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Bewerberfrist für Versuch endetMillionen wollen Grundeinkommen

Das wissenschaftliche Pilotprojekt nimmt ab Mittwoch keine Interessenten mehr auf. Bis jetzt gab es viel mehr Bewerber:innen als erwartet.

Pilotprojekt Grundeinkommen: 1.200 Euro monatlich sollen 122 Bürger*innen über drei Jahre erhalten Foto: Jens Schicke/imago

Berlin taz | Über zwei Millionen Menschen haben sich für die Teilnahme am Pilotprojekt Grundeinkommen beworben. Am Dienstagabend endete die Bewerbungsfrist. Im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchung werden 122 ausgewählte Bürger:innen jeweils 1.200 Euro monatlich über drei Jahre erhalten.

Die Organisator:innen um Aktivist Michael Bohmeyer und Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wollen unter anderem herausfinden, wie das Grundeinkommen das Arbeitsverhalten der Teilnehmer:innen verändert.

Finanziert wird das Pilotprojekt von rund 150.000 Unterstützer:innen, die die nötigen Mittel spenden. Die Teilnehmer:innen erhalten über drei Jahre insgesamt jeweils 43.200 Euro als steuerfreie Schenkung. Bedingungen sind daran nicht geknüpft – außer der Mitwirkung an der wissenschaftlichen Forschung.

Aus den über zwei Millionen Bewerber:innen wird im nächsten Schritt eine Stichprobe mit 20.000 Leuten ausgewählt, die an einer Basisbefragung teilnehmen. Die erste Überweisung sollen die Proband:innen im April oder Mai 2021 erhalten.

Bereits nach 3 Tagen eine Million Bewerber:innen

Bereits nach 3 Tagen war die von den Forscher:innen festgelegte Mindestzahl von eine Million Bewerber:innen erreicht. Die Forscher:innen reagierten „überwältigt“. Am Dienstagnachmittag lag die Zahl bei fast 2.085.000. Das Interesse an der Untersuchung ist auch deshalb so groß, weil wegen der Coronakrise viele derzeit weniger oder gar nichts verdienen.

Um die sozialen Folgen abzufedern, hat die Regierung den Zugang zu Hartz IV vereinfacht und Sanktionen ausgesetzt. Das Pilotprojekt ist aber auch eine Reaktion auf ebendieses Sozialsystem. Seit die rot-grüne Bundesregierung Hartz IV in den 2000er Jahren einführte, wird über die Alternative des bedingungslosen Grundeinkommens diskutiert – theoretisch. Die Forscher:innen wollen herausfinden, wie ein Grundeinkommen praktisch wirkt.

Ist es in einem reichen Land wie Deutschland möglich und sinnvoll, allen Bürger:innen eine gleiche soziale Absicherung zuzugestehen? Wie verhalten sich Wohlhabende, die das Geld gar nicht brauchen? Hören viele auf zu arbeiten, weil sie die Mittel zum Lebensunterhalt geschenkt bekommen? Würde das System damit zu teuer?

Ohnehin könnte sich am Hartz-System in den kommenden Jahren einiges ändern. Die Grünen gehen mit der Forderung nach einer im Wesentlichen sanktionsfreien Garantiesicherung für alle ins Rennen um die nächste Bundesregierung. Und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat kürzlich angedeutet, Hartz IV zu „einer solidarischen Absicherung“ aller weiterentwickeln zu wollen.

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10 Kommentare

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  • Übrigens läuft seit Ende September eine Europäische Bürgerinitiative fürs BGE, online lässt sich die hier unterzeichnen: www.ebi-grundeinkommen.de/

  • Wie wäre es mit einem minimal bedingten Grundeinkommen:



    Auskömmliche H-IV Sätze



    Sanktionsfrei



    Etwas höheres Schonvermögen.

    Geht einfach und schnell mit ähnlicher Wirkung. Da braucht es keine prinzipielle Umstellung.

  • Jeden Monat bewerben sich Millionen um die Sofortrente der Glücksspirale. Und zahlen sogar dafür!

  • 2.000.000 Bewerber vs. 150.000 Unterstützer. Nehmen ist eben seeliger denn nehmen, und fordern einfacher als geben.

  • Ich habe mich auch für das Grundeinkommen beworben. Im Falle eines Zuschlages würde ich das Geld eins zu eins in ETFs invetieren. Ungeachtet dessen bin ich gegen ein staatlich subvebtioniertes Grundeinkommen.

    Allein wegen der Anzahl der Bewerber kann daher kein Rückschluss auf eine mögliche Unterstützung geschlossen werden.

    • @DiMa:

      Da werden Einkommensschwache in unserer Gesellschaft sozial geächtet und benachteiligt, und gleichzeitig versucht jemand wie sie, der es offensichtlich nicht so nötig hat und die Idee generell ablehnt, sich die Kohle unter dem Nagel zu reißen um damit zu spekulieren. Das nenne ich mal gelebte Solidarität.

    • @DiMa:

      Nein, die Unterstützung ergibt sich z.B. aus der Zahl der Unterstützer, dieses ist 1:13.

    • @DiMa:

      Stimmt schon.



      Aber wenn Sie dagegen sind, sollten Sie eigentlich nicht an einem wissenschaftlichen Projekt teilnehmen, welches versucht herauszufinden, was das Grundeinkommen bewirkt. Ihre Studienergebnisse können aufgrund Ihrer Voreingenommenheit in Zweifel gezogen werden.

      Gleiches gilt im Übrigen auch für glühende Verfechter der Idee. ;)

      • @Fabian Wetzel:

        Auch wenn man gegen ein solche Projekt ist, sollte man daran teilnehmen, da auch dies wissenschaftlicher Erkenntnisse bieten kann.

        Es dürfte wenige Bewerber mit einem Jahreseinkommen von mehr als 120.000 EUR p.a. geben, daher sind die Erkenntnisse gerade auch in dieser Gruppe wichtig.

        Und die Entscheidung, was ich mit dem Geld machen würde, habe ich in meiner Bewerbung explizit mit angegeben (wie gesagt, weiterer Vermögensaufbau). Und mein Arbeitsverhalten würde sich angesichts des kurzen Bezugszeitraumes dadurch auch nicht ändern.

        • 0G
          02881 (Profil gelöscht)
          @DiMa:

          Ich kann Ihnen auch meine Bankverbindung zukommen lassen. Da halte ich das Geld für besser angelegt...