Big Data für personalisierten Einkauf: Jeder hat seinen Preis
Onlinehändler bieten verschiedenen Kunden dieselbe Pauschalreise zu unterschiedlichen Preisen an. Und das ist erst der Anfang.
Personalisierte Preise sind eine der Anwendungen, die das massenhafte Erheben und Auswerten von Daten – Big Data – möglich macht. Dabei werden NutzerInnen beispielsweise auf Basis ihrer vergangenen Einkäufe, des genutzten Endgeräts oder vermuteter Interessen unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt oder die gleiche Dienstleistung angeboten. Beispielsweise höhere Preise für einen Nutzer, der eine Flugverbindung mit dem Smartphone sucht, weil die Wahrscheinlichkeit, dass es schnell gehen muss und er nicht lange vergleicht, bei ihm höher ist.
So entdeckte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen 2014, dass Testkunden, die per Tablet in einem Onlineshop bestellten, zum Teil mehr zahlen mussten als Kunden, die das gleiche Produkt zum selben Zeitpunkt über den PC orderten. Das betraf unter anderem Technik, Kleidung und Hygieneartikel.
Die Forscher der Hochschule Niederrhein kommen nun zu einem anderen Ergebnis. Sie legten für ihre Untersuchung drei Nutzerprofile an. Mit einem steuerten sie Preisvergleichsseiten an, um einen preissensiblen Nutzer zu simulieren. Mit dem zweiten Profil klickten sie auf hochpreisige Produkte, mit der Absicht, eine Bereitschaft zum Geldausgeben zu signalisieren. Das dritte Profil bekam keine Datenspuren, die auf Präferenzen hindeuteten. Mit diesen drei Profilen steuerten die Wissenschaftler Produkte aus 20 Webshops an, und zwar mit unterschiedlichen Betriebssystemen, verschiedenen Endgeräten und von wechselnden Standorten.
Das Ergebnis: Ob Walkingstöcke, Tierfutter oder Parfum – die Preise seien nicht unterschiedlich gewesen. Mit einer Ausnahme: der Reisebranche. Für „hochpreisige Pauschalreisen“ arbeiteten die Anbieter mit personalisierten Preisen, die sich etwa nach dem Surfverhalten richteten.
Transparenzproblem beim Datensammeln
Die Forscher glauben, dass personalisierte Preise in anderen Fällen für Händler schlicht nicht attraktiv sind. Denn letztlich komme es nicht darauf an, was der Kunde bereit sei zu zahlen, sondern auf das Angebot der Konkurrenz. Liege das darunter, könne der Händler noch so perfekt personalisierte Preise anbieten – der Kunde würde abwandern. Denn über Preissuchmaschinen sei für Verbraucher sehr schnell sichtbar, welcher Händler welches Produkt zu welchem Preis anbiete.
Doch aktuelle Software löst auch dieses Problem – und bezieht in die Preisbildung auch die Angebote der Konkurrenz mit ein. Zudem ist das von den Forschern untersuchte browserbasierte Einkaufen, nicht die einzige Einkaufsart im Netz – und für das Personalisieren von Preisen womöglich nicht die präferierte. Vorgemacht haben das schon die Rabattkarten.
Mit Apps für das Smartphone lässt sich noch einen Schritt weitergehen: So können schon beim Betreten eines Ladens Rabatte angeboten werden oder – wenn ein Kunde etwa eine Weile unschlüssig vor einem Regal steht oder von einem Produkt den Barcode scannt und es dann doch wieder zurücklegt – produktbezogene Preisnachlässe.
Ein „Transparenzproblem“ sieht Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. „Inwiefern ist der Kunde mit dem Anbieter noch auf Augenhöhe?“ Einer der Vorteile des Onlinehandels, eine höhere Preistransparenz, werde so wieder relativiert. Dazu komme die Problematik des Datensammelns. In einer Umfrage des Link-Instituts gaben 15 Prozent der Befragten an, das Personalisieren von Preisen bereits beim eigenen Einkauf erlebt zu haben.
Derweil beginnt das Modell, auch im stationären Handel Fuß zu fassen: Die Supermarktkette Kaiser’s etwa bietet eine Kundenkarte an, mit der KäuferInnen im Laden Rabattbons ausdrucken können – basierend auf den eingekauften Produkten.
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