheren Niederlagen immer wieder rassistisch diffamiert worden. „Die Äffin, die in einen Käfig gesperrt werden sollte, ist jetzt Olympiasiegerin“, kommentierte sie ihren Erfolg.
Die Politik ist froh, dass der Trubel endlich vorbei ist. Übergangspräsident Michel Temer ist zwar bei der Eröffnung ausgepfiffen und auf Pappschildern bei vielen Veranstaltungen kritisiert worden, doch größeren Schaden hat seine mit äußerst fragwürdigen Methoden ermächtigte Regierung nicht genommen.
Nach Olympia kann endlich der letzte Akt der Politintrige starten: In den ersten Septembertagen will die Senatsmehrheit Präsidentin Dilma Rousseff endgültig des Amtes entheben. Die Konservativen werden nach 13 Jahren linker Sozialdemokratie wieder das Sagen haben.
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