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Bettelverbot in KrefeldSich wehren hilft

Ein Betroffener hat in Krefeld eine Aufhebung des dortigen Bettelverbots bewirkt. Auch Arme gehörten dazu in einer Gesellschaft, sagt er.

Auch in Krefeld darf bis auf weiteres wieder gebettelt werden Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Krefeld taz | Schon länger ist in Krefeld „organisiertes, verkehrsbehinderndes oder aggressives Betteln“ verboten. Doch der Stadt reichte das noch nicht: Im März erließ sie eine Allgemeinverfügung und erweiterte das Verbot durch den Tatbestand „aktives“ Betteln in der Innenstadt. Dagegen beantragte der Krefelder Federico Tolli mit Unterstützung der Linken vorläufigen Rechtsschutz vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht – und bekam diese Woche recht: Das Bettelverbot sei rechtswidrig und wird vorläufig ausgesetzt.

Tolli bezieht Arbeitslosengeld II. Um sich etwas dazuzuverdienen, bettelt er in der Krefelder Innenstadt. „Es gibt ja dieses bekannte Vorurteil, dass man durch soziale Leistungen abgesichert ist“, sagt Tolli. Er sei aber nicht leistungsfähig genug, um zusätzlich auf andere Weise Geld zu verdienen. „Früher bin ich zum Beispiel auf den Bau gegangen – aber die Tuberkulose hat meine Lunge zerstört“, sagt er. Durch das Betteln komme er an Geld auf legalem Wege. „Leute, denen es nicht gut geht, sollten durch das aktive Bettelverbot aus dem Stadtbild verbannt werden – sie gehören aber dazu in einer Gesellschaft“, sagt Tolli.

Stephan Hagemes und Julia Suermondt von der Linken unterstützten den Rechtsschutzantrag von Tolli. „Ich habe damals gesagt: Scheißegal, was das kostet, ich übernehme das“, sagt Suermondt, die Tolli schon seit Jahren kennt. Das aktive Bettelverbot sei so schwammig formuliert, dass rechtsunkundige Menschen nicht wüssten, welche Handlungen nun erlaubt und welche verboten seien. „Betteln per se bedeutet doch: Aufmerksamkeit erregen. Wo hört das erlaubte, stille Betteln auf?“, fragt Suer­mondt. „Es ist arrogant, eine Allgemeinverfügung gegen Menschen zu erlassen, die sich nicht wehren können.“

Das Verwaltungsgericht setzte das Bettelverbot mit der Begründung aus, dass schon fraglich sei, ob die Allgemeinverfügung überhaupt die geeignete Handlungsform sei – schließlich existiere schon eine Verordnung in Krefeld, die bestimmte Bettelformen verbiete.

Erhebliche Unsicherheiten

„Würde die Regelung weiter gelten, wäre das Betteln mit erheblichen Unsicherheiten verbunden gewesen“, sagt Tollis Anwalt Julius Altmiks. Der Ordnungsdienst hätte sich auf ein Verbot stützen können, bei dem niemand gewusst hätte, wie weit dieses wirklich gehe. „Das Tor für repressive Maßnahmen gegen bettelnde Menschen und Herrn Tolli wäre weit geöffnet gewesen“, sagt er.

Die Stadt Krefeld begründet die Notwendigkeit des Verbots des „aktiven Bettelns“ mit Hinweisen von Bür­ge­r*in­nen und Einzelhandel auf „übermäßig störendes bis aggressives Bettelverhalten“: „Die Bürgerinnen und Bürger sollen das Gefühl haben, sich ungestört im Krefelder Stadtzentrum aufhalten zu können“, schreibt die Stadt Krefeld der taz.

Suermondt, die für die Linke im Stadtrat sitzt, stimmt zu, dass die Atmosphäre und das Innenstadtsterben in der Stadt teilweise bedrückend seien: Dass Einnahmen einbrächen, liege aber nicht an den Bettelnden, sondern sei eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung.

Federico Tolli selbst kann die Leute verstehen, die nicht belästigt werden wollen. Aber wenn es nur um Aufmerksamkeit gehe, solle Betteln erlaubt sein. „Es liegt ja in unserem Interesse, nicht negativ aufzufallen“, sagt er. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann die Stadt Krefeld noch Beschwerde einlegen.

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16 Kommentare

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  • In Hamburg nur im stehen betteln? Menschen mit Behinderung sind also faktisch ausgeschlossen. Wer Knieprobleme hat, darf nicht betteln. Was ist das für eine miese Art, mit armen Menschen umzugehen. Das löst in mir großes Entsetzen aus!

  • @TRIPLER TOBIAS

    Auch die Gesellschaftsordnung ist unserer aller Verantwortung. Insbesondere in einer Demokratie, newwar?

  • wer ist denn der wahre bettler ... ?

    doch wohl der, der sich in seinem alltag in lederschuh und businessdress bewegt, seinen verbandspräsidenten bittet, einen brief an deas wirtschafts- oder finanzministerium zu schreiben und ... bettelt, bettelt, bettelt.

    um vergünstigungen, um erlassungen, um abschreibungen, um kürzungen, um unterstützungen ... millarden !

    der/die betroffenen im artikel sind habenichtse, denen schon der groschen hilft.

  • . „Das Tor für repressive Maßnahmen gegen bettelnde Menschen und Herrn Tolli wäre weit geöffnet gewesen“



    Und ganz genau Das war ja die Absicht dieser Verordnung.



    Schön zu wissen, dass es Gerichte gibt die das durchschauen.

    Ich gehe allerdings davon aus, dass die Stadt den Rechtsweg einschlagen wird denn die Obrigkeit lässt sich nicht ans Bein pinkeln. Und bei der Stadt hat ja auch niemand irgendein finanzielles Risiko. Würde man wegen der hohen Kosten die Kaffeekasse des entsprechenden Dezernats pfänden würde doch auch schlagartig der Verstand wieder einsetzen ...

  • Fahren Sie mal in Berlin mit der Ringbahn, das ist aber gar nicht lustig.



    Und natürlich ist ein Verbot hier wie dort sowas wie eine Paracetamol bei Hirntumor, reine Symptombekämpfung.

    Dass "Armut unser aller Verantwortung" sei, wie hier Herr Zerolo schreibt, ist für mich allerdings weltfremder Unsinn. Das Verteilungsproblem löst sich nicht durch Almosen, es ist die Basis dieser "Gesellschaftsordnung".

    • @Tripler Tobias:

      Paracetamol ? Schön wär's !



      Globuli.



      Und zwar "Nux Vomica!



      Mindestens D8.

  • Betteln verbieten? Einfach nur widerlich, wie Menschen mit Füssen getreten werden.

  • Ja, Frau Huhn. Das Ding ist, dass diese Armut unserer aller Verantwortung ist.

    Wenn wir Polizeigewalt einfordern, die uns davor abschirmen soll, dann handeln wir nicht anders als die reichen Soziopathen, die in "gated communities" leben und sich die Pizza vom prekären Pizzabäcker backen lassen und von der noch prekäreren Lieferbotin liefern (in der schmucken Uniform, dass mensch nicht sieht, dass sie sich nicht mal den Zahnarzt leisten kann).

    Wollen Sie eine solche Gesellschaft?

  • Wenn Betteln verboten würde, hiesse die Alternative Stehlen. Damit würden Menschen zwangsweise kriminalisiert, weil sie überleben möchten - und ohne Nahrung geht das bekanntlich nicht. Das kann und darf nicht sein!

    Unsere Gesellschaft muss aushalten, was sie selbst mit produziert: Armut, die eben nicht mehr mit einfachen Mitteln beendet werden kann und daher in den armen Menschen sichtbar ist.

  • Ein sehr interessanter Punkt wird in der Diskussion über ALG II/Bürgergeld und zusätzlich betteln übersehen:

    Arbeitet ein Bezieher von ALG II/Bürgergeld zusätzlich, werden ihm bis auf einen Freibetrag von 165,- € die Bezüge entsprechend gekürzt - dem Bettelnden (und auch den "professionellen" Pfandflaschen-Sammlern) aber nicht. Das ist eine grosse Ungerechtigkeit den zusätzlich regulär arbeitenden Personen und absolut nicht motivierend!

    • @Achim Schäfer:

      Die Tatsache, dass jemand bettelt schließt ja wohl weder Sozialbetrug noch Steuerhinterziehung ein ...

      Es ist zwar naheliegend aber nicht zwangsläufig verbunden.

  • Die Stadt Krefeld sollte keine Beschwerde einlegen. Armut darf und muß sogar zu sehen sein. Das muß eine reiche Gesellschaft aushalten. Sie hält es ja auch aus, daß es das Phänomen Armut gibt.

  • Auf meinem täglichen Weg in die Stadt werde ich täglich von 10 bis 15 Menschen angesprochen.



    Es ist nicht einfach, das zu ignorieren. Aber als Person mit Rente geht es in D nicht anders.



    Es werden immer mehr, die betteln

  • "...Hinweisen von Bür­ge­r*in­nen und Einzelhandel auf 'übermäßig störendes bis aggressives Bettelverhalten'"

    Wir verkommen zu einer immer widerlicheren Gesellschaft. Nicht nur, dass wir uns nicht schämen, dass Menschen inmitten diesen kranken Überflusses betteln müssen. Nein, die Polizei soll sie auch bitte wegmachen.

    Schwarzfahrer*innen stecken wir auch noch in den Knast, wenn sie kein Geld haben.

    Bäääääääh 🤮

    • @tomás zerolo:

      Das kann ich aus dem Zitat nicht herauslesen.



      Es gibt Menschen, die Armut einfach nur sichtbar machen. Das zu verbieten wäre in der Tat im wahrsten Sinne des Wortes Asozial.



      Aber es gibt auch die Menschen, die keinen Wert darauf legen "nicht negativ aufzufallen", die es Vorbeigehenden unmöglich machen, Bettelnde respektvoll wahrzunehmen, ohne Geld zu geben.



      Ich möchte bettelnde Menschen nicht ignorieren müssen, um von ihnen nicht verfolgt und bedrängt zu werden. Ich weiß nicht, wie die Situation in Krefeld ist, aber ich kann mir eine Situation vorstellen, in der ich Beschwerden nachvollziehen kann.

      • @Herma Huhn:

        Was wäre wenn! Woll

        Sicher. Schön wäre auch wenn!



        🐓 - Se ab & an mal n Korn finden würden - wa.

        kurz - Ach herm!



        (ma Öscher platt!)