Bewegungstermine in Berlin: Lichter und Blockaden Hand in Hand
Der Kampf gegen Faschismus vereint die unterschiedlichsten Gruppen – das erzeugt Widersprüche. Wie könnte es dennoch gemeinsam vorwärts gehen?
D ie Massendemonstrationen gegen die AfD reißen nicht ab. Am vergangenen Wochenende zog es mehr als 820.000 Menschen auf die Straße – und nicht nur in den linksgrünversifften Großstädten: Auf dem bayrischen Land, in Ostdeutschland, überall zieht der Schock über die völkischen Deportationsfantasien von AfDlern, CDUlern, Neonazis und Unternehmern die Menschen auf die Straße. Es scheint zumindest die Möglichkeit eines Auswegs aus der Sackgasse gefunden, in der die antifaschistische Sache zuletzt steckte.
Die Menschen, die gegen den Faschismus protestieren, könnten unterschiedlicher kaum sein. Die Sache vereint militante Antifas, Linksradikale, Grüne und SPDler, Liberale und Konservative, Akademiker:innen, Arbeiter:innen, Unternehmer:innen, migrantische und weiße Menschen. Es ist deshalb kein Wunder, dass in einer Sammelbewegung wie dieser hochgradig unterschiedliche Politkonzepte und Ursachenanalysen kursieren. Diese reiben sich, weshalb sich schon jetzt viele gegenseitig Spaltung vorwerfen.
Manchen Linken sind die Proteste zu bürgerlich, ästhetisch wie inhaltlich. Lichterdemos sind Selbstbespaßung, heißt es, und jeder Ansatz, der nicht den Rechtsruck insgesamt, die kapitalistische Ungleichheit und den Rassismus der Mehrheitsgesellschaft thematisiert, kann nie über einen kurzen Moment moralischer Empörung hinauswachsen. Einige Bürgerliche dagegen sind von der Zurschaustellung linker Militanz der oft radikalen Rhetorik abgeschreckt und weisen (zu Recht) darauf hin, dass etwa im ostdeutschen Hinterland jedes Demokratiebündnis auch die CDU und die Ampelparteien braucht.
Das Problem scheint fast unüberwindbar: Die einen wollen die AfD gewissermaßen als „Einzelfall“ behandeln, als isoliertes Problem, gegen das man die bestehende Ordnung (und die bestehende Regierung) verteidigen muss. Die anderen wollen den Faschismus an der Wurzel packen und deshalb die gesellschaftliche Ordnung verändern. Zugespitzt formuliert, vertreten die einen einen Ansatz, der sich jegliche Ursachenanalyse verbietet und deshalb inhaltlich impotent ist – und die anderen einen Radikalismus, der nicht mehrheitsfähig ist, weshalb er politisch untauglich ist.
„Fragend schreiten wir voran“
Was also tun? Wichtig wäre es zunächst einmal, die Diversität der antifaschistischen Proteste anzuerkennen. Hier sind insbesondere die Bürgerlichen gefordert, die noch mehr zu Empörung und Abgrenzung neigen als die meisten Linken, bei denen durchaus ein Verständnis für die Notwendigkeit breiter Bündnispolitik existiert. Auf den Demos und in den Bündnissen muss betont werden, dass es möglich ist, über Protestformen und Analysen zu streiten, ohne sich in der grundsätzlichen Sache uneinig zu sein.
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Eine Demokratiebewegung kann sich nicht als homogene Gruppe mit fertigen Antworten verstehen, sondern nur als offene Basisbewegung ohne Patentrezept. Die Idee ist eine zum Antifaschismus entschlossene Bewegung, die aber nicht vor einem offenen Diskurs zurückschreckt, wie mit dem Problem Faschismus umzugehen ist. Lose ließe sich an das Motto der Zapatisten anlehnen: „Fragend schreiten wir voran“.
Ausgegangen werden müsste davon, dass sich die verschiedenen antifaschistischen Fraktionen tatsächlich etwas zu sagen haben. Für die Redebeiträge auf Demos bietet sich deshalb ein Kommunikationsstil an, der, ohne in Polemik zu verfallen, nicht vor Differenz zurückschreckt und die Position der eigenen Gruppe sachlich darlegt. Es braucht aber nicht nur einen neuen Redestil, sondern basisdemokratische Strukturen, durch die die Demokratiebewegung zu einer echten Demokratieerfahrung wird.
Die Stärke der Bewegung läge dann gerade im Mix verschiedener Protestformen: Antifa-Blockaden hier, Lichterdemos da, idealerweise zusammen geplant und koordiniert. Die inhaltlichen Positionen würden ausgehandelt, könnten aber auch plural bleiben. Zu befürworten wäre wohl, dass die Bewegung mit eigener Stimme spricht, weshalb Politiker:innen keine führende Rolle übernehmen sollten.
Demo in Berlin und im Umland
Wie eine breite Zusammenarbeit funktionieren kann, zeigt die Erklärung des Giga-Bündnisses Gemeinsam Hand in Hand, zu dessen kommender Massendemo in Berlin sage und schreibe 1.200 Organisationen (!) aufrufen. Zur derzeitigen Politik heißt es in der Erklärung: „Ängste vor Veränderungen, Verlust und Armut werden absichtlich geschürt, Menschen werden gegeneinander ausgespielt“. Am Samstag gilt es deshalb, gegen den Faschismus auf die Straße zu gehen – und gegen Versuche, Sozialhilfeempfangende, prekär Beschäftigte, Geflüchtete und den Kampf gegen die Klimakrise gegeneinander auszuspielen (Samstag, 3. 2., Bundestag, 13 Uhr).
Den antifaschistischen Kampf konkret an die AfD herantragen lässt sich am Freitag in Pankow (2. 2., Alt Blankenburg 12a, 17:15 Uhr). Da rufen die Omas gegen Rechts dazu auf, einen „Bürgerdialog“ der altadeligen Antifeministin Beatrix von Storch im „Braunen Haus“ zu stören. Ein weiterer Protest gegen rechts findet am Samstag in Spandau statt (3. 2., Marktplatz, 11 Uhr).
Auch die Demos im Berliner Umland gehen weiter, die extrem wichtig sind, um der vielerorts vorherrschenden rechten Hegemonie etwas entgegenzusetzen. Proteste finden etwa am Donnerstag in Bad Freienwalde (1. 2., Bahnhof, 19 Uhr), am Samstag in Gransee (3. 2., Bahnhof, 14:30 Uhr), am Samstag in Königs Wusterhausen (3. 2., Bahnhof, 14 Uhr) am Sonntag in Luckenwalde (4. 2., Markt, 14:30 Uhr), am Sonntag in Wandlitz (4. 2., Rathaus, 15 Uhr) und am Sonntag in Prenzlau (4. 2., Rathaus, 14 Uhr) statt.
Die Wurzeln der AfD im bundesrepublikanischen Nationalismus will eine Diskussionsveranstaltung der Gruppe Kritik im Handgemenge Berlin beleuchten, die Teil der Gruppen gegen Kapital und Nation sind. Dabei soll es darum gehen, wie die AfD den Versuch darstellt, mit aller Gewalt und Brutalität die nationale Sache zu retten (Mittwoch, 31. 1., Filmrisz, Rigaer Straße 103, 19 Uhr). Schon 2020 hatte die Gruppe eine Broschüre darüber herausgegeben, woran die bürgerlichen Strategien gegen den Faschismus kranken (Broschüre als PDF-Datei zum Download).
Empfohlener externer Inhalt
Protestsong– Laut gegen rechts
Wie antifaschistische Strategien insgesamt weiterentwickelt werden können, darum geht es auch bei der Diskussionsrunde „Lets talk about Antifa!“ am Samstag (3. 2., Salon, Franz-Mehring-Platz 1, 18 Uhr). Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen wollen über die (bisher fehlenden) linken Antworten auf den Aufstieg der Rechtsextremen reden. Ziel der Veranstaltung ist es, vergangene Projekte und Strategien zu evaluieren, über die Strategie der AfD zu sprechen und aktuelle Ansätze zu diskutieren.
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