Bewegungstermine in Berlin: Wider die Entmenschlichung

Die Welt verroht, die Gesellschaft militarisiert sich. Und die Linke? Zerfleischt sich selbst. Üble Zeiten, aber es gibt auch Hoffnungsschimmer.

Demoschild in Form eines Grabsteines, auf dem steht "Ich war kriegstüchtig". Daneben ein Demonstrant mit Totenkopfmaske. Anti-Siko-Demo am Stachus, München, 17. Februar a2024

Fürs Vaterland zu sterben war historisch meist eine Scheißidee Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Es ist ein Symbolbild für den Zustand der Welt, wie Putin die mutmaßlichen Attentäter des Moskauer Terroranschlags am Sonntag vor Gericht präsentierte: Vollkommen derangiert, misshandelt, entmenschlicht. Einer konnte nicht mehr laufen, dem anderen fehlte ein Ohr. Es soll Videos davon geben, wie Folterknechte den Angeklagten sein eigenes abgeschnittenes Ohr in den Mund stecken, damit er es isst. Auch Videos sexualisierter Folter soll es geben.

Es ist nicht neu, dass Staaten foltern. George W. Bush hatte seinerzeit breitmütig zugegeben, Waterboarding zu betreiben. Olaf „Brechmittel“ Scholz hat da ebenfalls Leichen im Keller. Neu ist, dass das Putin-Regime dies als PR-Coup tut, sich mit der Gewalt brüstet, sie als Propaganda einsetzt. Die Nachricht: Russland weiß im Gegensatz zum verweichlichten Westen, wie man mit Terroristen umzugehen hat, und es schämt sich nicht. Das Rezept, das Putin gegen die menschenverachtende und blinde Gewalt des islamistischen Terrorismus präsentiert, es ist die Zelebrierung vom Ende der Menschenrechte.

Doch Entmenschlichung wird nicht nur in Russland normalisiert. Israels Regierung hungert, ausgestattet auch mit deutschen Waffen, die Bevölkerung des Gazastreifens aus. Zwei Millionen Menschen wurden vertrieben, Krankenhäuser, Schulen, Moscheen, Universitäten, Bibliotheken zerbombt. Und Deutschland? Hält seine Linie der bedingungslosen Unterstützung aufrecht – und spielt sich gleichzeitig mit ein paar Luftpaketen als humanitärer Retter auf. Eine zynische Inszenierung, bei der man sich fragt, wer sie diesem Land noch abnehmen soll.

Traditionell ist um Ostern die Zeit der Friedensmärsche, die sich auch gegen solche Heuchelei stellen. Nur leider sind auch Teile der politischen Linken selbst der autoritären Versuchung zum Opfer gefallen. Viele jubeln vom sicheren Seitenrand des heimischen Schreibtisches einer Seite auf den Schlachtfeldern der Welt zu. Linkskonservative preisen Putin, kommunistische Anti-Imps die Huthi-Rebellen oder gleich die Hamas – und Anti-Ds und die „Free the Leopards“-Grünen feiern die israelische Armee, während diese eine Stadt nach der anderem den Erdboden gleichmacht.

Gegen die Kriegslogik der Herrschaft

Einige Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Anarchistische Kreise erweisen sich etwa wegen ihrer ausgeprägten Herrschaftsallgergie als einigermaßen widerstandsfähig gegen die Versuchung, in einer autoritären Welt selbst in autoritäre Denkmuster zu verfallen. Vielleicht liegt hierin der Schlüssel, in unmenschlichen Zeiten nicht die eigene Menschlichkeit zu verlieren: Sich dagegen zu wehren, in der Logik der Herrschaft zu denken.

Am Donnerstag (28. 3., 19 Uhr) findet in der anarchistischen Bibliothek Kalabal!k (Reichenbergerstr. 63a) eine Diskussion über die Broschüre „Gegen jeden Krieg! Antipatriarchal & Antimilitaristisch das patriarchale Kommando entmachten! Herrschaft zersetzen & entwaffnen!“ statt, die in Berlin etwa in der Buchhandlung Schwarze Risse erhältlich ist. Diskutiert werden soll auf Basis der Broschüre (die vorher zu lesen sinnvoll, aber keine Voraussetzung ist), wie es gelingen kann, sich in Kriegszeiten eben nicht auf eine Seite der Herrschenden zu schlagen.

Wie Krieg und Militarismus untrennbar mit den vielschichten Formen der Gewalt im patriarchalen Kapitalismus verwoben sind, darum dreht sich ein Vortrag der Feministischen Antifaschistischen Jugendorganisation Charlottenburg (F_AJOC). Der Vortrag wird auf dem Offenen Antifa Tresen der Antifa Potsdam gehalten. Los geht es ab 19 Uhr im black fleck (Mittwoch, 27. 3., Zeppelinstraße 26).

Ostermarsch und Gegenproteste

Der traditionelle Ostermarsch der Friedenskoordination Berlin (Friko) startet am Samstag um 13 Uhr an der Karl-Marx-Allee 131a unter dem Motto „Kriegstüchtig – Nie wieder!“. Vergangenes Jahr kam es auf dem Marsch teils zum Schulterschluss mit der Querdenken-Bewegung, zwischen vielen Friedensbewegten wurden auch pro-russische Positionen vertreten.

Für einige Grund genug, einen Gegenprotest zu veranstalten, der sich am gleichen Ort versammeln wird. Bereits am Freitag findet eine Infoveransaltung unter anderem der Antiverschwurbelten Aktion zu den Gegenprotesten statt (29. 3., Mieterladen, Kreutzigerstraße 23, 18 Uhr). Einen alternativen Ostermarsch veranstaltet die ukrainesolidarische NGO Vitsche Berlin. Das Motto hier: „Frieden muss verteidigt werden“ – wie es die ukrainische Armee tut. Im Aufruf heißt es, „nur der Sieg der Ukraine wird wahren Frieden in Europa bedeuten“.

Nie wieder Faschismus!

Klar ist, dass jede vernünftige Friedensbewegung antifaschistisch sein muss. Der Kampf gegen Krieg und Autoritarismus ist deshalb facettenreich, er richtet sich gegen die Gesamtheit der Zustände, die Faschismus und Nationalismus befeuern. Welche Aufgaben und Chancen für Berliner Antifas im Superwahljahr 2024 im Brandenburger Hinterland bestehen, darüber will die Antifa Friedrichshain diskutieren. Nach einem Input, welche Strukturen vor Ort supportet werden können, gibt es eine Diskussion – und leckere Cocktails (Freitag, 29. 3., ZGK, Scharnweberstr. 38, 19 Uhr).

Ein erster Termin, diese Unterstützung konkret werden zu lassen, findet bereits am Samstag statt. Da will das rechtsextreme Compact-Magazin im Zuge der Kampagne „Blaue Welle“ am Bahnhof in Velten demonstrieren. Um 15 Uhr beginnt eine Demonstration des örtlichen Bündnisses für Dialog und Toleranz unter dem Motto „Gesicht zeigen“, ab 17 Uhr beginnt eine Antifa-Kundgebung am Bahnhofsvorplatz.

Es gibt auch entspannte Möglichkeiten, die gerechte Sache zu unterstützen. Um die Repressionskosten in den Budapest-Verfahren zu stemmen, findet im ZGK (30. 3., Scharnweberstr. 38, 20 Uhr) eine Soli-Party mit Vortrag statt. Im Supamolly findet eine queere Soligala für russische Deserteure statt (30. 3., Jessnerstr. 41, 20:30 Uhr). Wer am Sonntag (31. 3.) dann noch Energie hat, darf um 10:15 Uhr zum Hauptbahnhof (Gleis 4) kommen, von wo aus es gemeinsam zu den Protesten gegen den Brandenburger AfD-Landesparteitag in Jüterbog geht.

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