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Bild der BundeswehrDie Deutschen und ihre Armee

Seit die Bundeswehr Afghanen aus Kabul rettete, werden die Soldaten als Helden verehrt. Und plötzlich sind alle Pazifisten. Irgendwie schräg.

Ende der Luftbrücke: Fallschirmjäger landeten am Donnerstag in Taschkent Foto: dpa

I ch muss in diesen Tagen an Ali denken, mit dem ich zusammen Abitur gemacht habe. In meinem Jahrgang gab es nur zwei Männer, damals eher Jungs, die „zum Bund“ gingen und ihre Wehrpflicht absolvierten. Der eine wollte eigentlich zur Polizei, war aber einmal zu oft beim Prügeln auf der Reeperbahn erwischt worden, für die Bundeswehr reichte es noch. Der andere war Ali. Seine Eltern waren aus Afghanistan nach Hamburg geflohen. Alle anderen in der Stufe verweigerten den Wehrdienst oder ließen sich gleich ausmustern, weil ihnen die Knie weh taten. So auch ich.

Ich habe keinen Kontakt mehr zu Ali. Aber ich frage mich, was er vom Bundeswehreinsatz hält und von der Haltung der Deutschen zu ihrer Armee.

Die Bundeswehr war immer pfui für linke und liberale Deutsche. Man wollte mit ihr nichts zu tun haben. Als im vergangenen Herbst entschieden wurde, dass Soldaten in Uniform kostenlos Bahn fahren dürfen, wurde das als Militarisierung des Alltags kritisiert. Jetzt hat sich das Bild der Bundeswehr innerhalb weniger Tagen radikal gewandelt. Uniformen sieht man nicht mehr nur im Zug, sondern auch im Fernsehen.

Bilder von Marines gehen um die Welt, die gerettete Babys im Arm halten. Bundeswehroffiziere sitzen in Talkshows und zeigen, dass sie gelernt haben, in klaren Sätzen zu sprechen, anders als die anderen in der Runde. Sie erzählen, wie sie seit Monaten darum kämpfen, die Ortskräfte zu retten. Man könnte heulen, wenn man das hört.

Wie ein Resozialisierungsprogramm

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Viele Medien sind auch gerührt und salutieren: Die Zeit interviewt ganzseitig einen Generalleutnant a. D., und das ARD-Hauptstadtstudio schlägt die Hacken zusammen: Der Bundeswehr gebühre Respekt, Dank, Anerkennung.

Natürlich kann man Respekt vor der gefährlichen Evakuierung in Kabul haben. Aber man muss auch daran erinnern, dass sie erst nötig wurde, weil die Bundeswehr so lange in Afghanistan war. Und dass dieser Einsatz misslang, daran hat die Bundeswehr ihren Anteil. Dass man Korruption nicht bekämpft, aber Warlords gestärkt hat, dass Soldaten mit Schädeln posierten und Zivilisten bombardiert haben.

Man muss daran erinnern, dass das KSK, das jetzt in spektakulären Einsätzen mit Hubschraubern Menschen rettet, jene Spezialeinheit ist, die nach rechtsradikalen Vorfällen hätte aufgelöst werden müssen. Es klingt wie ein Resozialisierungsprogramm, dass ihr Befehl nun lautet, Flüchtlinge nach Deutschland holen.

Ignorieren, oder als Held verehren

In der Debatte über Afghanistan wird deutlich, wie widersprüchlich das Bild der Deutschen von ihrer Armee ist. Soldaten können offenbar nur ignoriert oder als Helden verehrt werden. Und ich erwische mich selbst dabei, dass ich diese Soldaten im Fernsehen irgendwie gut finde und mir das unheimlich ist.

Aber es gibt zum Glück noch eine zweite Veränderung in diesen Tagen, die in einem gewissen Widerspruch zu der Heldengeschichte steht. Zwar steigt das Ansehen der Soldaten wie nie seit Opa tot ist. Aber gleichzeitig tun plötzlich viele so, als wären sie schon immer PazifistInnen gewesen. Plötzlich scheint Konsens zu sein: Der Krieg in Afghanistan war ein Fehler. Man kann sich kaum vorstellen, dass die nächste Bundesregierung in einen solchen Krieg ziehen könnte.

Ich hoffe, dass die Uniformen bald wieder aus den Nachrichten verschwinden. Dass von der Evakuierung nicht das Bild des heroischen Soldaten hängen bleibt, sondern das Baby in seinem Arm, das von seinen Eltern getrennt wurde. Und die Erkenntnis, dass sich mit Gewalt keine Demokratie exportieren lässt.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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9 Kommentare

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  • Bei aller Afghanistan-Helden-Romantik: Die Bundeswehr war dort 20 Jahre lang Kriegspartei, und nicht nur mit Mädchenschulen- und Brunnenbau beschäftigt. Wer kann sagen, was das KSK all die Jahre gemacht hat, wenn es nicht einmal Bundestagsabgeordnete wissen? Diese zuschlagende (Hit and Run - wie uns Gerhard Schröder damals belehrte) Geheimtruppe hat mit dem "demokratischen Bürger in Uniform" nichts zu tun. Waren sie an den extra legalen Tötungen seitens der Verbündeten beteiligt? Und der Drohnenkrieg? Die Bundeswehr machte doch "nur Aufklärungsflüge" - um die Zielkoordinaten zu liefern.



    Und für wen kämpfen in Zukunft die afghanischen Soldaten, die die Bundeswehr ausgebildet und hochgerüstet hat?

  • Bildunterschrift: "Ende der Luftbrücke: Fallschirmjäger landeten am Donnerstag in Deutschland"

    Im Bild rechts in riesiger Leuchtschrift auf dem Flughafen-Gebäude: "TASHKENT".

    Gesichtspalme, doppelte.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Der Krieg in Afghanistan war ein Fehler. Man kann sich kaum vorstellen, dass die nächste Bundesregierung in einen solchen Krieg ziehen könnte.""



    ==



    1. Warum wird 9/11 als Auslöser nicht benannt? Bedeutet das das der nächste 9/11 Anschlag ohne Konsequenzen bleiben wird?

    2. Was ist Ihnen denn lieber:



    a.. Zustände in Afghanistan bis zum Zeitpunkt des Abzugs - trotzdem es viele Stimmen von Menschen gibt die das auch einschätzen können, das die Ghani Regierung nur noch eine Halbwertzszeit von Monaten gehabt hätte



    b. oder der jetzige Zustand des absoluten Chaos?

    • @06438 (Profil gelöscht):

      1. Warum wurden 38 Millionen Afghanen für die Aktion von ein paar Tausend ausländischen Irren 20 Jahre lang gezwungen, im Krieg zu leben?

      2. Chaos herrscht hauptsächlich dort, wo die NATO noch ist, am Flughafen. Im Rest des Landes ist es für afghanische Verhältnisse recht ruhig.

  • Ein gewisses Interesse an der Bundeswehr jenseits der üblichen Aufregung um Rechtsradikalismus in der Truppe wäre hilfreich. Die Bundeswehr ist ja nun einmal Teil der Gesellschaft und Verfassungsorgan. Schön wäre es auch gewesen, wenn gerade die hiesigen Fortschrittlichen sich in den 20 Jahren Bundeswehr in Afghanistan mal hätten regelmäßig in MeS blicken lassen und sich dort einmal die Arbeit der Soldaten angeschaut hätten. Außer Herrn Nachtwei hat man selten dort jemand gesehen. Und dann wäre es vielleicht aufgefallen, dass der Job, den die Bundeswehr dort getan hat, allein durch ihre Präsenz die lokalen Sicherheitskräfte zu unterstützen und damit den NGO und GO ein gewisses sicheres Umfeld für ihre segensreiche Arbeit zu geben, gar nicht mal so verkehrt gewesen ist. Es hätte neben der Forcierung politischer Reformen durch die Politiker einzig und allein eines längeren militärischen Atems bedurft, um dort die afghanische Zivilgesellschaft zu stärken. Und die wäre in den Camps Marmal oder Bagram relativ billig und sicherzustellen gewesen. Immer im Vergleich zu der Heutigen und sicher kommenden chaotischen Situation in Afghanistan.Der entscheidende Fehler war -auch wenn es nach 20 Jahren etwas merkwürdig klingt - wir sind zu früh abgezogen. Nation Building braucht einen langen geschichtlichen Rahmen. Dazu waren wir nicht bereit, die Folgen werden für uns wesentlich teurer sein, von gesellschaftlichen Verwerfungen hierzulande mal abgesehen. Durch ihr Desinteresse an der Bundeswehr haben leider auch die fortschrittlichen gesellschaftlichen Kräfte dazu beigetragen. Als höherer Offizier kann ich nur sagen, integriert endlich die Bundeswehr in euer Weltbild, das ist nicht so schlimm wie es scheint.

  • Militär:



    notwendiges Übel,



    hat keine Ehre!,

    PS: Warum muss man Militär daheim "begrüßen"? Wenn ich meinen Job mache, bekomme ich auch keine Parade.

  • Mir ist das THW viel lieber als die Bundeswehr.

  • "Bundeswehr war immer pfui für linke und liberale Deutsche"

    Nein, nur für Pazifisten. Es gibt auch Realos unter Linken und Liberalen, denen Stabilität wichtiger ist als Ideologie. Nur weil man auf ihn vorbereitet ist, muss man nicht auch ein Freund von Krieg sein.

    Für die meisten ist die Bundeswehr eine ganz normale Institution. Irgendwer in der Familie war meistens beim Bund, oder auch vielleicht auch bei der NVA. Irgendwer im Freundeskreis ist auch heute beim Bund oder hat einen Vater oder eine Mutter dort. Soldaten und Offiziere sind ganz normale Menschen, die unserem Land einen Dienst leisten. Wenn man sie als Helden stilisiert, dann weil sie sich in eine Gefahrensituation begeben mussten, die nicht ihr Verschulden gewesen ist. Die Regierung hat einfach wie all zu oft gepennt und die Soldaten müssen es ausbaden. Da sollte auch ein pazifistischer Menschenfreund seinen Stolz überwinden können und unseren Soldaten dankbar sein.

    • @LennyZ:

      Auch mein Opa hat sich in ne Gefahrensituation begeben müssen, die nicht sein Verschulden gewesen ist, trotzdem bin ich ihm für seinen Einsatz im WW2 nicht dankbar, erweise ich seinem Soldatenstein keinen Respekt und schenke ihm für seinen Dienst keine Dankbarkeit. Ich bin kein Pazifist und erkenne auch an, dass ein Grossteil der Bundeswehrsoldaten für eine in ihren Augen gute Sache ihr Leben riskierten, nur so bitter es für die Einsatzkräfte ist, ihr Einsatz war letztlich keine gute Sachen, auch wenn sie im individuellen tun so viel gutes Taten wie sie nur vermochten, doch aufgrund der falschen Zielsetzungem der politischen Führung hat ihr Einsatz nichts gutes bewirkt, war er von Anfang an zum scheitern verurteilt. Ihr Leben wurde für eine schlechte Sache riskiert, sie würden, um es hart zu sagen, missbraucht. Für den Missbrauch ihrer sollte man den Soldaten keine Dankbarkeit entgegen bringen, sondern sie darin unterstützen ihrer Wut Gehör zu verschaffen, sollte gemeinsam darin wirken zu verhindern, dass solcher Missbrauch von Menschleben immer fort weitergeht.