Bewegungstermine in Berlin: Der Wohnungskampf ist antifaschistisch
Das Mietenthema ist ein Alleinstellungsmermal linker Politik. Ausnahmsweise macht Die Linke alles richtig, wenn sie das Thema in den Fokus stellt.
S ie bekommt ja sehr selten Lob ab, die Linkspartei, auch nicht in dieser Kolumne, wo es schließlich um außerparlamentarische Politik und nicht um Parteien gehen soll. Aber man muss Ehre zollen, wem Ehre gebührt: Die Linkspartei macht gerade einen überraschend überzeugenden Wahlkampf, in dem sie das Mietenthema in den Fokus rückt. Mit einer „Mietwucherapp“ deckt die Partei Wuchermieten auf und hilft, gegen diese vorzugehen, sie will Leerstand in der Stadt markieren und mit einer „Heizkostenaktion“ massenhaft Widerspruch gegen fehlerhafte Nebenkostenabrechnungen eingelegen.
Plötzlich scheint diese Partei, die in der Vergangenheit oft Phrasen gedrescht hat, auf konkrete Aktionen zu setzen, darauf, durch greifbare Taten und konkrete Unterstützungsangebote für die eigene Sache zu propagieren. Einige Kandidat:innen haben auch eine freiwillige Kappung ihrer Gehälter angekündigt, die Partei setzt auf einen Haustürwahlkampf, der von vielen jungen Aktivist:innen getragen wird. In Zeiten, in denen viele bei Wahlkampfgequatsche nur noch wütend werden, kann diese KPÖisierung der Linkspartei nur guttun – auch wenn fraglich ist, ob sich der neue Kurs bereits in dieser Wahl in besseren Wahlergebnissen zeigt.
Aber auch inhaltlich ist der Fokus auf die Wohnungsfrage richtig. Denn um das Mietenthema war es zuletzt ruhig geworden. Das liegt aber nicht daran, dass sich die Dramatik der Situation abgekühlt hätte – Verdrängung, Gentrifizierung und die Verwertung des Wohnraums gehen munter weiter. Aber im Wohnungskampf hat sich etwas eingestellt, was man als Resignation bezeichnen könnte.
Der Mietendeckel, die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne, sogar das bezirkliche Vorkaufsrecht: alle linken Politikantworten in der Mietenfrage sind mehr oder weniger gescheitert – aber nicht, weil diese Instrumente nicht funktionieren würden, sondern weil sie von Politiker:innen, die die Interessen der Eigentümerseite vertreten, weggeklagt, verschleppt, und liegengelassen wurden. Übrig bleibt ein ratloses Weiterlaufenlassen, das nur als gigantisches Staatsversagen bezeichnet werden kann.
Alleinstellungsmerkmal linker Politik
Im gewissen Sinne ist das Stillwerden um die Wohnungsfrage auch Resultat des Rechtsrucks. Jetzt, wo man in Deutschland wieder besessen davon ist, zu diskutieren, wie man sich am Besten bestimmter Menschengruppen entledigen könnte, wird generell weniger über Verteilungskämpfe gesprochen – auch auf dem Wohnungsmarkt. Der Rassismus – obwohl als soziales Problem komplexer als das – hat schon immer diese wichtige Funktion erfüllt: Die Ausgebeuteten zu spalten, um Herrschaft zu erhalten.
Es gibt auch in der Wohnungsfrage immer wieder Versuche von rechts, die Problematik zu rassifizieren. Gesagt wird dann etwa, dass ja die Geflüchteten Schuld an den hohen Mieten seien. So richtig gegriffen hat das aber nie. Das Mietenthema bürgt für die Rechten nämlich das Problem, dass es viel zu konkret ist. Jede:r weiß, dass es nicht die armen Geflüchtetenfamilien sind, die eine:n aus der Wohnung klagen. In einem Feld, in dem die Profiteure so klar erkennbar sind, hat es die rechte Sündenbockpolitik schwer.
Gerade im Wohnungskampf heißt es deshalb: Jetzt erst Recht! Denn das Mietenthema ist ein Alleinstellungsmerkmal linker Politik, ein wichtiges Terrain, auf dem die diffusen Schuldzuweisungen rechter Propaganda nicht greifen – und eine Politik der realen Veränderung wieder möglich wird. Längst nicht nur für die Linkspartei, sondern für die gesamte Mietenbewegung gilt deshalb: Weitermachen – denn der Wohnungskampf ist antifaschistisch.
Rollbergkiez united
Am Donnerstag (30. 1.) gehen Mieter:innen aus dem Neuköllner Rollbergkiez auf die Straße. Denn hier besitzt die landeseigene Immobiliengesellschaft Stadt und Land laut Geschäftsbericht 2023 über 2.200 Wohneinheiten. Wie auch in anderen landeseigenen Wohnungskonzernen wurden hier die Mieten zum Jahresbeginn vielfach erhöht. Im Herbst 2023 hatten SPD und CDU entschieden, dass die Mieten in den Landeseigenen wieder steigen dürfen. Die Mieter:innen treffen sich deshalb ab 16 Uhr vor dem Büro der Stadt und Land in der Werbellinstraße 12, um laut und deutlich zu machen: Gegen die Mieterhöhungen wird gemeinsam gekämpft.
Ein weiterer Trick der Immobilienkonzerne ist es, falsche Nebenkostenabrechnungen rauszuschicken. Denn um keinen Ärger zu bekommen, zahlen die meisten Mieter:innen einfach. Die Linkspartei hat deshalb dazu aufgerufen, Heizkostenabrechnungen in einer eigens dafür gemachten App hochzuladen – wo sie dann von der Partei geprüft werden. Nach Parteiangaben seien dabei 20 Prozent aller Abrechnungen fehlerhaft gewesen. In einem solchen Fall steht Betroffenen laut der Partei eine 15-prozentige Rückerstattung ihrer jährlichen Heiz- und Warmwasserkosten zu.
Im Wohnblock um die Karl-Marx-Allee in Berlin-Mitte glaubt die Partei nun, einen möglichen systematischen Betrug gefunden zu haben. 300 falsche Abrechnungen habe man bereits gefunden, heißt es aus der Partei. Die Linkspartei lädt deshalb am Freitag, den 31. Januar, zu einer Mieter:innenversammlung für alle Anwohnende, die ab 19 Uhr im BVV-Saal im Rathaus Mitte in der Karl-Marx-Allee 31 stattfindet. Dort soll gemeinsam Widerspruch gegen die Abrechnungen eingelegt werden, um so möglicherweise Geld zurück zu bekommen.
Verdrängung hat fast schon Tradition
Die lange Geschichte von Verdrängung in Berlin und den widerständigen Kämpfen erzählt dagegen die Ausstellung „Wohnst du noch?“, die ab Freitag, den 31. Januar, in der Fotogalerie Friedrichshain (Helsingforser Platz 1) zu sehen ist. Bereits am Donnerstag (30. 1.). findet eine Vernissage zur Eröffnung statt. Die Ausstellung ging aus einer Projektklasse der Fotojournalistin Ann-Christine Jansson hervor. Auf der Vernissage sprechen wird neben Jansson auch der Baustadtrat Florian Schmidt, der einiges an Erfahrung mit Kämpfen gegen Gentrifizierung besitzt.
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Auch in Lichtenberg wird derweil gegen Verdrängung mobilisiert. Am Samstag (1. 2.) findet ab 16:30 Uhr in der Magdalenenstraße 19 ein Laternenumzug gegen Verdrängung & Mietenwahnsinn statt, der vom örtlichen Kiezteam von Deutsche Wohnen & Co. enteignen organisiert wird. Gemeinsam sollen Vergesellschaftungs-Laternen durch den Kaskelkiez geschwungen werden, um an den gewonnenen Volksentscheid zu erinnern – der seitdem von der CDU-geführten Regierung blockiert wird. Doch mit dem Vergesellschaftgunsgesetz, dass die Initiative derzeit nun einfach selbst ausarbeitet, hat die Bewegung noch ein Ass im Ärmel.
Dass Gentrifizierung und Verdrängung auch über Stigmatisierung und Rassismus funktioniert, wissen derweil die Anwohnenden des Görlitzer Parks. Als „No-Go-Area“ wird der Görli von rechten Politiker:innen gerne bezeichnet, um eine Law-and-Order- und Zaunpolitik zu legitimieren, die letztlich auch der Verdrängung der weniger zahlungskräften Anwohnenden dienen wird. Beim monatlichen Kiezrundgang lässt sich derweil tatsächlich über vorhandende Probleme und mögliche Lösungen diskutieren. Los geht es am Sonntag (2. 2.) um 18 Uhr im Görli.
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