piwik no script img

Bienen in BerlinLuftkampf um den Nektar

Von Berlins Wildbienen, denen Millionen Honigbienen in der Stadt den Platz streitig machen, und noch vielen anderen Bienensorgen.

Berliner Bienenschwarm im Gegenlicht Foto: Frank Sorge/imago

Berlin taz | Es gibt rund 2.000 Imker und Imkerinnen in Berlin, jede(r) hält durchschnittlich 6,6 Bienenvölker, insgesamt also 13.200 Völker. Geht man von nur 20.000 Tieren pro Volk aus, macht das bereits 264 Millionen Bienen, die die hier wachsenden Blütenpflanzen aufsuchen, um sie zu bestäuben und ihren Nektar einzusammeln.

Der am Naturkundemuseum arbeitende Entomologe Michael Ohl schreibt in seinem Buch „Stachel und Staat. Eine leidenschaftliche Naturgeschichte von Bienen, Wespen und Ameisen“ (2018), dass es in vielen Städten, unter anderem auch in Berlin, zu viele Honigbienen gibt. Sie nehmen den Wildbienen und Hummeln die wenigen Blütenpflanzen weg, was heißt, dass die Beliebtheit der nützlichen Honigbienen die Artenvielfalt unter den Bienen und Hummeln gefährdet.

Diese Meinung vertritt mit Nachdruck auch der Vorsitzende der entomologischen Gesellschaft Orion Berlin, Jens Esser: „In den Nestern der Wildbienen leben immer nur ein paar Dutzend, und die vielen Honigbienen nehmen ihnen den Nektar in ihren sowieso bereits viel zu kleinen Revieren, den wenigen Brachflächen, weg.“ Beide Insektenforscher sprechen sich ebenso wie der Deutsche Imkerbund für eine Reduzierung der Bienenvölker in Berlin aus.

Folgt man den Nachrichten, dann sind die Honigbienen in der Stadt ebenfalls gefährdet. Anfang Juni teilte das Bezirksamt Neukölln mit, dass es einen „Sperrbezirk für Bienenvölker in Britz“ angeordnet habe, weil an einem Bienenstock im Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg die bakterielle Brutkrankheit „Amerikanische Faulbrut“, auch Bienenpest genannt, festgestellt wurde. „Im Erkrankungsverlauf lösen sich die Larven auf und es bleibt nur eine zähe, braune, schleimige Substanz in den Brutwaben übrig,“ heißt es dazu auf Wikipedia.

Bienenvolk im Sperrbezirk

Im Sperrbezirk müssen die Imker die Standorte sämtlicher Bienenvölker dem Ordnungsamt melden. „Alle Bienenvölker und Bienenstände werden sofort amtstierärztlich untersucht. Bienenstände dürfen nicht bewegt werden, und es dürfen keine Tiere, Waben(teile), Honig, Futtervorräte oder Sonstiges aus den Bienenständen entfernt werden. Ebenfalls dürfen vorerst keine neuen Bienenstände in den Sperrbezirk gebracht werden.“

Dennoch erkrankten Ende des Monats auch am anderen Ende Berlins, in Spandau, Honigbienen an den Faulbrutbakterien.

Daneben tritt auch immer wieder die Varroamilbe auf, in den letzten Jahren setzte sie den Bienenvölkern besonders zu, zumal sie auch noch das Krüppelflügel-RNA-Virus übertrug. 2007 hatte sich die israelische Start-up-Firma Beeologics gegründet, die diese beiden Bienenkrankheiten mithilfe eines „RNA-Interferenzverfahrens“ bekämpfen wollte, aber 2011 wurde die Firma von Monsanto aufgekauft. Der US-Giftkonzern kündigte zwar an, die Beeologics-Arbeit fortzusetzen – aber es blieb bei der Ankündigung, auch als der deutsche Chemiekonzern Bayer 2018 Monsanto aufkaufte.

Stattdessen entwickelte der dann ein Antiparasitikum, das auch gegen die Varroamilbe helfen soll: Flumethrin, das sich auf einem Kunststoffstreifen befindet, den man in das Flugloch des Bienenstocks klebt und den die Bienen aufnehmen, wenn sie ihre Blütenpflanzen anfliegen.

„Flumethrin öffnet die Natriumkanäle der Nervenzellen in Parasiten und führt zu einer Übererregung und schließlich zum Tod“, schreibt Wikipedia. Da der Wirkstoff (mit dem Markennamen „Polyvar“) auch bei Säugetieren eingesetzt wird – gegen Milben, Zecken und Insekten, darf man sich allerdings fragen, ob er nicht ungewollt auch beim Insekt Honigbiene wirkt.

Und wie ist es mit dem Krüppelflügelvirus? Mikrobiologen der University of Texas ist es jetzt laut Deutschlandfunk gelungen, die Abwehrkräfte der Honigbienen zu stärken – „mit gentechnisch veränderten Darmbakterien“. Ihr RNA-Interferenzverfahren soll einzelne Gene ausschalten, um Krüppelflügelviren und Milben zu bekämpfen. „Im Körper von Bienen existiert RNA ausschließlich einsträngig. Viren dagegen speichern ihren Bauplan in doppelsträngiger RNA. Findet das Immunsystem solche doppelsträngige RNA, greift es an.“

Angedockt: Varroamilbe auf Biene Foto: Frank Sorge/imago

Der Bienenforscher an der Freien Universität Randolf Menzel mag dabei jedoch laut MDR noch nicht von einem „Durchbruch im Kampf gegen Varroamilben und Krüppelflügelvirus sprechen.“ Eine Laborstudie reiche dazu nicht. Unklar seien auch noch die finanziellen Kosten.

Robert Paxton vom Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig hält den Ansatz der Texaner höchstens für eine „kurz- bis mittelfristige Lösung“, denn kein Mensch könne vorhersagen, wann die Viren und Milben Resistenzen entwickelten. Paxton und sein Forschungsteam hatten 2014 festgestellt, dass „bestimmte typische Krankheiten von Honigbienen sich auch bei wild lebenden Bienen und Hummeln nachweisen lassen. Das bedeutet, dass eine Ursache für das zunehmende Sterben von Wildbienen in Krankheiten liegen könnte, die von Honigbienen verbreitet werden.“

Die Honigbienen verdrängen also nicht nur die Wildbienen und Hummeln, sondern infizieren sie höchstwahrscheinlich auch noch mit ihren Krankheiten

Die Honigbienen verdrängen also nicht nur die Wildbienen und Hummeln, sondern infizieren sie höchstwahrscheinlich auch noch mit ihren Krankheiten. Wahrscheinlich jedoch nicht mit der Nosemose: „die häufigste Krankheit der erwachsenen Biene,“ wie es auf die-honigmacher.de heißt. Sie tritt vor allem bei allzu langer Winterkälte, wie wir sie jetzt hatten, auf. Allein im Winter 2016/17 starben in Berlin 31 Prozent der Bienenvölker, wobei jedoch die Varroamilbe als „Hauptursache“ angesehen wurde.

Die Nosemose ist eine Durchfallerkrankung (auch „Bienenruhr“ genannt), sie wird von einem Einzeller namens „Nosema apis“ übertragen, den man zu den Pilzen zählt. Neuerdings kommt noch eine asiatische Variante, „Nosema ceranae“, hinzu, die noch gefährlicher ist. „Varroabehandlung und Fütterung können gegebenenfalls helfen. Gelingt eine Heilung nicht, sollte das Volk abgetötet werden.“

Der Bienenforscher Karl von Frisch, der 1973 für die Entdeckung der „Farbwahrnehmung“ und der „Tanzsprache“ bei Bienen den Nobelpreis bekam, wurde 1941 im nationalsozialistischen Deutschland als „Mischling zweiten Grades“, „Vierteljude“, eingestuft und aus seinem Münchner Institut entfernt. Zu der Zeit wütete aber „Nosema apis“ unter deutschen Bienenvölkern, über deren Bekämpfung von Frisch 1927 publiziert hatte. Deswegen setzte man ihn nach „Intervention eines hochrangigen Fürsprechers“ als „Sonderbeauftragten“ ein, wie der Anthropologe Hugh Raffles in seiner „Insektopädie“ (2013) schreibt. Das Ernährungsministerium verschob Frischs „Entfernung aus dem akademischen Milieu ‚bis nach Kriegsende‘.“

Bei dem Fürsprecher handelte es sich um den Veterinär Bernhard Grzimek

Bei dem „Fürsprecher“ handelte es sich um den Veterinär Bernhard Grzimek, der seit 1933 als Unterabteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium arbeitete, wo er für „Eierüberwachung, Schlachtgeflügel und Bienenhaltung“ zuständig war. Grzimek hatte dem Kultusministerium geschrieben, dass von Frischs Bienenforschung extrem wichtig sei, „um die Honigerträge zu erhöhen und die deutsche Ernährung zu verbessern“.

Karl von Frisch wurde daraufhin nicht nur weiterbeschäftigt, man erweiterte auch „die Nosema-Aufgabe um den Forschungsauftrag, Bienen zu veranlassen, um einer Rationalisierung der Bestäubung willen nur ökonomisch wertvolle Pflanzen aufzusuchen. Jahrzehnte zuvor hatte von Frisch bereits mit Duft­orientierung experimentiert – indem er Bienen dressierte, auf einen bestimmten Geruch anzusprechen, bevor er sie freiließ, damit sie die entsprechende Blume aufsuchten –, doch es war ihm nicht gelungen, kommerzielles Interesse dafür zu wecken.“

Das änderte sich mit dem Krieg: „Diesmal, wachgerüttelt durch eine sich abzeichnende Misere, nationale Begeisterung und Neuigkeiten über ein breit angelegtes sowjetisches Forschungsprogramm ähnlichen Zuschnitts, drängte sogar die Reichsfachgruppe Imker auf Unterstützung seiner Arbeit.“

Neue amerikanische und französische Studien legen nahe, dass vor allem mit Pestiziden belastete Honigbienen anfällig für Nosemose werden. Und dann gibt es auch noch das sogenannte „Bienensterben“, bei der die Honigbienen ausfliegen – und nicht zurückkommen. Sie hinterlassen eine Königin, Drohnen, Larven, Eier und mit Honig gefüllte Waben. Das „Bienensterben“ tritt vor allem bei den quasi industriell arbeitenden Großimkern in den USA und in Australien auf, aber auch schon bei Imkern im Obstanbaugebiet Altes Land und in Brandenburg.

In Berlin wirken vorerst zwei Besonderheiten dem „Bienensterben“ entgegen: Es gibt nur viele kleine Imker und es stehen hier viele Straßenbäume, wobei man sich bei der Baumauswahl nach dem Krieg von Karl Förster, Gärtner und Imker aus Potsdam, beraten ließ, der gute Trachtbäume auswählte, deren Blütezeiten unmittelbar aufeinanderfolgen.

Laut Nabu ist der Hauptgrund für das Bienensterben wahrscheinlich der Mensch.

Laut Nabu ist der „Hauptgrund für das Bienensterben wahrscheinlich der Mensch.“ Dabei wirkten mehrere Faktoren zusammen: „Krankheitserreger, die industrielle Landwirtschaft mit ihren Pestizideinsätzen und Monokulturen, das Wegbrechen von Lebensräumen, Luftverschmutzung und Klimawandel.“

Der Anthroposophie-Gründer Rudolf Steiner prophezeite 1923, dass die Bienenzucht in achtzig oder hundert Jahren in eine große Krise geraten werde. „Als Grund dafür sah er vor allem die künstlich gezüchteten Königinnen. Heute findet mit diesen Bienen ein globaler Handel statt: Königinnen aus aller Welt werden per Briefpost verschickt und an neuen Standorten eingesetzt.

Was dabei einzig zählt, ist der Profit,“ schreibt die Naturforscherin Eva Rosenfelder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!