Brände in Australien: Alternative Feuerregime
Die Aborigines haben Erfahrung mit Buschbränden und legen sie sogar gezielt. Manche Pflanzenarten warten geradezu auf die Flammen.
Seit Jahren schon fallen im australischen Sommer Tausende von Flughunden tot von den Bäumen. In diesen europäischen Herbst- und Wintermonaten beginnen alljährlich auch die Brände, Rauchschwaden ziehen über das Land. Im Januar konnte man bisher den Beginn des Monsuns und Tornados erwarten. Aber noch breiten sich die Buschfeuer weiter aus und die Feuerwehrleute sind überfordert. Kriegsschiffe sollen helfen, vom Feuer Eingeschlossene zu retten. „Vielen bleibt nur noch die Flucht übers Meer“, titelte Die Welt.
Mehr als 20 Menschen sind schon gestorben, eine halbe Milliarde Tiere sind verbrannt, erstickt oder auf der Flucht in einem Stacheldraht verendet. Diese Bilder werden weltweit verbreitet wie solche von Australiern, die verletzte Koalas und Kängurus retten. Überhaupt zeigen die Bilder von der Katastrophe, die einige Wissenschaftler bereits mit der von Tschernobyl vergleichen, vor allem halbverbrannte Tiere, die es nur in Australien gibt, daneben aber auch tote Rinder, Schafe und Wildpferde.
Andere Experten halten die geschätzte Zahl der toten Tiere für übertrieben. Wieder andere haben anhand der knapper werdenden Wasserreserven des Kontinents errechnet, dass sich Australien bis zur Jahrhundertmitte in eine „Wüstenlandschaft“ verwandelt, wenn alles so weitergehe wie bisher (für das Wachstum von zweieinhalb Avocados etwa braucht man 1.000 Liter Wasser). Die kanadische Wasseraktivistin Maude Barlow schreibt in ihrem Buch „Blaue Zukunft“ (2014): „Der weltweite Handel mit Nahrungsmitteln ist bei näherer Betrachtung ein Handel mit Wasser.“
Am „Mount Gulaga“ versammelten sich Mitte Dezember die vereinigten Stämme der Aborigines für eine große „Heilungszeremonie“. Als Westler darf man bezweifeln und hoffen, dass sie hilft. Ihre jahrtausendealte Erfahrung mit dem Legen von kontrollierten Buschfeuern überzeugt aber immer mehr, während die Klimaleugner immer kleinlauter werden. In Australien blieb es oft noch bis in die 1920er Jahre hinein straffrei, einen Aborigine zu töten.
Kontrollierte Buschfeuer reduzieren die unkontrollierten
Inzwischen jedoch ist Kooperation und Vernetzung angesagt. Während hierzulande das Fortdauern imperialistischer Machtverhältnisse in anderer Gestalt als „postkolonial“ kritisiert wird, deutet in Australien das „Postkoloniale“ auf etwas Überwundenes, auf einen glückhaft empfundenen Bruch hin. Und natürlich wissen alle, dass die Verbrennung zur Steigerung der Fruchtbarkeit des Bodens beiträgt, man muss das Feuer nur unter Kontrolle halten können. Kontrollierte Buschfeuer reduzieren die unkontrollierten!
Australien brennt
Es gibt Pflanzen, denen macht ein Buschbrand nichts, und andere, die brauchen Feuer sogar. „Schon 3 bis 4 Wochen nach dem Brand zeigen die ersten Bäume wie Messmates oder Mountain Grey Gums – Eukalyptusarten – wieder die ersten Lebenszeichen. Andere Bäume und Büsche, wie Silver Banksia, regenerieren sich dann aus unterirdischen Wurzeln, die Sprösslinge nach oben zum Licht schicken. Vor den neuen Blättern schicken die Bäume erst die Triebe mit den Blüten heraus, die jetzt konkurrenzlos blühen, fruchten und samen können.
Die Samen von Akazien, deren Kapseln nach dem Feuer aufplatzten, beginnen zu keimen. „Das Aschebett bietet ideale Wachstumsbedingungen“, teilt ein Australier in einem Internetforum auf die Frage mit, welche Bäume das Buschfeuer brauchen, um sich zu vermehren. Berühmt ist auch der Grasbaum. Er benötigt „die Rauchgase in der Luft, um seine Samenkapseln öffnen zu können. Dann blüht er und wirft seine Samen auf den durch die Asche frisch gedüngten Boden, für die das Unterholz nun kein Konkurrent mehr ist“, heißt es auf geo.de.
Auf der Internationalen Garten-Ausstellung (IGA) in Berlin 2017 stellten die australischen Landschaftsgestalter Taylor, Cullity und Lethlean (T.C.L) aus Melbourne einen Garten „Cultivated by Fire“ vor, in dem einige mit Buschfeuern lebende Pflanzen wuchsen. Bereits 2001 hatte Helen Verran, eine feministische Wissenschaftshistorikerin an der Charles-Darwin-Universität in der Küstenstadt Darwin im Norden der Northern Territories, die Yolngu Aborigines Community dazu bewegen können, einige Umweltwissenschaftler zu einem Workshop einzuladen, um über ihre unterschiedliche Erfahrung mit Buschbränden zu diskutieren. Da stießen zwei Vorgehensweisen, „zwei Wissenschaften“ würde Claude Lévy-Strauss sagen, aufeinander.
Wege durchs Dickicht
Und dann sollten die Umweltwissenschaftler und die Aborigines auch noch zusammenarbeiten. Erstere hatten bisher immer einen Quadratmeter große Versuchsfelder angelegt, die Pflanzen darin bestimmt und gezählt, dann die Quadrate verbrannt und anschließend wieder die Pflanzen, die dort neu hochgekommen waren, bestimmt, gezählt und so weiter.
Sie stehen dabei in der Tradition unter anderem von Linné und Darwin und berufen sich genealogisch auch auf sie – beim Legen ihrer Buschbrände, schreibt Helen Verran in ihrem Aufsatz „Ein postkoloniales Moment in der Wissenschaftsforschung: Zwei Alternative Feuerregime von Umweltwissenschaftlerinnen und aboriginalen Landbesitzerinnen“ (in: „Science and Technology Studies“, 2017).
Den Aborigines dient das Feuerlegen dazu, „um Wege durch Dickicht und stachliges Gehölz zu schaffen, vorhandene Nutzpflanzen zu fördern und neues Wachstum zu initiieren, Jagdmöglichkeiten zu schaffen und nützliche Pflanzen zum unmittelbaren Verzehr oder Kochen, zur Wärmegewinnung sowie auch für spirituelle Zwecke zu gewinnen. Die Nutzung des zweckgerichteten Feuers folgte bestimmten Regeln, die sich nach dem Vegetationsverlauf und dem Bedarf der Aborigines richteten,“ weiß Wikipedia.
In der Diskussion begründeten die Aborigines ihr Vorgehen mit einer alten Verbindung ihres Territoriums mit der Clan- und Familiengeschichte, wobei sie unter dem Recht am Land kein Eigentum im Sinne des deutschen oder römischen Sachenrechts verstehen. Das australische Recht anerkennt inzwischen ihren „anderen“ rechtlichen Bezug zum Landeigentum.
Gartenkünstler und Brandansatz
1,1 Millionen Quadratkilometer Land wurden von 1966 bis 1991 den Aborigines zugesprochen, was etwa 15 Prozent der Landfläche des australischen Kontinents sind. Die gelegten Feuer der Aborigines erstrecken sich in der Landschaft über den gesamten Jahresverlauf. Die meisten Brände sind von relativ geringer Intensität und verbrennen lediglich kleine Flächen, unkontrollierbare Buschfeuer in großem Umfang entstehen dadurch kaum. Dazu gehört, dass rings um den Brand alles gesammelt (Yamswurzeln), geerntet (Schnecken) und gejagt (Kängurus) wird. Anschließend wird dies gerecht unter allen Clanmitgliedern geteilt – abgemessen nach der Nähe beziehungsweise Entfernung im Verwandtschaftsgrad. Manchmal schnappt sich ein Greifvogel, auch Feuervogel genannt, einen brennenden Zweig, mit dem er woanders Feuer legt, um ebenfalls Beutetiere aufzuscheuchen.
Den australischen Gartenkünstlern TCL ist der aboriginale Brandansatz, den sie „Fire Stick Farming“ nennen, verständlicher als den Naturwissenschaftlern, deren Analysegeräte allerdings auch nicht zu verachten sind.
Die Biologin Margaret Lowman erforschte zum Beispiel das rätselhafte Sterben der australischen Eukalyptuswälder. Die dortigen Naturschützer machten die Umweltzerstörung der Landbesitzer dafür verantwortlich, umgekehrt gingen die Farmer von Pflanzenfressern aus, wobei sie wahlweise an Koalas und Käfer dachten. Schließlich wurde ein die Wurzeln der Bäume angreifender Algenpilz als Hauptursache entdeckt: „Er war mit der an Traktorrädern haftenden Erde von malaysischen Avokadofarmern unwissentlich nach Australien eingeschleppt worden“, schreibt Margaret Lowman in „Die Frau in den Bäumen“ (2000).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend