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„Bild“ feiert SammelabschiebungHetze klickt sich gut

Am Dienstag fand eine Sammelabschiebung von acht Personen nach Afghanistan statt. Für die „Bild“-Zeitung ein „Flieger voller Sex-Täter“.

Der Abschiebeflug startet in Düsseldorf Foto: dpa

„Start in Düsseldorf – Ziel Afghanistan: Abschiebe-Flieger voller Sex-Täter“. So titelte die Bild-Zeitung am Mittwochmorgen auf ihrer Face­bookseite, versehen mit dem Kommentar: „Jetzt machen die Behörden ernst – und schieben die Richtigen ab.“ Doch die Überschrift ist irreführend.

Wenn man den Post öffnet, erfährt man im Artikel, dass es sich um acht Personen handelt, die nach Afghanistan abgeschoben wurden – nicht etwa eine ganze Boeing 737 voll. Und nun wird auch, zumindest auf eine Art, relativiert: „Allesamt Kriminelle, die meisten Sex-Täter!“ Bundesinnenminister de Maizière hat verlauten lassen, dass die Männer wegen „erheblicher“ Straftaten verurteilt worden seien.

So funktioniert die Hetze der Bild: Aus acht abgeschobenen Asylbewerbern wird ein „Flieger voller Sex-Täter“. Bild feiert diese Abschiebung – selbst dann, wenn es nach Afghanistan geht: ein Land, wo Anschläge an der Tagesordnung sind. Ob überhaupt jemand dorthin abgeschoben werden sollte, ist fraglich.

Bild appelliert mit ihren Lieblingsthemen „Kriminelle Ausländer“/„Sexmob“ an die rassistischen Fantasien ihrer Leser_innen und kann sich so jede Menge Klicks abholen. Der Post läuft extrem gut: Innerhalb weniger Stunden hatte er 15.000 Likes gesammelt und wird vom rechten Mob geteilt und kommentiert wie blöde, bis mittags jeweils mehr als 1.000 Mal. Ein Bild-Durchschnittspost im vergangenen Monat erhielt knapp 250 Likes.

Facebookpost auf der Seite der „Bild“-Zeitung, 13.9. Screenshot: Facebook / @bild

Bei der Bild wird aus einer Handvoll Straftäter ein Flugzeug voller „Sex-Täter“. In den Kommentaren wird lamentiert, dass zu wenige Flüchtlinge abgeschoben würden. Das nennt man dann wohl gelungene Leser-Blatt-Bindung.

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14 Kommentare

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  • Ich würde das nicht als Hetze bezeichnen. Hetze gegen Sexualstraftäter, weil man die Abschiebung in ein Land feiert, in dem Millionen immer noch leben? Ihnen droht ja nicht direkt die Todesstrafe, also Kirche im Dorf lassen.

     

    Nein, es ist eher Regierungspropaganda. Es wird suggeriert, zielgenau würden in großem Umfang Verbrecher aus Deutschland geflogen, so dass man fast den Eindruck erhält, das Land wäre jetzt auf einen Schlag ein großes Stück sicherer. Das ist allerdings tatsächlich Unsinn.

  • 3G
    35730 (Profil gelöscht)

    Was kann man tun? Sex auf Krankenschein? Dann wäre eine Vergewaltigung wie ein Einbruch in die Apotheke. Endlich den Islam reformieren? Warum halten Muslime ihre Frauen gefangen, gleichzeitig sollen sie sich integrieren? Porno verbieten? Mit was für Bildern gehen eigentlich Männer auf die Strasse? Müssen Frauen sich zum Gelingen der Integration in ihrer Freizügigkeit anpassen? Wieviele Vergewaltigungen finden an Männern statt? Deutsche Vergewaltiger in muslimische Länder abschieben? Neuer Deal mit Saudi-Arabien? Wann stößt die taz die Offensive gegen Vergewaltigungen an? Wie immer geht es nur um die Täter.

  • Wenn ich aus so einem Land geflohen wäre. würde ich im Zielland noch nicht mal falsch parken.

    Im übrigen teilen die 8 Abgeschobenen ihr neues Risiko mit 33 Millionen anderen.

  • Warum überhaupt so ein Aufheben um Abschiebungen? Nur die wenigsten werden ja abgeschoben. Und Abschiedung von Straftätern ist ja nicht wirklich kontrovers.

     

    Statt dessen macht man so einen Affenzirkus, der am Ende wieder nur Wasser auf den Mühlen von rechts ist.

  • Von einer linken Zeitung hätte man auch erwarten können, sich mit dem u.U. kulturell bedingten relativen Anteil an Sexualstraftätern, gerade mit afghanischer Staatsangehörigkeit zu beschäftigen.

     

    Standardtabelle 62 der PKS schlüsselt das entsprechend auf. In Zeile 25 findet man dort für den Staftatenschlüssel 111000 "Vergewaltigung und sexuelle Nötigung §§ 177 Abs. 2, 3 und 4, 178 StGB" 3.964 Tatverdächtige mit deutscher Staatsangehörigkeit und 217 mit afghanischer Staatsangehörigkeit. Ein grundlegendes Zahlengefühl sagt einem schon, dass hier was komisch ist, da Afghanen eher nicht 1/19 der Bevölkerung ausmachen. Oder runtergebrochen auf 100.000 Personen der jeweiligen Staatsangehörigkeit kommen auf 100.000 Deutsche ungefähr 5,5 Tatverdächtige gemäß Schlüssel 111000. und bei Afghanen so ca. 165 Tatverdächtige pro 100.000 Personen mit afghanischer Staatsangehörigkeit.

     

    Übrigens, der niedrige Anteil Deutscher TV ist kein deutsches Spezifikum. Vietnamesen, etwas kleiner Gruppe in D als die Afghanen, kommen auf ca. 2,6 Tatverdächtige pro 100.000 Personen mit vietnamesischer Staatsangehörigkeit.

     

    Bei Gruppenvergewaltigungen nach Schlüssel 1113000 wird es noch düster:

    189 Deutsche TV und 35 Afghanen. Oder 0,25 pro 100.000 vs. 26,7 pro 100.000.

     

    Anstatt hier über Rassismus der Bild zu lamentieren, könnte man sich auch mal fragen, warum sich keiner mit diesem krassen Überhang beschäftigt und der Frage, wie weitere Vergewaltigungsopfer (oft übrigens weibliche Flüchtlinge in den Unterbringungen) vermieden werden können. Das ist nämlich ein ganz reales Problem.

    • @Theobaldus:

      Ich liebe Statistiken, @Theobaldus - vorausgesetzt, die Rohdaten sind einigermaßen vertrauenswürdig erhoben und zugeordnet. Die PKS tut sich in dieser Hinsicht aus systemischen Gründen etwas schwer.

       

      Nur nebenbei erwähnt: Der Polizeiapparat ist nicht gerade für einen verantwortungsvollen, sorgfältigen Umgang mit Daten bekannt; vielen Beamten mag das als "lästig" erscheinen.

       

      Der systemische Fehler liegt aber in der Anlage der PKS als "Verdächtigten-Statistik". Die Zuordnung eines Vedächtigen als Deutscher - D mit Migrationshintergrund - Ausländer - Asylbewerber/Flüchtling - Afghane setzt voraus, dass der Verdächtige zumindest zuverlässig identifiziert worden ist. Wie ein vom Opfer oder Zeugen als "südländischer Typ" oder "gebrochen Deutsch sprechender" beschriebener Täter in dieses Verdächtigten-Schema einsortiert wird, wäre interessant zu erfahren. Die PKS täte insoweit gut daran, zusätzlich zwischen "zuverlässig identifizierten" und "nicht identifizierten" Verdächtigen zu differenzieren.

       

      Übrigens: Es geht mir nicht darum, Zuwanderer als "reine Engel" zu verteidigen. Aber bei den relativ geringen Zahlen wirken sich schon wenige Falschbeschuldigungen spürbar aus.

      • @Bitbändiger:

        @Bitbändiger: Die von Ihnen genannten Unterscheidung gibt es in den Standardtabellen nicht. Sie können sich die selber ansehen.

         

        Also ungeklärte Staatsangehörigkeiten ist Spalte "GP", "Ohne Angabe" ist Spalte "GQ" und Spalte GO ist "Staatenlos".

         

        Die von Ihnen genannte Vorraussetzung gibt es also gar nicht, denn wenn jemand keine afghanischen Pass hat taucht er auch nicht in der Spalte "Afghanistan"auf. Ich rede hier über die Quelldateien.

         

        Die Zahlen sind überdies groß und nicht klein. Zudem gab es ca. 140.000 Afghanen in D Ende 2015 (also der Beginn des Berichtszeitraums der PKS 16). Und es gab ca. 100.000 Vietnamesen.

        In absoluten Zahlen haben Afghanen 217 TV in ihrer Gruppe und Vietnamesen 3.

        Und Sie wollen mir jetzt allen ernstes erzählen, dass es keinen Sinn macht, dieses Phänomen zu untersuchen?

        • @Theobaldus:

          Vermutlich, lieber @Theobaldus, schreiben wir aneinander vorbei. Wenn ich Ihrer Argumentation folge, muss ich glauben, dass unter den 11.493 TatVERDÄCHTIGEN mit dem von Ihnen zitierten Schlüssel 111000 lediglich 76 eine "ungeklärte" und 6 eine "nicht angegebene Staatsangehörigkeit haben. Mit anderen Worten: Alle anderen 11.409 Tatverdächtigen hätte man identifiziert. Sagenhafte Aufklärungsquote!

          • @Bitbändiger:

            Man hat die Staatsangehörigkeit aufgeklärt, nicht zwangsläufig das Verbrechen. Es sind ja Tatverdächtige und nicht Straftaten. Wenn zu einer Straftat ein (oder mehrere bei Gruppenvergewaltigungen z.B.) Tatverdächtige ermittelt werden, landen die in Tabelle 62. Die Aufklärungsquote (also das Verhältnis ungeklärte zu geklärten Straftaten - nicht TV) ist eine andere Tabelle und Abweichungen davon können naturgemäß nicht ermittelt werden. Den EINE Straftat kann auch mehrere TV haben oder keinen. Aber der gesunde Menschenverstand hilft hier. Wenn 217 afghanische Tatverdächtige ermittelt wurden und der 20-fache Überhang nur dadurch zustanden gekommen sein sollte, dass nicht ausreichend Deutsche ermittelt wurden, dann hätten noch zusätzlich ca. 80.000 zusätzliche D TV ermittelt werden - bei vielleicht 2.000 ungeklärten Straftaten nach 111000. Das kann offenkundig nicht sein.

             

            Der von mir zitierte Schlüssel ist 111000 und die Zahlen die Sie nennen gehören zu Schlüssel 1100000 - nur um das zu korrigieren, ist aber nicht wichtig.

            Aber grundsätzlich ist die Identitätsfeststellung im Rahmen von Sexualverbrechen relativ gut. Da gibt es auch ganz andere Delikt, z.B. unerlaubte Einreise oder Vermögensdelikte. mit jeweils 1.000enden ungeklärten Staatsangehörigkeiten.

             

            Jedenfalls kann man der Statistik - schon seit Jahren - keine rassistisch bedingte Verfälschung entnehmen. Griechen tauchen mit 28 Tatverdächtigen ebenfalls ungefähr auf dem Niveau der Deutschen und Vietnamesen in der Statistik auf obwohl sie dem von Ihnen als rassistisch vermuteten "südländischen" Typ zu einem Teil entsprechen könnten. Die großen statistischen Ausreißer sind eben Staatsangehörigkeiten aus primär oder erheblich muslimisch geprägten Kulturen.

            Da kann man jetzt unbedingt versuchen einen "Teilrassismus" reinzulesen oder man könnte irgendwann anerkennen, dass es nicht schlau ist dieses Problem unkontrolliert und laufen zu lassen.

    • @Theobaldus:

      Wie wäre es, wenn man sich mit beiden Problemen beschäftigt?

      • @Kobinho:

        Wenn aus den Zahlen kein systematischer Rassismus erkennbar ist, dürfte es schwer sein ein Rassismusproblem" darin zu finden.

         

        Das Problem ist ja viel mehr umgekehrt dadurch vorhanden, dass wenn jemand über Ursachen von Verbrechen sprechen möchte - was in einer Gesellschaft, die Ursachenbekämpfung über den Rachegedanken stellt, selbstverständlich sein sollte - dann muss man eben auch über Herkunft und kulturelle Strukturen sprechen. Wenn aber jegliche soziokulturelle Einordnung per se als Rassimus bezeichnet wird (oder wie hier mit Haarspalterei versucht wird zu deligitimieren), findet diese Beschäftigung nicht mehr statt und die Menschen bleiben mit den Problemen alleine.

  • Wobei es aber doch wohl grundsätzlich zu begrüßen ist, dass Straftäter abgeschoben werden!

    • @Frank Stippel:

      Ich begrüße das nicht grundsätzlich. Und es hat auch nichts damit zu tun, wie die Bild ihre Brötchen verdient. Denen ist es nämlich egal ob das Straftäter sind. Hauptsache, sie sind nicht deutsch und gerade dabei Deutschland zu verlassen.

      • @pitpit pat:

        Sie haben natürlich recht, da habe ich mich zu allgemein ausgedrückt. Ich meinte Intensiv- und Wiederholungstäter. Die Bildzeitung ist opportunistisch, am Anfang hat sie Öffnung der Grenzen mitgefeiert, als aber Probleme auftraten schwenkte die Redaktion schnell um. Ich kann mich täuschen, aber das deutschnationale Gedankengut spielt bei der BILD bei weitem nicht mehr die Rolle wie noch vor wenigen Jahren.