Bettelverbot in Dänemark: Zwei Wochen Haft ohne Bewährung
Das Gesetz trifft besonders die in Armut lebenden Roma. Von Rechtspopulisten bis Sozialdemokraten stimmten alle Parteien im Parlament dafür.
STOCKHOLM taz | Mit härteren Strafen will Dänemark Menschen, die öffentlich betteln, von den Straßen vertreiben. Am Mittwoch verabschiedete das Parlament eine Gesetzesvorlage der rechtsliberalen Regierung, die als Mindeststrafe für Bettelei, „die in der Öffentlichkeit Unsicherheit verursacht“, zwei Wochen Haft ohne Bewährung androht. Bislang galt aufgrund eines schon im 19. Jahrhundert erlassenen und mehrfach geänderten Betteleiverbots eine Mindeststrafe von einer Woche auf Bewährung, die nur verhängt werden konnte, wenn dem eine entsprechende polizeiliche Androhung vorausging.
Das Verbot, das auch „Roma-Gesetz“ genannt wird, wurde von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei bis hin zu den Sozialdemokraten unterstützt. Nur vier kleinere linke und linksliberale Parteien stimmten dagegen. Ein soziales Problem könne man nicht über Verbot und eine Kriminalisierung lösen, argumentierte die „Einheitsliste“. Und soweit strafbare Handlungen infrage kämen, gebe es bereits ausreichend Sanktionsmöglichkeiten.
Dänemark müsse etwas gegen die „Roma-Plage“ tun, die „in Kopenhagen explodiert“ sei, begründete Marcus Knuth, der migrationspolitische Sprecher der regierenden Venstre die Gesetzesverschärfung: Diese Personengruppe würde „zielbewusst durch Europa reisen, nicht um zu arbeiten, sondern um zu stehlen, zu betrügen und unsere Gesellschaften auszunutzen“.
Bereits im Frühjahr waren in Dänemark neue Vorschriften erlassen worden, die das Übernachten im öffentlichen Raum verbieten, soweit dieses „Unsicherheit“ verbreite. Wegen Verstoßes gegen dieses Verbot wurden seit April allein in Kopenhagen Geldbußen gegen mehr als 100 ArmutsmigrantInnen vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien verhängt.
Während die Dänische Volkspartei die nochmalige Erhöhung des Strafrahmens und die Ausweisung von Personen fordert, die wegen Bettelei bestraft wurden, verweist das Institut für Menschenrechte darauf, dass die soziale Not vieler EU-Migranten nicht mit Verboten gelöst werden könne.
Leser*innenkommentare
Linksman
Solche Gesetze treiben Menschen, die nichts mehr zu verlieren haben, dazu, sich ihr Geld nun auf andere Weise zu besorgen. Möglicherweise auf eine weniger friedliche Weise als das Betteln.
Thomas Sauer
Parteienprofilierungssucht hin oder her. Es wird Zeit, dass es keine zwei Klassen von Europäern gibt und damit die Einheit Europas gefestigt wird und die Streitereien weniger werden. Jeder Mensch aus der EU muss genau so wie die Menschen aus Vorderasien oder Nord- bis ins mittleres Afrika behandelt werden. Das gilt für Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld, Förderung von Sprache lernen und berufliche Ausbildung. Das darf nicht nur Privileg für Einheimische, Asylberechtigte und Flüchtlinge aus ökonomischen
Gründen gelten.
Werner W.
@Thomas Sauer Sie wollen tatsächlich den Sozialstaat abschaffen?
FriedrichH
Insofern "Unsicherheit" verursacht wird. Eine sehr herrlich zynische Formulierung. Das Gesetz soll vieleicht ja auch nur verhindern dass Lohnarbeiter ralisieren dass Sie auch so enden wenn die Kraft nachlässt.
Nationalismus ist unlogisch und abstrakt... funktioniert aber irgendwie trotzdem.
Mantis Toboggan
Am Frankfurter Hbf haben sie jetzt schon eine Lautsprecheransage gemacht, die vor der Bettlermafia warnt.
Es ist ein akutes Problem, aber Verbote werden dieses Problem nur verlagern.
Sandor Krasna
Dänemark, das Ungarn des Nordens.
kditd
Das Gesetz ist reine Ausländerfeindlichkeit und bemerkenswert schwammig formuliert. Ein Beispiel für die Politik, die gegenwärtig in Dänemark gemacht wird, und die Auswüchse der Zusammenarbeit der ach so liberalen Venstre mit der extremistischen, ausländerfeindlichen Dansk Folkeparti.
Das soziale, liberale, fortschrittliche Dänemark, das man einmal kannte, gehört der Vergangenheit an. Dänemark ist momentan ein Versuchslabor für rechtsnationalistische Politik. Das sehr hohe Wahlergebnis der Rechten (21%) hat dafür gesorgt, daß die bürgerlichen Parteien sich vor deren Karren spannen lassen.
Die dänischen Sozialdemokraten haben während der Thorning-Regierung dafür Vorarbeit geleistet und mischen jetzt kräftig mit. Sie sind die neuen besten Freunde der Rechtsnationalen.
Ein Trauerspiel.
39167 (Profil gelöscht)
Gast
Ich weiss auch nicht, wie dies zu lösen ist.
Fakt ist aber, es ist ein gravierendes Problem. Zumindest in der Stadt, in der ich lebe.
Auf meinem relativ kurzen Weg zu meiner Arbeit werde ich von ca. 10 Bettler/innen angesprochen, massiv.
Diese sind, dem Aussehen nach, Roma.
Sie wechseln die Personen von Stadt zu Stadt aus.
Fahre ich ins benachbarte Bundesland Freunde besuchen, sitzen die selben Gesichter dort in der Fussgängerzone und in der darauffolgenden Woche sind sie wieder hier.
Regelmäßig kommt der Boss vorbei. Er parkt das schwarze große Auto in einer Seitenstraße und kassiert ab.
Ja, hört sich alles nach dem allgegenwärtigen Vorurteil an. Es ist aber Realität.
Ich würde mir auch eine Lösung wünschen.