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Bildungsversprechen nach Ampel-AusNach­wuchs­for­sche­r:in­nen müssen weiter leiden

Mit der Einigung auf den Digitalpakt 2.0 hat Bildungsminister Cem Özdemir einen Coup gelandet. Andere Bildungsvorhaben der Ampel sind vom Tisch.

Whiteboard statt Schultafel: Unterricht in Brandenburg Foto: Rainer Weisflog

Berlin taz | Einen Coup hat der neue Bundesbildungsminister Cem Özdemir (Grüne) soeben gelandet. In nur wenigen Wochen ist ihm geglückt, was seiner Vorgängerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) über viele Monate nicht gelungen ist: sich mit den Ländern auf einen Digitalpakt 2.0 zu einigen. Bis zu den Neuwahlen wollen beide Seiten eine unterschriebene Vereinbarung vorlegen. Ein Achtungserfolg – auch wenn die Umsetzung an der nächsten Bundesregierung hängt.

Wer jetzt die Hoffnung hegt, Özdemir könnte auch noch die übrigen Bildungsvorhaben der Ampelregierung umsetzen, wird jedoch enttäuscht werden. Denn im Unterschied zum Digitalpakt, der als Verwaltungsvereinbarung keiner parlamentarischen Zustimmung bedarf, handelt es sich bei den offenen Koalitionsversprechen um Gesetzesvorhaben. Und die finden mit dem Ausscheiden der FDP aus der Regierung und der Blockadehaltung der Union keine Mehrheiten im Bundestag.

Damit sind die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG), von der sich Angestellte an Unis bessere Arbeitsbedingungen erhofft hatten, sowie die Anpassung des „Aufstiegsbafög“, über die junge Menschen in der beruflichen Ausbildung mehr Unterstützung bekommen sollten, vom Tisch. Neu anstoßen kann Özdemir die Vorhaben jedenfalls nicht. „Die Entscheidung über das weitere Verfahren, einschließlich eventueller Änderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung, liegt … allein beim Deutschen Bundestag“, teilt das Bundesbildungsministerium (BMBF) dazu mit.

Die Obfrau der Grünen im Bildungsausschuss des Bundestags, Laura Kraft, bedauert, dass die beiden Vorhaben jetzt de facto gestorben seien. „Das ist sehr ärgerlich, dass wir das nicht mehr vor dem Koalitionsbruch hinbekommen haben“, sagt Kraft der taz. Umso mehr, da die Fach­po­li­ti­ke­r:in­nen von SPD, Grüne und FDP endlich auf der Zielgeraden für eine Einigung waren. Noch verbliebene inhaltliche Differenzen wollte man in einer letzten Verhandlungsrunde ausräumen, so Kraft. So war man sich beispielsweise einig, bei der Reform des WissZeitVG eine umstrittene Regelung für Postdocs zu streichen.

Von Beginn an Kritik

Der BMBF-Entwurf sah hier vor, die Befristungshöchstdauer für promovierte Wis­sen­schaft­le­r:in­nen von sechs auf vier Jahre zu verkürzen. Ausnahmen wären dann nur noch mit einer fixen Zusage auf Entfristung möglich gewesen. Betroffene und Gewerkschaften kritisierten daran, dass der Entwurf die Hochschulen zu nichts verpflichtet, sondern im Gegenteil nur der Druck auf die For­sche­r:in­nen zunimmt, sich in noch kürzerer Zeit für eine Professur zu qualifizieren. Diese Kritik wurde erneut bei der ersten Lesung des Gesetzes Mitte Oktober im Bundestag laut.

Ohne diesen Passus könnte Kraft mit der Novelle gut leben. Dann hätte der Bundestag immerhin die positiven Punkte der Reform wie die erstmaligen Mindestvertragslaufzeiten für Promovierende (zwei Jahre) und Postdocs (drei Jahre), Verbesserungen für studentische Beschäftigte sowie die Ausweitung der familien- und pflegepolitischen Komponente verabschieden können. „Diese Chance ist jetzt leider dahin.“

Ebenfalls dahin ist vorerst ein Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen. Ein entsprechendes Konzept hatte der Haushaltsausschuss im Bundestag vor gut einem Jahr vom BMBF verlangt – als ergänzende Maßnahme zur WissZeitVG-Reform. Bis zu ihrem Rücktritt hat Stark-Watzinger jedoch kein Konzept vorgelegt, das den Namen verdient. Ein Blick in die Länder zeigt indes: Wenn der Bund nicht vorangeht, wird sich der finanzielle Spielraum kaum verbessern. Hessen und Berlin etwa haben die Hochschulbudgets für 2025 schon eingedampft.

Hoffen auf den Wissenschaftsrat

Viele hoffen jetzt auf den Wissenschaftsrat, der derzeit an Empfehlungen zur Personalstruktur an Unis arbeitet. Die zuständige Ausschussvorsitzende Birgit Spinath kündigte im taz-Interview an, ihr Fokus liege auf der Schaffung von mehr Dauerstellen. Sie wertete als positiv, dass die Hochschulen sich für alternative Stellenkonzepte neben der Professur zunehmend offen zeigen – sofern Bund und Länder mehr Mittel bereitstellen.

Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält dies für Ausflüchte. Die Hochschulen könnten jetzt schon mehr tun. Eine Dauerstelle sei nicht wesentlich teurer als ein Zeitvertrag, und sogar mit Drittmitteln ließen sich Dauerstellen finanzieren, sagt Keller der taz. Die Forderung „Dauerstellen für Daueraufgaben“ werde die GEW aber auch an die kommende Bundesregierung herantragen – und für eine Reform des WissZeitVG eintreten, das Befristungen grundsätzlich nur bis zur Promotion erlaubt.

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2 Kommentare

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  • "...Befristungen grundsätzlich nur bis zur Promotion erlaubt."



    Das ist ein GEW Forderung?



    Selbst wenn die Länder die Bildungsetats um zweistellige Millionenbeträge erhöhen würden (was sie nicht tun, im Gegenteil es wird gekürzt) und dann je ein Stelle pro Institut finanzieren, so wird diese Stelle sofort mit einem der schon vorhandenen DoktorandInnen besetzt und ist damit 40 Jahren nicht mehr auf dem Markt.



    Ohne jede Zeitstelle wird es in Zukunft so aussehen, dass man die Promotionsstelle nach dem Pensionierungsplan auswählt. Ein Institut bei dem jemand in drei Jahre oder so in Pension geht, wird dann sehr attraktiv. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.



    Man kann leider nicht für jeden Jahrgang mit neuen hoch motivierten Jungforscherinnen neue Dauerstellen schaffen.



    Insofern ist der GEW Vorschlag doch vernünftig. Es zeigt jedem Promovierenden sehr klar, das es nur eine minimale Chance auf eine Dauerstelle in der Uni gibt.

    • @fly:

      Sehr richtig!



      Ich habe in meiner 45jährigen Zeit in der Hochschule zigfach erlebt, wie Promovierte auf Dauerstellen risikolos bis zur Verrentung bzw. Pensionierung eingeschlafen sind.