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Blockupy in Frankfurt/MainKarlsruhe billigt Polizeikessel

Das Verfassungsgericht urteilt: Wer im schwarzen Block mitlief, durfte zur Feststellung der Personalien im Kessel festgehalten werden.

Urteil: Hier wurden keine Rechte verletzt Foto: dpa

Karlsruhe taz| Der Polizeikessel bei der Blockupy-Demo im Juni 2013 hat keine Grundrechte der Demonstranten verletzt. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht.In Frankfurt am Main demonstrierten am 1. Juni 2013 rund 10.000 Personen gegen die EU-Austeritätspolitik. Kurz nach Beginn der Demonstration kesselte die Polizei 943 Personen ein, was zum Stopp der Demo führte. Nach längeren Verhandlungen und Reibereien konnten die Eingekesselten erst Stunden später den Polizeikordon verlassen – nach Ausweiskontrolle, Durchsuchung und Anfertigung von Videobildern. Viele Demo-Beobachter, auch aus SPD-Kreisen, hielten den Polizeieinsatz damals für „unverhältnismäßig“.

Ein Demonstrant, der fast fünf Stunden im Polizeikessel verbringen musste, erhob Verfassungsbeschwerde. Seine Bewegungsfreiheit und sein Versammlungrecht seien verletzt worden.

Doch eine mit drei Richtern besetzte Kammer des Verfassungsgerichts hat die Klage nun abgelehnt. Zwar konnten dem Demonstranten keine Straftaten nachgewiesen werden, er habe sich aber schon durch die Anwesenheit in den eingekesselten Demo-Blöcken verdächtig gemacht. Nach Darstellung der Richter bildeten sich damals um den Lautsprecherwagen herum zwei Blöcke, die U-förmig seitlich mit Transparenten, Seilen und Stangen gesichert waren. Teilnehmer dieser Blöcke trugen Schutzschilde, Plastikvisiere und Regenschirme als Sichtschutz nach oben. Aus den Blöcken seien Flaschen und Pyrotechnik auf die Polizei geworfen worden.

„Planvoll-systematisches“ Zusammenwirken

Die Teilnehmer der beiden Blöcke hätten ein „planvoll-systematisches“ Zusammenwirken mit Gewalttätern gezeigt, so die Richter. Die Polizei durfte deshalb davon ausgehen, dass fast alle Demonstranten dieser Blöcke die Gewalttäter „bestärkt“ hätten. Die mittels Polizeikessel durchgesetzte Feststellung der Personalien dieser 943 Personen sei daher nicht zu beanstanden.

Auch die Dauer des Kessels kritisierten die Richter nicht. Die Polizei habe 15 Video-Durchlassstellen eingerichtet, durch die jeweils drei Personen pro Minute den Kessel verlassen konnten. Dass der Kessel dennoch mehr als fünf Stunden aufrechterhalten blieb, sei nicht zuletzt auf den erheblichen körperlichen Widerstand der Eingekesselten zurückführen gewesen.

Az.: 1 BvR 289/15*a

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5 Kommentare

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  • Ja - die Entscheidung - noch dazu mittels "Trio Infernale" - verwundert stark.

    Denn über das hier gesagte hinaus -

    War die Bildung des Kessels wohl völlig willkürlich & für viele DemoTeilnehmer gab es also gar keine Wahl - nicht zum Schwarzen Block "gekesselt zu werden!"

    Eine Mutter - "mal schauen was die Kids da in Ffm so machen" - geriet demo-unerfahren rücksichtslos geschubst usw mit hinein.

    Bizarr dann der aggressiv auftretende Polizeibeamte - der alle ihre Beschwerde beiseite wischte &

    Fragte: "Was sie denn in Ffm gewollt hätte - sie sei doch aus Siegburg!"

    Versuchte ihr einen "weggefundenen Ausweis" zu unterstellen & Lehrerin könne ja jeder behaupten.

    kurz - die Luft ist nach der unsäglichen "Kesseltradition HH"

    Endgültig bleihaltig.

    Karlruhe driftet nach rechts - auch im Grundrechtsbereich!

  • Der Kessel kam damals wie ein heftiger gewaltsamer Überfall und wurde deshalb auch von einigen hessischen Polizeibeamten kritisiert. Sämtliche Journalisten waren damals genauso angepisst und entsetzt wie die Demonstranten, weil man immer wieder auf die Menge einprügelte. Bewusstlos lagen Menschen am Boden und bekamen keine angemessene medizinische Versorgung ("Der simuliert nur..."). Die Abtrennung des vorderen Teils der Demonstration war nicht nur für die Eingekesselten unterträglich. Auch auf den hinteren Teil der Demonstration wurde immer wieder eingeprügelt ohne Rücksicht auf die vielen älteren Menschen und Familien mit Kindern, die sich dort befanden. Sie hatten zunächst auch gar nicht die Zeit sich zurückzuziehen. Auch Kinder die abseits auf einer Wiese standen wurden von Polizeitrupps überrant.

    Lichtblick war die Solidarität der restlichen Demonstranten die Stunden ausharrten, die sichtbare Solidarität von Mitarbeitern des Frankfurter Schauschpiels die von oben Wasser in den Kessel reichten und die anschließende Solidaritätsdemo, an der sich viele Frankfurter Bürger anschlossen. Der Überfall war so gewaltsam und abschreckend, dass kein normaler Mensch freiwillig durch ein Durchlassstelle geht.

    Wenn dies die Rechtsprechung des BVG ist, ist das eine klare Ansage, dass das Recht auf körperliche Unversertheit auf jeglicher Demonstration nichts mehr Wert ist. Der Tag hat eher an Russland erinnert als an ein demokratisches Land

    • @clarafcks:

      Ich kann nur zustimmen... Welch ein peinliches Urteil!

  • Die beiden Sätze: "Wer im schwarzen Block mitlief, durfte zur [?] festgehalten werden." und:

    "Ein Demonstrant, der fast fünf Stunden, im Polizeikessel verbringen musste, erhob Verfassungsbeschwerde.", sollten vielleicht doch noch korrigiert werden, liebe Taz. Dankeschön.

  • rechtschreibung ist überbewertet???