Bezirkswahlen in Hamburg: Grüner Höhenflug vor dem Ende?
In Hamburg finden am Sonntag neben der Europa- auch die Bezirkswahlen statt. Ob die Grünen ihren Wahlsieg von 2019 verteidigen können, ist fraglich.
Alle fünf Jahre und parallel zur EU-Wahl werden in Hamburg die sieben Bezirksversammlungen gewählt. Die sind zwar, wie Stadt- und Gemeinderäte in anderen Bundesländern, politische Parlamente, ihre Kompetenz ist allerdings beschränkt.
Die Bezirke werden im Hamburg von Bezirksämtern verwaltet, die Versammlungen haben den Charakter eines Verwaltungsausschusses, der die Bezirksämter kontrolliert. Auf lokalpolitische Debatten haben sie dennoch maßgeblichen Einfluss – und die Versammlungen sind es auch, die die Spitzen der Bezirksämter wählen.
Bei der letzten Wahl im Mai 2019 – die Klimabewegung um Fridays for Future war gerade auf dem Höhepunkt der Mobilisierung – hatten die Grünen in allen Bezirken haushohe Gewinne zu verzeichnen, ließen mit 31,3 Prozent auf Hamburg insgesamt bezogen die zuvor dominierende SPD um mehr als sieben Prozentpunkte hinter sich.
Chaos nach dem Wahlsieg
Der Erdrutschsieg bekam den Grünen anfangs allerdings nicht durchgehend gut: Zwar gelang es in den Bezirken Altona und Nord mit Stefanie von Berg und Michael Werner-Boelz erstmals in Hamburg zwei Grüne zu BezirksamtsleiterInnen zu machen. Im Bezirk Eimsbüttel scheiterte der Versuch hingegen dramatisch.
Nach der Wahl entschlossen sich die dortigen Grünen für ein Ende der Koalition mit der SPD und schmiedeten stattdessen ein Bündnis mit der CDU, um den amtierenden Bezirksamtschef Kay Gätgens (SPD) abzuwählen und durch die Grüne Katja Husen zu ersetzen. Das misslang kläglich: Husen erhielt in zwei Versuchen nur 25 statt der benötigten 26 Stimmen, obwohl Grüne und CDU über 28 Stimmen verfügten. Wer die drei Abweichler:innen waren, blieb angesichts der geheimen Wahl offen.
Ein noch desaströseres Bild gaben die Grünen nach der Wahl im Bezirk Mitte ab: Auch dort konnten sie sich bei der Bezirkswahl massiv verbessern, landeten sogar vor der SPD und zogen mit 16 Mandaten ins Kommunalparlament ein. Doch die 16-köpfige Fraktion zerlegte sich kaum einen Monat nach der Wahl.
Sechs Abgeordnete verließen kurzerhand die Fraktion, weil der Landesverband zweien von ihnen Extremismus vorgeworfen hatte. Der eine soll sich islamistisch geäußert haben, der andere Spenden gesammelt haben für eine Organisation, die dem IS nahesteht.
Erste Wahl nach der Spaltung
Ob die Vorwürfe stichhaltig waren, blieb letztlich offen: Die Sechs gründeten erst eine eigene Fraktion und schlossen sich dann der SPD an – die geplante Koalition von SPD und Grünen war dahin, stattdessen schmiedete die SPD ein Bündnis mit CDU und FDP.
Daraus wollen die Grünen gelernt haben. „Wir haben sehr hart daran gearbeitet, Fehler zu analysieren und unsere Mitglieder, die zur Wahl stehen, besser vorzubereiten“, sagt die Landesvorsitzende Blumenthal. Ob das allerdings reicht, um wieder stärkste Kraft zu werden, ist fraglich: Die Stimmung auf Landes-, Bundes- oder Europaebene spielt bei Kommunalwahlen üblicherweise eine große Rolle.
Während die Grünen vor der vergangenen Wahl in Umfragen hamburgweit bei 29 Prozent lagen, sind sie zuletzt auf 21 Prozent abgerutscht. Und auch auf Bundesebene sind die Grünen im Umfragen im Vergleich zum Frühjahr 2019 leicht abgesackt. Hoffnungen macht sich vor allem die SPD im Bezirk Altona, nach der Wahl wieder den Posten des Bezirksamtschefs in Altona zu besetzen – und die Grüne Stefanie von Berg abzuwählen.
Auch für die Hamburger Linke könnte es angesichts schlechter Umfragen auf Bundesebene schwierig werden. Am Sonntag finden schließlich die ersten Wahlen seit der Abspaltung des Wagenknecht-Lagers statt und auch wenn die Linke in Hamburg im Vergleich zu anderen Ländern eine stabile Wähler:innenbasis hat, könnte es in den meisten Bezirken zu Verlusten kommen.
„Dass wir aber abstürzen, sehe ich nicht“, sagt Landessprecher Thomas Iwan. „Im Straßenwahlkampf bekommen wir viel mehr positives Feedback, als die Europawahl-Umfragen erahnen lassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“