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Betriebsversammlung bei VWDampf ablassen durch heiße Luft

Auf der Betriebsversammlung bei VW sprachen Bundesarbeitsminister Heil und Konzernchef Oliver Blume. Für Heil gab es Applaus, gegen Blume Protest.

Betriebsratsvorsitzende Cavallo und Arbeitsminister Hubertus Heil kommen zur VW-Betriebsversammlung Foto: Ronny Hartmann/AFP Pool/dpa

Wolfsburg dpa | In der zugespitzten Krise des Autobauers VW fordert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Erhalt der Arbeitsplätze. „Ich habe an das, was jetzt passiert, klare Erwartungen“, sagte Heil laut Teil­neh­me­r*in­nen bei einer VW-Betriebsversammlung. Es müsse gemeinsam gelingen, die VW-Standorte in Deutschland zu sichern, so Heil, womit er laut Teil­neh­me­r*in­nen starken Beifall erhielt. „Zweitens, es darf keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, sagte Heil. „Das ist ganz klar.“

Zudem sagte Heil an die Adresse von Konzernchef Oliver Blume, die Investitionen, die die Zukunft der Standorte sicherten, müssten sichergestellt werden. Angesichts der seit Monaten ohne Annäherung verlaufenden Tarifgespräche sagte der SPD-Politiker: „Diese drei Punkte, die Sicherung von Standorten, die Sicherung von Beschäftigung und die Sicherung der Zukunft des Unternehmens, das muss am Ende rauskommen.“ Heil hat seinen Wahlkreis direkt neben Wolfsburg, dem Hauptsitz von VW.

Konkrete Vorschläge hat Heil nicht mit nach Wolfsburg gebracht. Konkrete Aussagen des SPD-Politikers zum gerade laufenden Tarifstreit hatte der Betriebsrat aber auch nicht erwartet. Die Politik mische sich hier traditionell nicht ein.

Heil sagte, die Sozialpartnerschaft in Deutschland und bei Volkswagen müsse sich in dieser Stunde bewähren. „Ich weiß als Arbeitsminister, Sozialpartnerschaft, das ist keine romantische Kuschelveranstaltung“, räumte der Politiker ein. Es gehe um harte, auch unterschiedliche Interessen. Doch faire Lösungen seien zentral. „Der langfristige wirtschaftliche Erfolg dieses Unternehmens geht nur mit den Beschäftigten dieses Unternehmens – und nicht gegen sie“, so der Arbeitsminister der rot-grünen Übergangsregierung. „Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Volkswagen, das sind Menschen mit Rechten, und das sind keine Kostenstellen mit Ohren!“

Knapp zwölf Wochen vor der angepeilten Bundestagswahl sagte Heil: „Wenn wir unsere industrielle Basis sichern wollen, dann müssen wir in Deutschland und Europa auf eine aktive Industriepolitik setzen.“ Deutschland müsse Autoland bleiben. Heil fungierte bereits bei der früheren Regierung als Arbeitsminister, und in der inzwischen gescheiterten Ampel-Regierung wurde er es erneut.

VW-Beschäftigte protestierten gegen den Vorstand

Die Betriebsversammlungen wurde von Protesten der VW-Arbeiter*innen begleitet. Auf einem Transparent war zu lesen „Wann spart der Vorstand?“. „Alle Werke müssen bleiben!“, wurde auf einem Flugblatt gefordert, das direkt unter dem Namen des Konzernchefs Oliver Blume am Podium angebracht war.

Blume verteidigte auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg den verschärften Sparkurs von Europas größtem Autobauer. „Die aktuelle Situation ist ernst“, sagte Blume laut einer Mitteilung bei dem nicht öffentlichen Belegschaftstreffen im Stammwerk.

„Deshalb braucht es dringend Maßnahmen, um die Zukunft von Volkswagen abzusichern.“ Der Wettbewerbsdruck steige, zugleich schrumpfe die Nachfrage. „Dazu kommt: Unsere Arbeitskosten sind in Deutschland inzwischen zu hoch geworden“, sagte Blume.

Mit Blick auf den laufenden Tarifstreit mit der IG Metall betonte er: „Wir sind gemeinsam an einer Lösung interessiert.“ Deshalb müsse weiter verhandelt und gemeinsam an messbaren und vor allem nachhaltigen Lösungen gearbeitet werden. Das von der IG Metall vorgelegte Gegenkonzept für Einsparungen ohne Werkschließungen reiche hier bei weitem nicht aus. Es könne aber ein „Startpunkt“ sein, sagt der VW-Chef.

Am Montag traten 47.000 Beschäftigte in den Warnstreik

„Unsere Produkte sind gut, jetzt müssen wir mit den Kosten runter – in allen Bereichen“, fordert Blume. „Wir können die besten Autos der Welt bauen – das spielt aber keine Rolle, wenn wir damit kein Geld verdienen.“

Erst am Montag hatten zehntausende Beschäftigte vor dem Vorstandshochhaus gegen die harten Sparpläne des Konzerns protestiert. 47.000 traten allein in Wolfsburg in einen Warnstreik.

Europas größter Autobauer verlangt wegen der schwierigen Lage 10 Prozent Lohnkürzung. Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Die Tarifgespräche zwischen Konzern und IG Metall werden am kommenden Montag fortgesetzt.

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5 Kommentare

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  • wahrlich viel heiße luft von allen seiten.



    wir haben eine klimakatastrophe + ein weiter so und dies + das "muß bleiben" macht 0-sinn.



    sinn macht: konversion.



    weg vom auto für jeden haushalt (häufig sinds ja - besonders auf dem land - 2 autos) , hin zu mehr gesellschaftlicher mobilität auch auf dem land. das kann dann schon mal ein sammeltaxi zu öffi-tarif sein, oder ein kleinbus. o-tarif wäre anzustreben.

    es bedeutet nicht, daß überhaupt keine autos mehr gebaut werden - nur eben weniger und andere - mit e-antrieb, schön leise. die normalen busse lärmen ja immer noch sehr.

    mehr und bessere züge - mit speise-+schlafwagen bittschön ... mehr gleise, bitte auch wieder stillgelegte bahnhöfe öffnen + gastlicher gestalten. da gäbe es reichlich arbeit.



    verkehrsexpertInnen haben dazu sicher noch mehr vorzuschlagen, was dem klima + den nächsten generationen hilft.

  • Laut Marktanalysen werden in Europa nun 2 Mio. Fahrzeuge weniger im Jahr verkauft. Dazu kommen neue Hersteller aus China auf den Markt, die neue Fabriken in Osteuropa bauen.

    Wenn VW unter diesen Marktbedingungen nicht anteilsgerecht weniger produzieren sollte, bliebe für die Werke anderer Hersteller noch weniger übrig. Sollte die Politik gezielt bei VW Arbeitsplätze "retten", würde sie woanders gleichzeitig Arbeitsplätze zerstören.

    VW hat ein Problem mit den Lohnkosten. Die Beiträge zu den Sozialversicherungen werden nach den Plänen von Hubertus Heil absehbar von 40 auf 50 Prozent steigen. Das entspricht einer Steigerung der Sozialversicherungsabgaben um 25 Prozent und erhöht nicht nur bei VW den Druck, in Zukunft noch mehr Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen.

    Heute bei VW wäre der richtige Zeitpunkt für Hubertus Heil gewesen, eine Haltelinie von 40 Prozent bei den Sozialversicherungsabgaben zu versprechen.

    Ein guter Arbeitsminister würde die Aufnahme und Verwaltung von Arbeit erleichtern und die Belastung der Arbeitenden gering halten. Wer Arbeit erschwert und zusätzlich verteuert, ist "Minister für Automatisierung und Arbeitsplatzverlagerung"

  • Bekannte haben vor einigen Wochen ein chinesisches Fahrzeug gekauft. Nein, kein E-Mobil, einen Verbrenner!



    Denn auch da scheint VW nicht konkurrieren zu können oder zu wollen. Die Chinesen merken das!

  • Die vielen vielen Milliarden, die VW in den letzten Jahren wegen der Abgasmanipulationen an US-Strafenzahlungen und Rückholaktionen ausgeben musste, sind zwar weitgehend aus den Medien verschwunden, nicht aber aus den Bilanzen.

  • Heil:“Deutschland muss Autoland bleiben!“ - Hofft er auf die Vergesslichkeit der Arbeiter? Jeder kann die autofeindlichen Sprüche bestimmter Parteien aus dem Netz holen uns sie zitieren. Und wo waren Heils Genossen, als man aus Bremen eine bestimmte Dame in den Aufsichtsrat berief. Es ist zu billig, so zu tun, als wäre eine „gewisse gelbe Partei“ die Quelle allen Übels. Vielleicht sollten wir gerade der FDP danken, das sie den üblen Zustand zu beenden versuchte.