Biotechnologie-Forschung: Schlag gegen Gentech-Kritiker

Eine Fachzeitschrift zieht ihre Publikation über zu hohe Krebsraten bei Ratten durch manipuliertes Futter zurück. Die Umstände des Widerrufs sind fragwürdig.

Nicht falsch, aber auch nicht überzeugend: Zu wenige Versuchsratten wurden untersucht Bild: dpa

BERLIN taz | Die renommierte Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology hat sich von einer Studie distanziert, die für viele Aktivisten der wichtigste Beleg für Gesundheitsgefahren durch Gentechnik ist. Herausgeber Wallace Hayes schrieb Autor Gilles-Eric Séralini in einer von Gentech-Gegnern veröffentlichten Mitteilung: „Wenn Sie nicht zustimmen, den Artikel zu widerrufen, wird er zurückgezogen.“

Die im September 2012 veröffentlichte Studie ist der bekannteste Hinweis auf mögliche Gesundheitsrisiken durch Gentech-Pflanzen. Séralinis Forschergruppe an der Universität Caen hatte den Mais NK603 und teilweise das Pestizid Roundup des US-Herstellers Monsanto an Ratten während deren gesamter Lebensdauer von etwa zwei Jahren verfüttert. Die Tiere erkrankten häufiger an Krebs und starben im Schnitt früher als Ratten mit konventionellem Futter.

Besonderes Gewicht hatte die Untersuchung, weil sie in einer Zeitschrift erschienen ist, die ihre Artikel in einem „Peer Review“-Verfahren von unabhängigen Gutachtern überprüfen lässt.

Doch Herausgeber Hayes kommt nun zu diesem Urteil: „Letzten Endes sind die vorgelegten Ergebnisse (obwohl nicht falsch) nicht überzeugend.“ Deshalb genügten sie nicht den Ansprüchen der Zeitschrift. Eine Untersuchung von Séralinis Rohdaten habe ergeben, dass mit der kleinen Zahl von Tieren in seinem Versuch „keine definitiven Schlussfolgerungen“ über die Rolle des Maises oder des Pestizids möglich seien. Da der verwendete Rattenstamm namens „Sprague-Dawley“ von Natur her sehr anfällig für Krebserkrankungen ist, könnten normale Schwankungen nicht ausgeschlossen werden.

Höhere Fallzahl mit zu hohen Kosten

Séralini hatte bereits in der taz eingeräumt, dass die Tierzahl für eine Krebsstudie mit jeweils 10 Ratten pro Gruppe zu gering sei. „Aber eine Krebsstudie mit 50 Ratten kostet 20 Millionen Euro“, sagte er damals. Allerdings habe er seine Tumorergebnisse kombiniert, etwa mit biochemischen Analysen, für die 10 Tiere ausreichten. Demnach litten die mit Gentech-Mais gefütterten Ratten besonders häufig auch an Nierenkrankheiten.

Der Wissenschaftler erklärte am Donnerstag, er werde die Studie keinesfalls widerrufen. Die in der Anti-Gentech-Szene einflussreiche Organisation GMWatch warf dem Magazin vor, gegen Richtlinien seines eigenen Fachzeitschriftenverbands Cope (pdf) zu verstoßen. Demnach sei es unzulässig, einen Artikel zurückzuziehen, weil dieser nicht überzeugend sei.

Neue Personalie wirft Fragen auf

GMWatch erwähnte in diesem Zusammenhang, dass der ehemalige Monsanto-Wissenschaftler Richard Goodman vor wenigen Monaten zum für Biotechnologie zuständigen Redakteur der Zeitschrift berufen wurde. Das „wirft Fragen auf über den Einfluss von Unternehmen“ auf die Publikation. Herausgeber Hayes ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Der österreichische Sozialforscher Franz Seifert, der die Entwicklung der Gentechnik in der EU beobachtet, vermutet, dass die Distanzierung der Zeitschrift von Séralinis Artikel die Überzeugung von Gentech-Gegnern nicht erschüttern werde. „Sie werden sich lediglich darin bestätigt sehen, dass die Wissenschaft von der Industrie gekauft und manipuliert ist“, sagte Seifert zur taz. Im Übrigen tangiert die Séralini-Debatte nicht andere Argumente gegen die meisten Gentech-Pflanzen: zum Beispiel, dass diese umweltschädliche Monokulturen förderten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.