Betrugsvorwurf gegen HSH Nordbank: Staatsbank hinterzieht Steuern
Ein interner Untersuchungsbericht deckt dubiose Aktiengeschäfte der HSH Nordbank auf. Die Schäden liegen in dreistelliger Millionenhöhe.
HAMBURG taz | Die staatliche HSH Nordbank soll den deutschen Fiskus um mehr als 100 Millionen Euro geprellt haben. HSH-Finanzvorstand Stefan Ermisch bestätigte am Dienstag in Hamburg Medienberichte, nach denen das Geldinstitut mit dubiosen Börsengeschäften Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hat. Eine Anwaltskanzlei war zuvor vom HSH-Vorstand beauftragt worden, die bankeigenen Geschäfte zu prüfen.
Der Fall ist besonders pikant, weil damit erstmals eine Staatsbank in den Verdacht der Steuerhinterziehung gerät. Haupteigentümer der Nordbank sind die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. In den Jahren 2008 bis 2011 habe die Bank 29 Transaktionen identifiziert, bei denen sie gezahlte Kapitalertragssteuern möglicherweise zu Unrecht geltend gemacht habe, sagte Ermisch. Das Institut stellte für eventuelle Steuernachzahlungen 127 Millionen Euro zurück.
Die HSH Nordbank ist kein Einzelfall. Seit Längerem ermitteln Staatsanwälte und Finanzbehörden gegen zahlreiche Geldinstitute wegen dubioser Aktiendeals, mit denen der Fiskus zwischen 2008 und 2011 um bis zu 12 Milliarden Euro betrogen worden sein soll.
Das Bundesfinanzministerium hatte nach Informationen der taz bereits im vergangenen Jahr von ausländischen Behörden den Tipp erhalten. Die Ermittler verdächtigen auch die britische Barclays Bank oder die italienische Hypovereinsbank in München.
Dividenden-Stripping und Cum-Ex-Trades
Bei den dubiosen Deals handelt es sich um eine Form des sogenannten Dividenden-Strippings. Die Möglichkeit spezieller „Cum-Ex-Trades“ hatte die rot-grüne Bundesregierung 2002 bei ihrer Unternehmenssteuerreform eingeführt, um deutsche Aktien für ausländische Investoren attraktiver zu machen. In der Börsenpraxis geht es um Ver- und Rückkauf von Aktien kurz vor („cum“) und nach („ex“) der Ausschüttung einer Dividende.
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, können Banken Steuergutschriften ausstellen. Da Ausländer nicht dem deutschen Steuerrecht unterliegen, nützt ihnen die Steuergutschrift aber nichts: Deshalb lohnt es sich für sie, deutschen Aktien vor dem jeweiligen Ausschüttungstag an Inländer zu verkaufen. Diese können dann die Dividende nebst Steuergutschrift kassieren und die Aktien danach zurück an den Ausländer verkaufen – zum Preis, bei dem beide gewinnen. Der Fiskus geht leer aus.
Illegal ist das Geschäft spätestens, wenn die Transaktion am Dividendentag mehrfach wiederholt wird. Investoren, Makler und eben auch Banken scheinen sich des Steuersparsystems großzügig bedient zu haben. Möglicherweise schlampte aber auch die erste Große Koalition bei dem Versuch, das rot-grüne Schlupfloch zu schließen.
Von einer Gesetzeslücke sprechen von Banken bezahlte Gutachter, die Finanzbehörden halten das Vorgehen schlicht für illegal. Alle warten nun auf eine abschließende Bewertung durch den Bundesfinanzhof in München. Ausgerechnet in der Zeit der umstrittenen Aktiendeals wurde die HSH mit mehreren Milliarden Euro aus Steuermitteln gerettet.
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