Brand in New Yorker Mietskaserne: Mieter in der Feuerfalle
Bei einem Feuer in der Bronx, dem ämsten Stadtteil New Yorks, kommen mindestens 19 Menschen ums Leben. Viele lebten auf engstem Raum.
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„Dies ist ein schrecklicher Moment für die Stadt New York“, sagte Eric Adams am Sonntag in der Bronx. Die Katastrophe geschah am Anfang der Amtszeit des neuen Bürgermeisters. Adams, erst der zweite Afroamerikaner an der Spitze von New York, ist als Kind selbst in einer Sozialwohnung in einem anderen New Yorker Stadtteil aufgewachsen.
In der Schule PS291 in der Bronx, wo Überlebende zunächst eine Notunterkunft gefunden haben, sagte Adams die Hilfe der Stadt zu. Er forderte ausdrücklich auch die Papierlosen unter den Überlebenden auf, die Unterstützung der Stadt zu suchen. „Wir werden niemanden bei der ICE [der Ausländerbehörde, die für Abschiebungen verantwortlich ist, d. Red.] melden“, versprach er. Auch die New Yorker Gouverneurin Kathy Hochul kam an den Katastrophenort. Die Stadt hat Halbmast geflaggt.
Nach Ansicht von New Yorks Feuerwehrchef Daniel Nigro ging der Brand in den Twin Parks NW Towers von einem Elektroheizgerät aus, das in einer Wohnung im zweiten und dritten Stock des 19 Stockwerke hohen Gebäudes aufgestellt war.
Warum waren Türen nicht wie vorgeschrieben geschlossen?
Weil die Tür der Wohnung nach der Flucht ihrer Bewohner entweder offen blieb oder nur angelehnt war, konnten sich der dichte schwarze Rauch und die Flammen ungehindert über den Gang und über das Treppenhaus in die Höhe des Gebäudes ausbreiten. Weil auch die Tür zum Treppenhaus in einem oberen Stockwerk nicht geschlossen war, beschleunigte sich die Sogwirkung zusätzlich.
Die Ermittlungen müssen ergeben, wieso die Türen keine automatischen Schließvorrichtungen hatten. Als Konsequenz aus einem früheren tödlichen Feuer in der Bronx war im vergangenen Sommer in New York City ein neues Brandschutzgesetz in Kraft getreten, wonach alle Türen zu Gängen und Treppenhäusern selbstschließend sein müssen.
Auch der Feueralarm des Gebäudes funktionierte nicht ordnungsgemäß. Seit Monaten ging oft mehrfach am Tag falscher Feueralarm los. Am Sonntag führte das dazu, dass zahlreiche Bewohner des Hauses zunächst nicht reagierten, als der Feueralarm kurz vor 11 Uhr morgens anschlug. Für manche von ihnen wurden ihre Wohnungen oder die dunklen Gänge, durch die sie zu fliehen versuchten, später zur tödlichen Falle.
Die Mietskaserne im Zentrum der Bronx hat für New Yorker Verhältnisse günstige Mieten. Nur Menschen mit unterdurchschnittlich niedrigem Einkommen haben ein Anrecht auf Wohnraum dort. In vielen Wohnungen des Gebäudes lebten mehrere Familien auf engem Raum zusammengepfercht.
Zahl der Obdachlosen droht in die Höhe zu schnellen
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt in den USA hat sich bis heute nicht von der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 erholt. Damals verloren fast 4 Millionen Menschen ihre Wohnungen und Häuser. Viele kamen bei Angehörigen und Freunden unter, andere vergrößerten das Heer der Obdachlosen, zu dem nach offiziellen Angaben im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Menschen gehörten.
In den Bundesstaaten an den beiden Küsten – New York im Osten und Kalifornien und Oregon im Westen – ist die Obdachlosigkeit am größten. Wenn der vorübergehende Mieterschutz aufgehoben wird, den verschiedene Bundesstaaten wegen der pandemiebedingten ökonomischen Lage angeordnet haben, wird sie weiter in die Höhe schnellen.
Für Wohnraumspekulanten war das Gebäude voller armer Mieter in der Bronx ein interessantes Objekt. Erst im Jahr 2020 wechselte es – zusammen mit sieben weiteren Gebäuden mit festgelegten Mieten – den Besitzer. Eine Investmentgruppe bezahlte für die Transaktion 166 Millionen Dollar. Einer der Investoren der Gruppe saß auch im Beraterteam des neuen New Yorker Bürgermeisters Adams. Die Immobilienlobby spielt in der New Yorker Politik traditionell eine große Rolle.
Für die Mieter der Twin Parks NW Towers wurde ihre Situation mit dem Verkauf noch unübersichtlicher. „Das Management wechselt seinen Namen so häufig wie die Unterwäsche“, sagte ein Überlebender des Großbrandes am Sonntag zu Reportern.
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