Biowinzerin über den Gartenschläfer: „Merkwürdiges Verschwinden“
Niemand weiß, warum Gartenschläfer in Deutschland immer weniger werden. Biowinzerin Anja Stritzinger hängt Spurenfallen und Brutkästen auf.
taz: Frau Stritzinger, Sie stehen gerade in Ihrem Weinberg. Was quietscht denn da so im Hintergrund?
Anja Stritzinger: Meine Schere! Ich schneide Reben, spätestens bis zum Austrieb muss ich fertig sein. Weil es hier in Franken in den Hanglagen am Main jetzt schnell sehr warm werden kann, muss ich mich beeilen. Ich kann aber telefonieren und schneiden gleichzeitig.
Bei Wärme wachen auch die Gartenschläfer auf. Haben Sie schon welche gesehen?
Nein, noch nicht. Ich weiß gar nicht, ob in unserem Weinberg überhaupt welche vorkommen. Aber weil im vergangenen Jahr im Nachbarort ein Wurf mit Jungen entdeckt wurde, könnten hier auch welche leben. Darum suchen wir jetzt.
Legen Sie sich auf die Lauer?
Nein, die sind ja nachtaktiv. Wir haben wieder Spurentunnel aufgehängt, das sind schwarze Plastikröhren, die man in die Weinstöcke oder an Baumzweige hängt. Wir machen Terrassenweinbau, da dürfen im Weinberg auch Bäume stehen. Vorne und hinten streicht man in die Röhre ein Gemisch aus Kohlestaub und einem Öl, wir nehmen Sonnenblumenöl. In die Mitte legt man ein Papier.
Der Gartenschläfer sieht ein bisschen aus wie eine Maus, gehört aber zur Familie der Bilche. Er ist im Südwesten Deutschlands verbreitet und lebt in Gärten, Weinbergen und Parks. Bis vor wenigen Jahren wurde er noch in Bayern, den Mittelgebirgen und dem Elbsandsteingebirge beobachtet, bis seine Zahl dramatisch abnahm. Niemand kann sich sein plötzliches Verschwinden erklären – hat sich das Nahrungsangebot verändert? Leidet er unter dem Klimawandel? Sind neue Fressfeinde, genetische Verarmung oder irgendeine eine Krankheit die Ursache?
In dem gemeinsamen Projekt „Spurensuche Gartenschläfer“ erforschen der BUND, die Universität Gießen und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, warum die Zahl der kleinen Nagetiere abnimmt – und wie die Art in Deutschland gerettet werden kann.
Läuft ein Gartenschläfer durch, hinterlässt er Spuren. Im vergangenen Sommer ist eine Gelbhalsmaus durchgetrippelt, die kannte ich auch noch nicht. Aber vor allem waren es Spuren von Insekten. Außerdem stellen wir Wildtierkameras auf.
Wie oft kontrollieren Sie die?
Die Spurentunnel kontrollieren wir wöchentlich und tauschen das Papier aus. Die Kameras alle vier Wochen, die haben einen großen Speicher, da muss man nur ab und zu die Karte auslesen. Letzten Sommer hat sie einen Dachs, Wildschweine und Rehe fotografiert, die sich in unserem Weinberg rumgetrieben haben. Aber leider keine Gartenschläfer.
Können Sie sie anlocken?
Wir haben 14 Brutkästen vor allem an Bäumen in unsere Weinberge gehängt. Die sind, anders als Nistkästen für Vögel, hinten offen, die Tiere klettern am Stamm hoch und schlüpfen von hinten hinein. Mal gucken, ob dieses Jahr ein Gartenschläfer einzieht. Eigentlich müsste es ihnen bei uns gefallen, sie fressen vor allem kleinere Tiere wie Heuschrecken, Falter Spinnen oder Schnecken, davon gibt es bei uns sehr, sehr viele. Wenn er keine Heuschrecken findet, nimmt er Trauben, davon haben wir auch genug.
Wird er zum Schädling?
ist Winzermeisterin und führt seit 20 Jahren und in zweiter Generation ein Bio-Weingut in Klingenberg im fränkischen Maintal. Am Projekt „Spurensuche Gartenschläfer“ beteiligt sie sich zum zweiten Mal.
Ach, der ist doch so klein, so viel kann der nicht fressen, dass uns das schadet. Da sind Wildschweine oder ein Schwarm Stare schon andere Kaliber oder Rehe, die fressen die zarten Austriebe der Weinreben.
Experten warnen, dass die Bilche zwar putzig, aber auch wehrhaft sind und beißen können. Haben Sie keine Angst?
Nein, wenn ich die Brutkästen kontrolliere, trage ich halt Handschuhe. Ich habe eher Angst, dass ich die zu Tode erschrecke oder sie in die Flucht treibe. Ich werde also ganz vorsichtig in die Kästen gucken.
Warum machen Sie mit bei dem Projekt?
Ich dachte, ich kenne alle Tiere, die so in meinem Weinberg vorkommen können. Wir sind seit Jahren ein Biobetrieb, da beobachten wir aufmerksam, was hier so herumkräucht. Aber vom Gartenschläfer und seinem merkwürdigen Verschwinden hatte ich noch nie etwas gehört. Jetzt bin ich neugierig und hoffe, hier einen zu finden.
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