Boykott-Streit in Israel: Besatzung soll nicht 50 werden
In einer Zeitungsanzeige fordern Israelis ein Ende der Besatzung und einen Boykott der Siedlungen. Das sorgt für aufgeregte Diskussionen.
Die anti-israelische Kampagne erinnere ihn an die „Kooperation zwischen dem Mufti Hadsch Amin al-Husseini mit den Nazis“, polemisierte Jair Lapid, Chef der Zukunftspartei. Die französische Regierung, die ein Viertel der Anteile an der Handyfirma trägt, beeilte sich mit einer offiziellen Entschuldigung, während Richard persönlich nach Jerusalem reisen musste.
Parallel zu der Affäre appellierten 1.400 Israelis in einer Zeitungsannonce für den „kulturellen und wirtschaftlichen Boykott gegen die Siedlungen in den von Israel im Juni 1967 besetzten Gebieten“. Der Aufruf erinnert an den Sechstagekrieg und den Beginn der Besatzung vor genau 48 Jahren. „Lasst die Besatzung nicht 50 werden“, steht in großen Lettern über der ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung Haaretz.
Die israelische Schriftstellerin und Übersetzerin Ilana Hammermann ist eine der Initiatoren des Boykottaufrufs, der sich „im Grunde an die internationale Gemeinschaft richtet. „Um die Anzeige in der New York Times aufzugeben, fehle vorläufig das Geld“, erklärte Hammermann auf telefonische Anfrage.
Viele prominente Boykotteure
Die umgerechnet knapp 12.000 Euro für die Anzeige in Haaretz habe sie mühsam sammeln müssen. „Wir sind natürlich in der Minderheit“, sagte sie. Nach israelischem Recht ist der Aufruf zum Boykott ein Vergehen, das strafrechtlich verfolgt werden kann. „Wir haben sehr aufgepasst, kein zu großes Risiko einzugehen“, meinte Hammermann.
Der israelische Dramatiker Jehoschua Sobol gehört zu den Unterzeichnern des Appells, der Bildhauer Dani Karavan, acht Preisträger des Israelpreises, Intellektuelle, Diplomaten und Politiker. Der Aufruf beschränkt sich gezielt auf den Boykott der Siedlungen im Gegensatz zu der BDS-Kampagne, die genau vor zehn Jahren aus der palästinensischen Zivilgesellschaft hervorging. BDS steht für „Boykott, Investitionsentzug und Sanktionen“.
Das erklärte Ziel ist das Ende der Besatzung und der Schutz der Menschenrechte. „Wir reden von einem generellen Boykott aller israelischen Produkte“, meinte Bahia Amra von der Palästinensischen Nationalen Initiative. „Für uns besteht kein Unterschied zwischen Siedlern und Israelis“, fügte sie am Telefon hinzu. BDS sei „ein Teil des friedlichen Widerstands“.
Problematisch für die Palästinenser ist, selbst bei dem Boykott mitzumachen. Die Autonomiebehörde ist durch Verträge zur wirtschaftlichen Kooperation mit Israel verpflichtet. Die Produkte in den palästinensischen Läden kommen mehrheitlich aus Israel. Für die Kunden gibt es nur bedingt Alternativen. „Wenn es sein muss, höre ich ganz auf, Milch oder Schokolade zu konsumieren“, meinte Amra.
Angst vor Maßnahmen der Europäischen Union
Über den palästinensischen Boykott regt sich in Israel kaum jemand auf. Die wirtschaftlichen Folgen sind vorläufig nicht relevant. Die größte Sorge gilt derzeit einer einheitlichen Kennzeichnungsregelung für alle EU-Staaten von Produkten aus Siedlungen, die es dem Kunden ermöglichen würde, sich gegen den Kauf zu entscheiden.
Für den Kampf auf internationaler Bühne, Werbematerial und Aufklärungskampagnen stellte die Regierung kurzerhand einhundert Millionen Schekel zur Verfügung, umgerechnet etwa 25 Millionen Euro. BDS setze sich aus Gruppen zusammen, „die die Vernichtung des Staates Israel wollen“, kommentierte Dore Gold, der neue Generaldirektor im Aussenministerium. „Niemand soll glauben, dass BDS aufhört, wenn morgen der Staat Palästina gegründet wird.“
Orange, das französische Handyunternehmen, wird versuchen, die Kooperationsverträge mit der israelischen Firma Partner aufrecht erhalten. Orange-Israel engagiert sich auch im sozialen Bereich, organisiert Freizeitunternehmungen für Soldaten und unterhält Zentren. Eins von zwölf dieser Zentren liegt in der Siedlerstadt Ariel, im Westjordanland.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Die Linke im Bundestagswahlkampf
Kleine Partei, großer Anspruch
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?