Bibliotheksbesuch, zweiter Anlauf: Ein blödes Geschenk
Beim zweiten Versuch, „Pettersson und Findus“ auszuleihen, bekam ich vom Bibliothekar ein Geschenk überreicht. Ich wollte es keinesfalls haben.
W eil es uns letzte Woche nicht gelungen ist, schleppt mich meine kleine Tochter Hatice wieder in die Stadtbibliothek, um das neueste Abenteuer von Pettersson und Findus auszuleihen. Für diejenigen, die von Kinderliteratur null Ahnung haben, die bestenfalls gerade mal von Pippi Langstrumpf gehört haben, muss ich erwähnen, dass Pettersson genauso wie Pippi Langstrumpf ein Schwede ist.
Aber im Gegensatz zu Pippi ist Pettersson ein ziemlich alter Schwede und lebt mit Findus zusammen irgendwo am Rande eines Dorfes. Er ist also ein alleinerziehender Mann, der aber keine Kinder erzieht, sondern einen extrem frechen Kater.
Ich weiß nicht, mit wem sich meine Tochter in diesen Bilderbüchern identifiziert: Mit dem alten Sack oder dem frechen Kater?
Gerade als wir die Bibliothek verlassen wollen, stellt sich uns ein Mitarbeiter energisch in den Weg: „Mein Herr, dieses schöne Paket ist unser Geschenk für Sie!“
„Habe ich Geburtstag?“, frage ich überrascht.
„Sie haben ein tolles Buch gewonnen“, ruft der Mann laut, damit auch alle anderen Besucher hören können, wie spendabel die Bibliothek ist. „Dieses tolle Buch dürfen Sie jetzt für drei Wochen ausleihen“, fügt er großzügig hinzu.
„Ein Geschenk für drei Wochen? Das ist ja ein tolles Geschenk.“
„Das ist unsere neue Aktion ‚Blind Date mit einem Buch‘. Lassen Sie sich überraschen und entdecken Sie aufregende neue Bücher“, flötet er und deutet zu einem großen Tisch, auf dem hunderte kleine Päckchen aufgetürmt sind.
„Junger Mann, ich leihe doch kein Buch aus, bei dem ich nicht weiß, worum es überhaupt geht“, beschwere ich mich und reiße blitzschnell das Päckchen auf. Als ich sehe, war für ein Buch sie mir andrehen wollen, rufe ich laut: „Nein, das Buch will ich auf keinen Fall haben!“
„Warum wollen Sie das Buch nicht haben? Weil ein türkischer Autor es geschrieben hat? Sind Sie etwa Rassist?“, tut er empört.
„Nein, aber bitte verschonen Sie mich mit diesem Buch.“
„Warum?“
„Weil ich zwei Jahre lang an diesem Ding geschrieben habe. Weil ich danach Woche für Woche die einzelnen Geschichten im Radio und danach bei hundert Lesungen vorgelesen habe. Es hängt mir mittlerweile einfach zum Halse raus. Können Sie mir bitte einen einzigen Grund nennen, warum ich mein eigenes Buch jetzt zum Tausendsten Mal wieder lesen sollte?“
„Ja, kann ich! Weil sich das blöde Buch bisher kein Schwein ausgeliehen hat. Mit dieser Maßnahme wollen wir erreichen, dass solche Ladenhüter auch mal mitgenommen werden“, sagt der Mitarbeiter und grinst.
„Nicht mit mir! Da lese ich doch lieber was von diesem alten, tüddeligen, schwedischen Sack namens Findus.“
„Papa, Findus ist der Kater“, sagt meine Tochter Hatice. „Der alte Sack heißt Pettersson. Es gibt eben Bücher, die musst du wirklich tausend Mal lesen, bevor du sie kapierst.“
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