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Bewegungstermine in BerlinDie Trauer wird zur Wut

Patriarchale Gewalt und der Rechtsruck bedingen sich gegenseitig. Am Mittwoch gibt es Protest gegen Femizide, am Freitag gegen ein Nazikonzert.

Eine Demo am Mittwoch will patriarchale Gewalt sichtbar machen Foto: IMAGO / Paul-Philipp Braun

E s ist der 31. Oktober in Berlin-Marzahn. Der Berliner Staatsanwaltschaft und Polizei zufolge tötet ein 42-jähriger Mann seine 31-jährige Lebensgefährtin und ihre beiden gemeinsamen Töchter, fünf und sechs Jahre alt. Nach Angaben der Polizei flüchtet der Mann zunächst, wird später jedoch in Baden-Württemberg festgenommen.

Knapp drei Wochen zuvor, am 13. Oktober, soll in Köpenick ein 32-Jähriger seine 37-jährige Lebensgefährtin getötet haben, in dem er mit einer Eisenstange auf ihren Kopf und Körper schlug. Die mutmaßliche Tat hat sich laut Polizeimeldung auf dem Gelände eines Güterbahnhofs ereignet, anschließend soll der Mann ihren Körper noch vor Ort vergraben haben. Der Mann wird in Rumänien von der Polizei gefasst. Täter und Opfer waren beide wohnungslos und lebten in der Nähe des Tatorts.

Bereits am 30. August war in Friedrichsfelde eine 28-jährige Frau von ihrem 45-jährigen Ex-Lebensgefährten mit einem Messer verletzt worden. Die Rettungskräfte reanimierten die Frau noch im Hausflur und brachten sie in ein Krankenhaus, wo sie kurz darauf starb. Erst wenige Tage vor diesem Fall war in Zehlendorf eine 36-jährige Mutter von ihrem 50-jährigen Ex-Mann getötet worden. Beide Männer wurden festgenommen.

Verharmlosung als „Familiendrama“

All diese Fälle haben eines gemeinsam: Die Täter sind Männer, die unter dem Verdacht stehen, Frauen getötet zu haben, weil sie Frauen sind. Und solche Taten sind kein isoliertes Phänomen: Weltweit werden Frauen von Männern in der Rolle als (Ex-)Partnerin oder Tochter getötet. Man nennt es Femizid – die Tötung von Frauen, weil Männer versuchen, sie zu kontrollieren, zu bestrafen oder zu vernichten. Häufig werden Femizide jedoch unsichtbar gemacht, indem sie beispielsweise als „Familiendrama“ verharmlost werden.

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Die oben genannten Fälle sind dabei nur ein kleiner, lediglich nach dem Ort der Tat ausgewählter Ausschnitt des Instagram-Projekts „Femizide stoppen“, das sich der Sichtbarmachung von Femiziden verschrieben hat. Die Ac­count­be­trei­be­r:in­nen, die selbst eine Freundin durch einen Femizid verloren haben, sammeln Polizeimeldungen und Lokalzeitungsberichte, die einen Femizid vermuten lassen – und machen die Dimensionen geschlechtsspezifischer Gewalt so sichtbar. 99 Fälle von Femiziden sind dabei für das laufende Jahr bereits zusammengekommen.

Und auch das bildet nur einen Bruchteil der patriarchalen Gewalt ab. 2023 wurden dem Bundeskriminalamt zufolge 360 Frauen und Mädchen in Deutschland getötet, über 900 versuchte und vollendete Tötungsdelikte gab es demnach insgesamt. Die Dunkelziffer wird als hoch eingeschätzt. Jeden Tag ereignet sich damit rechnerisch mindestens ein Femizid.

Die Trauer wird zur Wut

Während SPD und CDU scheinbar denken, es sei in dieser Situation cool und normal, ausgerechnet Projekte der Gewaltprävention und Opferhilfe um fast 40 Prozent zusammenzustreichen, muss deshalb schon bald mit dem hunderten Eintrag einer als Frau getöteten Frau gerechnet werden. In zahlreichen Städten finden deshalb ab dem 18. Dezember Aktionen und Demos statt. In Berlin rufen am Mittwoch feministische und antifaschistische Initiativen dazu auf, mit Blumen, Kerzen und Schildern um die ermordeten Frauen zu trauern. Anschließend soll die Trauer in einer kämpferischen Demo in Wut kanalisiert werden (Kundgebung: Mittwoch, 18.12., Rondell vor dem Bethanien, Mariannenplatz, Kreuzberg, 19.30 Uhr; Demo: 20.30 Uhr).

Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die patriarchale Gewalt in diesen Zeiten zunimmt, in denen auch die faschistische Bewegung immer mehr Aufwind erfahren. Denn wie die patriarchale Gewalt basiert Faschismus auf einer Ideologie der Kontrolle, Unterdrückung und Hierarchisierung.

Es gibt keinen Faschismus ohne die Vorstellung von Männern als die kleinen Führer in der patriarchalen Familie, der „Keimzelle“ des Staates, in der diese handeln können, wie sie wollen. Der Faschismus ist eine reaktionäre Gegenbewegung zum Feminismus, die konservative Rollenbilder propagiert, die mit Gewalt durchgesetzt werden.

Und die faschistische Gewalt nimmt zu, was insbesondere queere, migrantisierte und antifaschistische Menschen nur zu gut wissen. Erst am vergangenen Wochenende, als ein Haufen dieser wiederaufkeimenden Glatzköpfe im Nineties-Look durch Friedrichshain gelaufen ist, haben mutmaßliche Faschos SPD-Wahlkämpfer:innen ins Krankenhaus getreten. Den Ermittlungen zufolge waren die Nazis auf dem Weg zur Demo der rechtsextremen Gruppe „Aktionsbündnis Berlin“ in Friedrichshain.

Gegen den Soundtrack der Jungfaschos

Den Soundtrack für die neuen Gruppen junger Fa­schis­t:in­nen liefert zum Beispiel der rechtsextreme Rapper „Kavalier“. Der wurde nun vom Altherrenverein NPD (inzwischen: „Heimat“) eingeladen, weil man dort gern mehr Anschluss an die Jugend finden würde. Diesem Nazikonzert in der NPD-Parteizentrale in Köpenick stellen Antifas eine Demo am Freitag (20.12.) entgegen, die zur Zentrale führen wird. Los geht es um 18.30 Uhr am Mandrellaplatz. Es gibt auch eine gemeinsame Anreise vom Ostkreuz (18 Uhr, Gleis 3).

Eine Möglichkeit, sich mit denen zu solidarisieren, die dieser faschistischen Gewalt etwas entgegensetzen, bietet derweil eine Soliparty im About Blank für Nanuk, Hanna, Maja und alle anderen inhaftierten Antifas. Geboten wird facettenreicher House und blankiger Techno, Oi-Punk und viel Solidarität (Samstag, 21.12, Markgrafendamm 24c, 22 Uhr).

Und übrigens: Auch am Weihnachtsabend muss kein Mensch alleine sein. Alle, die nicht wissen, wohin, können ins Zielona Góra kommen. Dort gibt es ab 19 Uhr eine kleine Volksküche und anschließend wird ein Film gezeigt. Zusammen ist man schließlich weniger allein (Dienstag, 24.12., Grünberger Str. 73, 19 Uhr).

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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