piwik no script img

Bombenanschläge in Bagdad„Die Menschen sind die Opfer“

In überwiegend von Schiiten bewohnten Vierteln explodierten drei Autobomben. Mehr als 80 Menschen starben. Der IS bekannte sich zu den Attentaten.

Nach dem Bombenattentat auf einem Markt in Bagdad Foto: ap

BAGDAD dpa | Bei einer Anschlagserie in Bagdad sind am Mittwoch mehr als 80 Menschen getötet worden. Allein bei einem Autobombenanschlag im schiitischen Stadtteil Sadr City, dem bislang tödlichsten Einzelanschlag in der irakischen Hauptstadt in diesem Jahr, starben mehr als 60 Menschen. Später gingen noch in zwei weiteren überwiegend von Schiiten bewohnten Stadtvierteln Autobomben hoch. Zu allen drei Anschlägen bekannte sich die sunnitische Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS).

Die Autobombe in Sadr City im Norden Bagdads explodierte nach Behördenangaben am Vormittag in der Nähe eines Marktes. Mindestens 64 Menschen starben, mehr als 80 weitere wurden verletzt. Umliegende Geschäfte gerieten in Brand, überall lagen Trümmer verstreut, auch das ausgebrannte Auto des Attentäters stand auf der Straße.

Am Nachmittag explodierte eine weitere Autobombe im schiitischen Stadtteil Kadhimija im Nordwesten der Hauptstadt, der wie Sadr City schon mehrfach Ziel von Anschlägen war. Mindestens 14 Menschen wurden getötet, darunter nach Krankenhausangaben auch mehrere Sicherheitskräfte.

Die dritte Autobombe explodierte im Viertel Dschamea im Westen Bagdads, wo neben vielen Schiiten auch Sunniten leben. Dort wurden nach Angaben von Rettungskräften mindestens acht Menschen getötet und 21 weitere verletzt.

Die IS-Miliz erklärte, einer ihrer Kämpfer namens Abu Sulaiman al-Ansari habe den Selbstmordanschlag in Sadr City verübt. Auch die beiden anderen Bomben seien von IS-Kämpfern gezündet worden.

Gewalt gegen „Abtrünnige“

Die sunnitische Miliz, die im Jahr 2014 weite Teile des Iraks überrannt hatte, betrachtet Schiiten und damit die Mehrheit der irakischen Bevölkerung als Abtrünnige. Sie verübt regelmäßig Anschläge auf schiitische Viertel und Märkte und nimmt auch immer wieder Moscheen und Pilger ins Visier.

Die irakischen Streitkräfte hatten zuletzt mehrere Gebiete vom IS zurückerobert. Die Dschihadisten kontrollieren aber noch immer weite Regionen im Westen des Landes. Auch gelingt es ihnen immer wieder, Attentate in Gebieten zu verüben, die von der Regierung kontrolliert werden.

Dutzende wütende Anwohner versammelten sich am Anschlagsort in Sadr City und gaben der irakischen Regierung, die derzeit in einer tiefen politischen Krise steckt, die Schuld. „Der Staat wird von einem Konflikt beherrscht, und die Menschen sind die Opfer“, rief ein Mann namens Abu Ali. „Die Politiker stecken hinter der Explosion.“ Auch Abu Muntadhar machte die Staatsführung für die „Bombenangriffe auf Zivilisten“ verantwortlich und forderte die Regierung zum Rücktritt auf.

Der Irak ist seit Monaten politisch nahezu blockiert. Angesichts von Massenprotesten und immer lauteren Reformforderungen versucht Ministerpräsident Haider al-Abadi seit Wochen, sein Regierungsteam durch ein neues Kabinett aus Fachleuten zu ersetzen, die nicht nach konfessionellen oder parteilichen Kriterien ausgewählt werden. Dem widersetzen sich diverse Oppositionsparteien. Tausende Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Moktada al-Sadr organisierten wiederholt Protestkundgebungen und stürmten sogar das Parlament.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare