Betrug mit Bio-Lebensmitteln: Italiens Behörden schlampen
Hat das italienische Agrarministerium jahrelang Hinweise auf Korruption in einer Ökokontrollstelle ignoriert? Der größte Branchenverband meint: Ja.
BERLIN taz | Nach einem der größten Betrugsskandale mit Ökolebensmitteln wirft Italiens Biobranche dem Agrarministerium in Rom Versagen vor. Die Aufsichtsbehörde habe zu langsam reagiert, sagte Paolo Carnemolla, Präsident des größten Dachverbands FederBio, der taz. Die Bande, die jahrelang Tausende von Tonnen konventionelles Futter als Bioware unter anderem nach Deutschland verkauft hat, hätte viel früher gestoppt werden können. Die Vorwürfe könnten die aktuelle Debatte darüber beeinflussen, ob der Staat Aufgaben der privaten Kontrollstellen übernehmen sollte.
Anlass der FederBio-Kritik ist, dass die italienische Justiz Ende Januar Hausarrest gegen neun Verdächtige verhängt hat. Gegen weitere Personen wurden Berufsverbote oder Beschlagnahmungen von Vermögen angeordnet. Zu den mutmaßlichen Betrügern gehören sogar der Chef der italienischen Ökokontrollstelle Biozoo. Die Bande soll vor allem konventionelle Futtermittel beispielsweise aus Moldawien im Wert von mehreren Millionen Euro als bio deklariert und in die EU geliefert haben.
Treibende Kraft hinter den Ermittlungen waren Strafverfolgungsbehörden wie die italienische Finanzpolizei – nicht das Agrarministerium, welches für die Aufsicht über die privat organisierte Biokontrolle zuständig ist. Die Kontrollstellen sollen prüfen, ob etwa Ökobauern tatsächlich auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten oder Biohändler wirklich nur mit Bioware handeln.
Das Ministerium handelte erst nach Einzug der Lizenz
Zwar hat das Ministerium am 24. Februar der korrupten Kontrollstelle Biozoo die Zulassung entzogen. Doch laut FederBio hat es das erst getan, nachdem die nationale Akkreditierungsstelle (Accredia) Biozoos Lizenz eingezogen hatte.
Zudem habe der Branchenverband das Ministerium schon am 31. Oktober 2012 schriftlich über Unregelmäßigkeiten bei Biozoo informiert. „Das Ministerium hat nie geantwortet“, sagt Carnemolla. Stattdessen habe es weiter Importe genehmigt, die die Kontrollstelle zertifiziert hatte.
Bereits nach Hinweisen auf falsche Biozertifikate Ende 2010 bis Anfang 2011 habe FederBio das Ministerium gebeten, einen Krisenstab mit Vertretern aller zuständigen Behörden und Branchenorganisationen einzuberufen.
Denn in solchen Fällen ist es sehr wichtig, dass alle Beteiligten sich koordinieren und schnell Informationen austauschen, um Betrugsware vom Markt zu holen. „Wenn das italienische Ministerium das sofort getan hätte“, erklärt Carnemolla, „hätten sie die Leute sowie deren Zertifizierungs- und Handelsfirmen weit früher gestoppt als erst im Januar 2014.“
Das Ministerium ließ eine Bitte der taz vom Montag um Stellungnahme unbeantwortet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an