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Brandanschläge auf TGV-ZugstreckenOlympia-Organisation im Visier

Mehrere koordinierte Sabotageaktionen haben zu einem Bahnchaos am Olympia-Eröffnungstag in Paris geführt. Rund 800.000 Passagiere waren betroffen.

Stillstand in Paris: Unbekannte haben Brandanschläge auf mehrere Anlagen des französischen Schnellzugnetzes verübt Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Paris taz | Mutwillig und böswillig. Sehr schnell wurde klar, dass es sich bei den Bränden und Pannen auf dem Schienennetz der französischen Hochgeschwindigkeitszüge TGV am frühen Freitagmorgen um koordinierte Sabotage handelte. Der vermutete Zusammenhang mit der offiziellen Zeremonie zur Eröffnung der Olympischen Spiel am Freitag lag auf der Hand.

An der koordinierten Organisation, am Vorsatz und an den kriminellen Motiven bestanden kaum Zweifel. An mindestens fünf verschiedenen Orten auf den wichtigsten Linien des TGV-Verkehrs wurden ungefähr zur selben Zeit am frühen Morgen Brandsätze gelegt, Kabel gekappt und andere Zerstörungen angerichtet.

Die Sabotage richtete sich jeweils gegen elektrische Schaltkästen und Verbindungskabel, die der Anzeige von Signalen für die Lokomotivführer oder der Weichenstellung dienen. Jede dieser Sachbeschädigungen musste dann so schnell wie möglich repariert werden. In einem Fall, auf der Strecke in das südöstliche Frankreich (Côte d’Azur), wurden laut einem Sprecher der Bahngesellschaft SNCF die mutmaßlichen Saboteure rechtzeitig entdeckt. Sie konnten angeblich in einem Fahrzeug flüchten, ihr Anschlag aber wurde vereitelt.

Verkehr in Nordfrankreich vorübergehend eingestellt

Auf der Linie nach Nordfrankreich (Lille, Brüssel und London), auf der Strecke in den Osten des Landes und in den Südwesten (Bordeaux) dagegen verursachten die Sabotageaktionen einen so erheblichen Schaden, dass vorübergehend der Verkehr ganz eingestellt werden musste. Den ganzen Vormittag über konnte kein einziger TGV aus dem Pariser Bahnhof Montparnasse abfahren.

Die Züge aus dem Ausland und aus der Provinz in Richtung der Hauptstadt konnten schließlich mit Umwegen über andere, sonst nicht von TGV benutzte Strecken und mit entsprechend großen Verspätungen verkehren. Die enormen Probleme auf dem TGV-Netz hatte auch Auswirkungen auf den restlichen Bahnverkehr.

Tausende Fahrgäste gestrandet

Rund 800.000 Passagiere waren am Freitag laut SNCF davon betroffen. Die Behinderungen könnten sogar noch das ganze Wochenende über andauern. Die SNCF forderte deswegen die Reisenden auf, wenn möglich auf ihre Zugfahrt zu verzichten oder diese auf kommenden Woche zu verschieben.

Alle gelösten Tickets würden vom öffentlichen Bahnunternehmen integral zurückerstattet. Das war indes wohl das Geringste, was die Tausenden von Passagieren erwarten durften, die während Stunden vergeblich in Bahnhöfen auf ihren Zug oder eine Alternative warten mussten und dabei keine Gewissheit hatten, dass sie überhaupt noch am selben Tag an ihr Reiseziel gelangen könnten.

Bislang kein Bekennerschreiben

Ein große Zahl der Betroffenen wollte nach Paris fahren, um dort im Publikum der Eröffnungszeremonie sowie den ersten sportlichen Wettkämpfen der Olympischen Spiele beizuwohnen. Die „massive Attacke“ gegen die Bahn, die von der die Regierung und der SNCF in schärfster Form verurteilt wurde, könnte darum den Zweck gehabt haben, die Organisation der Olympiade zu stören. Ein Bekennerschreiben gab es bisher nicht.

Die Sabotage gegen die Bahn verdeutlicht jedoch, wie komplex und schwierig es für die Behörden und die Organisatoren der Olympischen Spiele ist, in den unterschiedlichen Bereichen für eine maximale Sicherheit zu sorgen. Zur allgemeinen Nervosität trug auch ein (zum Glück falscher) Bombenalarm bei, der dazu führte, dass der Flughafen Basel-Mülhausen vorübergehend evakuiert werden musste.

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3 Kommentare

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  • Wer und was immer hinter den Sabotageaktionen auf dem Schienennetz der französischen Hochgeschwindigkeitszüge TGV steht und egal, wie illegal und wenig zielführend Aktionen der letzten Generation sind, so setzen sie doch Zeichen gegen den alltäglichen und mit Begeisterung betriebenen Wahnsinn hedonistischer und weitestgehend sinnfreier Selbstbespaßung. 53 Jahre nach der 'Botschaft von Menton' und 52 Jahre nach dem Bericht 'Grenzen des Wachstums- Bericht des Club of Rome' gibt es kein Anzeichen dafür, dass die Menschen, die Gesellschaft oder die Politik diese Warnungen ernst nehmen und mit einiger Konsequenz auf die vielfältigen Krisen reagieren. Die Frage ist doch nur noch, welche großen Katastrophen schneller kommen und am heftigsten ausfallen: Klima, (Bürger)Kriege oder Wirtschaftskollaps?

    • @Stoersender:

      Das einzige Zeichen, das ich TGV-Fall sehe, ist, dass der entstandene Nachteil zugunsten von Menschen geht, die löblicherweise ein öffentliches Verkehrsmittel dem Komfort eines eigenen Autos vorgezogen haben.

      • @Waldreamer:

        Das sehe ich auch so, solche Angriffe müssen Autobahnkreuzen und ähnlichen gelten, falls es sich tatsächlich um Klimaaktivismus handeln sollte.