Bodycams für Berliner Polizei: Ein lang ersehntes Geschenk
Kurz vor Silvester erhalten Berlins Polizei und Feuerwehr 3.000 Bodycams. Ob die Geräte halten können, was die Innensenatorin verspricht?
Berlins Polizist*innen und Rettungskräfte durften am Montag ein von vielen von ihnen lang ersehntes Geschenk auspacken: 3.000 Bodycams kamen auf den Dienststellen an – davon 2.300 für die Polizei, die übrigen 700 für die Feuerwehr.
Damit startet der flächendeckende Betrieb der am Körper angebrachten Kameras in Berlin, bisher waren 300 Geräte im Probelauf. Der erste größere Einsatz ist für die Silvesternacht geplant. Welche Regeln es für Aufnahmen mit Bodycams gibt und ob die Geräte überhaupt etwas bringen – die taz gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Warum kriegen Polizei und Feuerwehr jetzt die Bodycams?
Die Anschaffung von Bodycams ist eines der Lieblingsprojekte von Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Ihr zufolge leisten Bodycams „einen wichtigen Beitrag, um Gewalt gegen Einsatzkräften vorzubeugen, Transparenz bei behördlichem Handeln zu fördern und eine beweissichere Dokumentation von Straftaten sicherzustellen“. 3 Millionen Euro hat die Innenverwaltung für die Kameras springen lassen, möglich wurde die Einführung jetzt durch die umfassende Reform des Berliner Polizeigesetzes, die das Abgeordnetenhaus Anfang Dezember verabschiedet hat.
Wann müssen die Beamt*innen die Geräte einschalten?
Filmen ist laut Gesetz immer dann erlaubt, wenn laut Polizei „tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer Gefahr“ bestehen und der Einsatz der Bodycam in dieser Situation zur Gefahrenabwehr erforderlich erscheint. Das dürfte viele alltägliche Situationen betreffen. Einschränkungen gelten für Einsätze in Wohnungen, grundsätzlich darf aber auch dort gefilmt werden.
Dazu gibt es klare Vorgaben, wann die Kameras eingeschaltet werden müssen. Und zwar dann, wenn Polizist*innen „unmittelbaren Zwang“ ausüben. Gefilmt werden sollen also gewaltsame Festnahmen und andere Situationen, in denen die Beamt*innen physische Gewalt ausüben. Zudem können auch Betroffene einer polizeilichen Maßnahme die Aufzeichnung einfordern. Auch dann ist das Filmen Pflicht. Beides setzt allerdings voraus, dass die Polizist*innen überhaupt eine Kamera tragen – was nicht selbstverständlich ist, denn statistisch gesehen teilen sich acht Vollzugsbeamt*innen eine Bodycam.
Wie funktionieren die Kameras?
Die Bodycams sind außen an der Uniform der Polizist*innen und Rettungskräfte befestigt. Sie sind dauerhaft eingeschaltet und zeichnen auch in diesem Standby-Modus alles auf. Jedoch werden dabei immer nur die letzten 60 Sekunden zwischengespeichert. Erst nachdem die Kamera ausgelöst wurde, sichert sie die Aufnahmen dauerhaft. Zudem werden dann auch die 60 Sekunden vor dem Start der Aufnahme gespeichert. So soll später auch einsehbar sein, was unmittelbar vor der Aufnahme passiert ist. Während der Aufzeichnung leuchtet eine rote LED an der Kamera.
Was soll das bringen?
„Klare Bilder, klare Fakten“, heißt es auf der Promo-Seite der Berliner Polizei zum Thema Bodycams. Ob dieses Versprechen eingelöst wird, ist mehr als fraglich. In zahlreichen Fällen von Polizeigewalt der vergangenen Monate trugen Beamt*innen keine Bodycams – etwa bei den lebensbedrohlichen Schüssen auf ein gehörloses Mädchen in Bochum – oder schalteten sie nicht ein, wie im Fall des getöteten Lorenz A. in Oldenburg. Polizeiforscher*innen plädieren deshalb für eine automatische Auslösung der Kameras.
Darüber hinaus hoffen die Verantwortlichen in der Innenverwaltung, dass die Bodycams Übergriffe auf Polizist*innen nicht nur besser aufklären, sondern gar vereiteln: „Das Wissen um mögliche Konsequenzen soll (…) zur Deeskalation beitragen“, heißt es in einer Mitteilung.
Und gibt es auch Kritik?
Während Berlins Polizist*innen die Kameras mehrheitlich befürworten, gibt es aus dem Rettungsdienst kritische Töne. In der vom Senat beauftragten wissenschaftlichen Untersuchung zeigte sich eine große Mehrheit der 130 befragten Feuerwehrleute skeptisch – unter anderem, weil sie einen Vertrauensverlust bei den Bürger*innen befürchteten. „Es könnte ja leicht der Verdacht aufkommen: Ja, die sind ja genauso wie die Polizei“, sagte eine Rettungskraft.
Fachleute kritisieren außerdem, dass die Bodycam-Aufnahmen anschließend von der Polizei selbst ausgewertet werden sollen. Insbesondere bei unübersichtlichen Situationen oder Fällen von Polizeigewalt brauche es eine unabhängige Auswertung.
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