Bhutans Balanceakt: Zwischen Elefant und Drachen

Das kleine Königreich Bhutan versucht, ein strategisches Gleichgewicht zwischen seinen großen Nachbarn Indien und China zu halten.

Ein Händler aus Bhutan mit chinesischen Produkten

Verkauf von chinesischen Produkten in einem Laden im ostbhutanischen Distrikt Haa Foto: Gilles Sabrie/NYT/redux/laif

MUMBAI taz | Lange hat sich das kleine Königreich Bhutan abgeschottet. Gäste sind im beschaulichen „Land des Drachendonners“ nur in Maßen willkommen. Seit der Pandemie noch ausgewählter und gegen hohe Preise. Die tägliche „Nachhaltigkeitsgebühr“ für den Besuch des Land wurde kürzlich von 65 US-Dollar pro Nacht auf 200 angehoben. Der Grund dafür dürfte in der klammen Staatskasse liegen. Der Tourismus als wichtige Einnahmequelle war zum Erliegen gekommen. Seit Herbst öffnet sich Bhutan wieder.

Doch das Königreich, das 2008 die parlamentarische Demokratie einführte, hat Sorgen: Die weiter angespannte Wirtschaftslage und anhaltenden Gebietsansprüche Chinas auf Bhutans Territorium drücken die Stimmung. Unter anderem geht es um die bhutanische Hochebene Doklam, die zwischen dem chinesischen Chumbi-Tal und dem indischen Bundesstaat Sikkim liegt.

„Doklam ist ein Knotenpunkt zwischen Indien, China und Bhutan. Es liegt nicht an Bhutan, das Problem allein zu lösen. (…) es sind drei gleichberechtigte Länder“, sagte Bhutans Premier Lotay Tshering in einem Interview während seiner Europareise im März.

Diese Äußerungen lösten in Indien Empörung aus. Grund dafür ist das militärische Patt zwischen Indien und China in Doklam vom Sommer 2017. Nachdem China versuchte, dort eine Straße Richtung Bhutan auszubauen, versuchten indische Truppen, das zu stoppen. Bhutan selbst hielt sich zurück.

Indien fürchtet um seinen bisherigen Einfluss in Bhutan

Bisher spielte Indien eine wichtige Rolle für Bhutan, indem es Infrastrukturprojekte unterstützte und die Sicherheit des Landes gegenüber China – nach dessen Annexion Tibets 1951 – verteidigte.

Öffentlich hielt sich Indiens Führung nach dem Interview des Premiers zurück. Am Montag kam König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck zum dreitägigen Staatsbesuch nach Delhi. Dass China ein „gleichberechtigter Akteur“ in der bhutanisch-chinesischen Grenzfrage sei, sei nicht neu, sondern seit 1988 in bhutanischen Dokumenten erwähnt, schreibt der Journalist Tenzing Lamsang.

Sein Arbeitgeber, die Zeitung The Bhutanese, spricht von einer Fehlinterpretation der Aussagen des Premiers über die Grenzgespräche zwischen Bhutan und China. Lamsang bezeichnete die Aufregung in Indien als „großen Sturm im Wasserglas“.

„Ich habe nichts Neues gesagt und es gibt keine Änderung der Position“, bekräftigte Regierungschef Lotay Tshering. Indiens Präsidentin Droupadi Murmu (BJP) betonte diese Woche die Unterstützung für Bhutan als „engen Freund“.

Nach dem Treffen von Premier Narendra Modi (BJP) und König Wangchuck wurde eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der es auch um den Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern geht. Indien hatte sein Budget für Bhutan schon zuvor leicht auf umgerechnet 267 Millionen Euro erhöht.

Bhutan will im Konflikt Indien-China neutral bleiben

Die jüngsten Äußerungen des Premiers zeigen jedoch, dass Bhutan sich nur ungern weiter in den Streit zwischen Indien und China hineinziehen lassen möchte, der mit neuen Ansprüchen Pekings auf Gebiete im indischen Arunachal Pradesh und der Verweigerung der Wiedereinreise zweier indischer Journalisten nach China aufflammt.

Während Peking Thimphu Tauschgeschäfte anbietet – es würde im Gegenzug für Doklam Besitzansprüche an anderer Stelle aufgeben – und auch Entwicklungshilfe in Aussicht stellt, blickt das buddhistische Bhutan nach Westen.

Mit der EU nahm Bhutan 1985 diplomatische Beziehungen auf, mit Deutschland erst im November 2020. In diesem März trafen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Premier Tshering in Berlin. Deutschland gehört zu rund 50 Staaten, mit denen Bhutan Beziehungen unterhält. Es sei ein Besuch, mit dem Geschichte geschrieben worden sei, sagte Scholz.

Mit Österreich pflegt Bhutan bereits seit über zwei Jahrzehnten einen kulturellen Austausch, die Entwicklungszusammenarbeit und nachhaltigen Tourismus. Doch soll die Kooperation jetzt reduziert werden, da Bhutan den Status der am „wenigsten entwickelten Staaten der Welt“ hinter sich lässt.

Bhutan kritisiert Russlands Angriff auf die Ukraine

Bhutan eint mit der EU die klare Ablehnung des russischen Überfalls auf die Ukraine, bei dem sich Indien zurückhaltender zeigt und China Russland den Rücken stärkt. Trotzdem hat sich Bhutan in den vergangenen Jahren an China angenähert. Im Januar fand in China ein Treffen statt, bei dem eine Beschleunigung der Grenzverhandlungen zwischen Bhutan und China vereinbart wurde.

Indien möchte zwar, dass der Streit beigelegt wird, verfolgt die Verhandlungen aber mit Sorge. Indien ist Bhutans militärische Schutzmacht, auch um seinen eigenen „Hühnerhals“ genannten Siliguri-Korridor zu seinen nordöstlichen Staaten, zu denen auch Arunachal Pradesh gehört, nicht dem Rivalen zu überlassen.

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