Territorialkonflikte im Himalaya: China setzt Bhutan unter Druck

Peking hat ein Naturschutzgebiet in Bhutan zum umstrittenen Territorium erklärt. So will China Einfluss auf das Königreich bekommen.

Eine Buddha-Figur in einem Park.

In einem Park in Bhutans Hauptstadt Thiumphu Foto: imago

MUMBAI taz | Der Legende nach leben im Naturschutzgebiet Sakteng im östlichen Himalaya seltene Spezies, darunter die Tibet-Elster, der Rote Panda und sogar Yetis. Doch derzeit macht die Region vor allem politische Schlagzeilen. Bei einem Treffen der Globalen Umweltfazilität (GEF) der Weltbank im Juni blockierte China eine erneute Förderung des Sakteng Wildlife Sanctuary in Bhutan. Pekings Begründung: Das Gebiet sei zwischen beiden Staaten umstritten.

Bhutan lehnte die chinesische Forderung mit Unterstützung von Indien, Bangladesch, Maldiven und Sri Lanka ab. Chinas überraschender Vorstoß sorgte für Verwunderung. Denn bis dato gab es keinen Konflikt um die Region, die China „Südtibet“ nennt und die etwa 10 Prozent der Fläche Bhutans umfasst.

Mit seinem Veto übt China großen Druck auf das kleine Königreich aus, das bisher als enger Verbündeter Indiens gilt und als einziges Nachbarland Chinas keine diplomatischen Beziehungen mit Peking hat.

Seit 1984 streiten Bhutan und sein mächtiger Nachbar über den Grenzverlauf im Norden und Westen des Königreichs. Auf die Grenzziehung hatten sich Peking und Thimphu in bisher 24 Gesprächsrunden nicht einigen können.

Region asiatischer Großmachtrivalität

Bhutan hat 750.000 Einwohner und ist so groß wie die Schweiz. Es liegt zwischen China beziehungsweise Tibet im Norden und Indien im Süden und leidet unter den Spannungen zwischen den beiden rivalisieren Nachbarn.

Bhutans Regierung hat den Grenzstreit bisher nicht öffentlich thematisiert, und staatliche wie private Medien des Königreiches trauen sich bisher nicht an das Thema heran.

Anders ist es in Indien, wo das von Peking neu beanspruchte Gebiet an den Bundesstaat Arunachal Pradesh grenzt. Um diesen streiten sich China und Indien schon länger. Doch weil auch Bhutans Verhältnis zu Indien nicht spannungsfrei ist, werden indische Berichte dort teilweise als Fake News diskreditiert.

Gegenüber der indischen Hindustan Times mahnte Chinas Außenministerium, dass die chinesisch-bhutanesische Grenze nie endgültig festgelegt worden sei. Demnach gebe es Streit über deren westliche, mittlere und östliche Teile. Doch „eine dritte Partei“, gemeint ist Indien, solle dabei „nicht mit dem Finger auf andere zeigen“. Auch Indien und China ringen in mehreren Regionen um den Verlauf ihrer Grenze.

Chinas Druck auf Bhutan soll Indien Einfluss reduzieren

Der China-Experte M. Taylor Fravel vom Massachusetts Institute of Technology in den USA sieht Pekings Verhalten als Strategie, einen Keil zwischen Indien und Bhutan zu treiben. „China glaubt, dass Indien Bhutan in den 1990erJahren daran gehindert hat, ein Grenzabkommen mit ihm zu unterschreiben. Indem Peking Druck auf Bhutan ausübt, könnte es hoffen, dass Bhutan das Abkommen mit China über die Einwände Indiens hinaus weiterverfolgt“, sagte er der taz.

Auf chinesischen Karten einschließlich derer aus der Zeit des indisch-chinesischen Grenzkrieges von 1962, bei dem es auch um Arunachal Pradesh ging, ist das Naturschutzgebiet Sakteng innerhalb Bhutans verzeichnet gewesen, so Fravel. Erst seit Kurzem gäbe es chinesische Karten, die Ostbhutan der Volksrepublik zuschlagen.

„Dieser Landanspruch ist definitiv eine neue Wende. China hat mitgeteilt, dass es seine Grenze weiter nach Süden ausdehnen will, was weder für Bhutan noch für Indien gut ist“, sagt Medha Bisht, die Professorin an der South Asian University in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi ist.

Bis in die 1960er Jahre war Bhutan von der Außenwelt abgeschnitten. Der bis 2008 absolutistisch regierende König pflegte kaum außenpolitische Kontakte, aber stets enge Beziehungen zu Indien. Der 2006 regiererende junge König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck versucht das Land vorsichtig zu modernisieren.

Neben der 699 Kilometer langen Grenze verbinden beide Staaten wirtschaftliche Interessen. So fördert Indien Wasserkraftprojekte in Bhutan, das sich langsam öffnet und demokratisiert. Dafür bekommt Indien Zugang zu sauberer Elektrizität. Beide sehen Chinas Expansionspolitik mit Argwohn. Das buddhistisch geprägte Bhutan dürfte auch Chinas Annexion Tibets in den 1950er Jahren nicht vergessen haben.

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