Betriebsratskündigung im Pflegeheim: „Die wollen ein Zeichen setzen“
Der Pflegeheimbetreiber Residenz-Gruppe kündigt seinen Bremer Betriebsratsvorsitzenden. Der Fall kann einem größeren Muster zugeordnet werden.
Ursprünglich sollte nur die Bremer Betriebsratsvorsitzende und zugleich Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats für Bremen und Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen entlassen werden; sie bekam ihre Kündigung am Tag vor Weihnachten zugestellt. Mittlerweile haben auch die drei anderen Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats fristlose Kündigungen erhalten. Der Betriebsrat in Bremen wird zudem mit Auflösung bedroht.
„Grobe Pflichtverletzung“ wirft Sebastian Hollatz, Geschäftsführer in Weyhe, Mitte Januar in einem Rundschreiben an die Beschäftigten den Betriebsratsvertreter*innen vor. Die sei so gravierend, dass man sich zur Kündigung „gezwungen gesehen“ habe.
Das Vergehen laut Geschäftsführung: Der Betriebsrat habe „über einzelne Betriebsratsmitglieder behauptet“, sie würden zu Sitzungen unentschuldigt fehlen. Tatsächlich seien die Mitglieder aber nur verhindert gewesen. „Solche (möglicherweise unwahren) Behauptungen über Betriebsratskollegen halten wir für unanständig und […] unkollegial“, antwortet die Pressestelle des Unternehmens auf eine taz-Anfrage.
Darüber hinaus zweifelt der Arbeitgeber die Urkunden (vermutlich Sitzungsprotokolle) an, die das unentschuldigte Fehlen belegen sollen. Die fristlose Kündigung beruht also auf diversen Mutmaßungen.
In dem unterstellten Verhalten sieht die Residenz-Gruppe einen massiven Vertrauensbruch. „Jeder Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber schädigt oder sein Vertrauen missbraucht, sollte abhängig vom Einzelfall ggf. gekündigt werden“, schreibt die Presseabteilung der Residenz-Gruppe.
Die Gewerkschaft findet die Vorwürfe lächerlich
„Absolut lächerlich“ findet Kerstin Bringmann, Bremer Ver.di-Gewerkschaftssekretärin im Bereich Pflege, die Vorwürfe. Unentschuldigtes Fehlen bei einer Betriebsratssitzung gebe es schon dann, wenn jemand vergäße, seinen Urlaub anzugeben. So etwas im Protokoll zu vermerken, sei nicht unkollegial, sondern reine Formsache.
Ver.di stellt in einem offenen Brief andere Vermutungen über die Hintergründe an: In dem Rundschreiben von Mitte Januar, in dem die Geschäftsleitung die Kündigung der Bremer Betriebsratsvorsitzenden und die angedrohte Auflösung des Betriebsrats den Beschäftigten bestätigt, klagt Geschäftsführer Sebastian Hollatz auch über eine Entscheidung des Betriebsrates: Dieser hatte Ende 2020 eine geplante Prämie abgelehnt, weil sie Mitarbeiter*innen mit Krankheitstagen nicht voll ausgezahlt werden sollte.
Ver.di vermutet, dass die Geschäftsführung den eigentlichen Affront in dieser Entscheidung sehe. „Hier hat der Betriebsrat keine Pflicht verletzt, sondern genau das getan, wofür er gewählt wurde“, schreibt die Gewerkschaft im offenen Brief. „Es geht dem Arbeitgeber offenbar darum, ein Zeichen zu setzen, um alle, die sich engagieren und für ihre Interessen eintreten, zum Schweigen zu bringen“, sagt Bringmann.
Der Fall kann einem größeren Muster zugeordnet werden: Die Residenz-Gruppe gehört seit einigen Jahren zum französischen Konzern Orpea. Mit Union-Busting und schlechter Behandlung von Mitarbeiter*innen ist dieser viertgrößte Pflegeheimbetreiber Deutschlands nicht zum ersten Mal aufgefallen.
Orpea hat schon früher Gewerkschaftsmitglieder entlassen
2018 sollte es laut Ver.di in der Orpea-Untergruppe Celenus in Thüringen zu Entlassungen kommen, weil Mitarbeiter*innen einer Rehaklinik für höhere Löhne gestreikt hatten: Zwei Gewerkschafterinnen wurden dabei fristlos gekündigt, fünf Beschäftigte der Physiotherapie ausgesperrt, zwölf Reinigungskräfte entlassen. Und im Mutterland Frankreich machte der Konzern 2014 Schlagzeilen, als herauskam, dass Angestellte von eigens bestellten Beobachter*innen überwacht wurden.
Die Gewerkschaft will das Verfahren deshalb genau beobachten: Den Gütetermin zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat am Dienstag wird sie mit einer Soli-Aktion vor dem Arbeitsgericht begleiten.
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