Betrugsprozess in den USA: Trump-Show im Zeugenstand
Der frühere US-Präsident nennt den Prozess gegen sich „Schande“ und „politische Hexenjagd“. Die Staatsanwältin spricht von „Ablenkung“.
Washington, D.C. taz | Gerichtsverhandlung oder Wahlkampfveranstaltung? Der frühere US-Präsident Donald Trump verwandelte am Montag einen New Yorker Gerichtssaal in seine ganz persönliche Wahlkampfbühne. Aus dem Zeugenstand holte Trump zum Rundumschlag gegen das seiner Meinung nach korrupte Rechtssystem und eine politisch motivierte Anklage aus.
Die Betrugsvorwürfe gegen sich und seine Firma bezeichnete Trump als „politische Hexenjagd“. Die Generalstaatsanwältin des US-Bundesstaates New York Letitia James, die hinter der Anklage und einer Entschädigungsforderung von 250 Millionen US-Dollar steckt, beschrieb er als politisch getrieben und dem Vorsitzenden Richter warf er Voreingenommenheit vor.
„Mein Vermögen ist um Milliarden höher, als die Finanzunterlagen belegen“, erklärte Trump mit breiter Brust. Die Staatsanwaltschaft sieht dies allerdings anders.
Dem früheren Präsidenten und seinen Mitangeklagten wird vorgeworfen, mit gefälschten Finanzunterlagen, die Trumps private wie auch geschäftliche Vermögenswerte um ein Vielfaches überbewertet haben, Banken und Versicherer betrogen zu haben. Dadurch konnte die Trump-Organisation bessere Bedingungen beim Erwerb von Immobilienkrediten und Versicherungen verhandeln.
Trump räumt sogar unzutreffende Angaben ein
Trump gab während seiner Vernehmung sogar zu, dass die angegebenen Vermögenswerte nicht immer zutreffend gewesen seien. Manche Immobilien seien überbewertet, andere wiederum unterbewertet, gab Trump zu Protokoll. Zugleich spielte er seine direkte Rolle in der Beurteilung der Vermögenswerte allerdings herunter.
„Ich denke, dieser Prozess ist eine Schande“, erklärte der Ex-Präsident im Anschluss gegenüber den im Gerichtshaus versammelten Medienvertretern. Er wiederholte zudem seine oft zitierte Behauptung, dass diese und die anderen gegen ihn erhobenen Anklagen nichts weiter als Wahlmanipulation seien.
„Sie ziehen umher und versuchen mich herabzusetzen und mich zu verletzen, wahrscheinlich aus politischen Gründen“, erwiderte Trump im Zeugenstand auf die Frage eines Staatsanwalts.
Es sind die gleichen Vorwürfe, die er auch auf seinen Wahlkampfveranstaltungen vorträgt. Trump, der aktuelle Topfavorit auf die republikanische Nominierung für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, wirft der US-Regierung um Präsident Joe Biden vor, das amerikanische Rechtssystem als Waffe gegen ihn einzusetzen und somit eine mögliche Wiederwahl zu verhindern.
Staatsanwältin: „Die Zahlen lügen nicht“
New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James, die dem Prozess als Beobachterin beiwohnte, bezeichnete Trumps Attacken schlicht als „Ablenkungen“. Sie erklärte, dass die Beweise belegen würden, dass Trump die Vermögenswerte vorsätzlich überbewertet habe, um sich und seine Familie zu bereichern. „Die Zahlen lügen nicht“, sagte sie.
Insgesamt verbrachte Trump fast vier Stunden im Zeugenstand. Er gab dabei nur selten direkte Antworten und suchte immer wieder die Konfrontation mit den Anwälten der Staatsanwaltschaft als auch dem Vorsitzenden Richter. Dieser versuchte, Trump davon abzuhalten, den Gerichtssaal als Wahlkampf-Plattform zu missbrauchen.
Richter Arthur Engoron forderte Trumps Anwalt Christopher Kise auf, seinen Mandanten zu bändigen. „Dies ist keine Wahlkampfveranstaltung. Dies ist ein Gerichtssaal. […] Ich will nicht alles hören, was dieser Zeuge zu sagen hat. Er hat sehr viel zu sagen, das nichts mit dem Fall oder den Fragen zu tun hat“, so der Richter.
Kise verteidigte seinen Mandanten und erklärte, dass dieser das Recht habe, sich gegen die Anschuldigung des Vorsatzes zu verteidigen und aufgrund seiner Position als Ex-Präsident auch einen Spielraum habe, politische Aspekte zu äußern, da er aufgrund der Anklage und der Anhörung keinen Wahlkampf betreiben könne.
Trump droht hohe Schadensersatzzahlung
Neben dem Betrugsprozess in New York ist Trump in vier anderen Fällen angeklagt. Dazu gehören zwei Anklagen zu seinen Versuchen, das Wahlergebnis im Jahr 2020 anzufechten und zu seinen Gunsten zu kippen – einer auf Bundesebene und ein zweiter im Bundesstaat Georgia.
Des Weiteren läuft ein Verfahren zu seiner Handhabung von Geheimakten nach dem Auszug aus dem Weißen Haus. Und in New York muss sich Trump zur Fälschung von Geschäftsunterlagen verantworten, die zur Vertuschungen einer angeblichen Schmiergeldzahlung getätigt wurden.
Nach Trump und seinen beiden erwachsenen Söhnen geht es im Betrugsprozess am Mittwoch mit der Aussage von Tochter Ivanka Trump weiter. Im Gegensatz zu ihren beiden Brüdern gehört Ivanka allerdings nicht zu den Mitangeklagten. Auch wenn in diesem Prozess keine Gefängnisstrafe droht, könnte die Schadensersatzforderung von 250 Millionen Dollar und das mögliche Verbot, in New York Geschäfte zu tätigen, Trumps Ruf als gewieften Unternehmer stark schädigen.
Leser*innenkommentare
Stechpalme
Man sollte Trump einfach Recht geben, und die höheren Werte versteuern lassen. Wenn seine Häuser wirklich drei Mal so gross sind als sie berwertet wurden, dann lasst ihn halt drei Mal so viel Steuern zahlen.
Angesichts der tatsächlich von ihm entrichteten Steuerbeträge käme dann vermutlich noch eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung hinzu.
Null Substanz
"Die Generalstaatsanwältin des US-Bundesstaates New York Letitia James, die hinter der Anklage und einer Entschädigungsforderung von 250 Millionen US-Dollar s t e c k t ...."
Mach sich die taz jetzt die Perspektive Trumps zu eigen?
Cerberus
@Null Substanz Nein, so würde ich die Aussage nicht verstehen.
Das us-amerikanische Rechtssystem unterscheidet sich fundamental vom kontinentaleuropäischen.
In Deutschland (als Beispiel) gilt das Legalitätsprinzip, nach dem bei Verdacht einer Straftat immer ermittelt und gegebenenfalls angeklagt werden muss. In den USA herrscht das Opportunitätsprinzip vor, d.h. die Staatsanwaltschaft kann, muss aber nicht einschreiten.
Während in Deutschland (zumindest theoretisch) § 160 StPO die Staatsanwaltschaft zur Neutralität verpflichtet, ist dieser Gedanke dem amerikanischen Recht vollkommen fremd. Das Verfahren wird kontradiktorisch bertrieben, d.h. sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung sind Partei und selbst dafür verantwortlich, alle relevanten Beweise vorzulegen, die einzig neutrale Instanz ist der Richter.
Der Staatsanwalt darf grundsätzlich weder von seinem Vorgesetzten noch von anderen Stellen zur Anklageerhebung verpflichtet werden, sie untersteht keiner Rechts- oder Dienstaufsicht oder irgendeiner Art von Kontrolle der Ausübung ihrer Tätigkeit.
Von daher kann man - und in den USA wird das regelmäßig von der Bevölkerung so gesehen - davon ausgehen, dass eine Anklageerhebung direkt vom jeweiligen Staatsanwalt bzw. der Staatsanwältin ausgeht, er/sie nimmt die Stelle eines Dramaturgen ein, der ein Stück inszeniert. Dementsprechend können durch einzelne Fälle (politische) Karrieren einen Anfang nehmen (viele Politiker haben sich zuvor als StA profiliert) oder aber enden. Denn nichts verachten die Amerikaner mehr, als einen Freispruch im Gerichtssaal. Nicht aus übertriebener Härte, sondern weil sie dann von Staatswillkür ausgehen, weil eine Anklage erhoben wurde, ohne die notwendigen Beweise zu haben.
Das eine Anklageerhebung von daher direkt mit einer Staatsanwältin in Verbindung gebracht wird, ist demnach Ausdruck des amerikanischen Systems. Warum wohl wird in keinem von Republikanern dominierten Staat gegen Trupm ermittelt...?
Null Substanz
@Cerberus Vielen Dank für Ihre interessante Erklärung des amerikanischen Rechtssystems.
Für mich hat "hinter etwas stecken" etwas von unehrlich, heimtückisch, sich feige verbergend.