Betriebsrats-Chef darf bleiben: Hafeninvestor MSC verliert Prozess
Kommende Woche entscheidet Hamburg über den Teilverkauf des Hafens an die Großreederei MSC. Deren Tochterfirma scheiterte nun vor dem Arbeitsgericht.
Das ist brisant, denn Fur ist Betriebsratsvorsitzender. Er klagt nun gegen die Entlassung, am Donnerstag fand die Verhandlung vor dem Hamburger Arbeitsgericht statt. Dieses urteilte zugunsten von Fur.
Bereits vor der Verhandlung wirkt „Slawa“, wie ihn seine Unterstützer*innen hier vor dem Gericht nennen, entschlossen. Er und sein Anwalt Michael Sommer sind sich einig, dass das Urteil zu ihren Gunsten ausgehen muss. „Der Arbeitgeber hat unserer Ansicht nach formale Fehler bei der Kündigung gemacht und inhaltlich ist das Vorgehen auch mehr als fragwürdig“, sagt Sommer.
Der Grund der Kündigung ist für Fur nicht nachvollziehbar: „Ich habe schon länger gesundheitliche Probleme, wurde nach meinem Schlaganfall deshalb innerhalb des Unternehmens woanders eingesetzt, wo es nicht so viel Stress gibt.“ Auch der Betriebsarzt habe dem zugestimmt. Nach einiger Zeit wurde ein neues Attest beantragt, Slawa ging zu einer anderen Ärztin. Das Ergebnis war inhaltlich das Gleiche, aber die Wortwahl ein bisschen stärker.
Erst Attest, dann Freistellung
Danach ging alles ganz schnell: Am 10. April reichte Fur das neue Attest ein, nach einem Gespräch wurde er direkt freigestellt und nach Hause geschickt. Am gleichen Tag noch fand das regelmäßige Gespräch von Mitarbeiter*innen mit den Führungspersonen statt, ohne ihn. Der Betriebsrat, dessen Vorsitzender er ist, entschied über seine Kündigung, diese fand er zwei Tage später in seinem Briefkasten.
Im Gericht möchte Anwalt Helmut Naujoks, der die hundertprozentige MSC-Tochter Medrepair vertritt, noch mal für einen Vergleich werben: „Wir sind dem Kläger schon entgegengekommen, indem wir die verhaltensbedingte Kündigung zurückgezogen haben. Ich würde mich freuen, wenn das Gericht einen Vergleichsvorschlag machen könnte.“ Die Gegenseite lehnt das allerdings ab, sodass das Gericht keinen Sinn darin erkennt.
Mit Helmut Naujoks hat die Firma einen Anwalt beauftragt, dessen Position in Arbeitnehmerfragen nicht klarer sein könnte: Ein von ihm veröffentlichter Ratgeber trägt den Titel „Kündigung von ‚Unkündbaren‘“, die Süddeutsche Zeitung bezeichnet ihn als „Rausschmeißer“.
Bei Fur hatte die Kündigung vorerst keinen Erfolg, am heutigen Freitag ab sechs Uhr will er wieder arbeiten gehen. Und auch sein Betriebsratsmandat möchte er wieder aufnehmen. „Ob ich wieder Vorsitzender werde oder nicht, das werden wir sehen, aber ich freue mich, wieder arbeiten zu können.“ Denn zu Hause sei ihm die Decke auf den Kopf gefallen und die anderen Mitarbeiter*innen freuten sich schon auf ihren Kollegen. Bei der letzten Wahl zum Betriebsrat habe er 41 von 56 Stimmen erhalten, berichtet er der taz.
Für Lars Stubbe von der Gewerkschaft Ver.di ist es ein „Sieg auf ganzer Linie“. Man wisse zwar noch nicht, ob das Gericht wegen der formalen Fehler bei der Kündigung oder aufgrund der Einschätzung der gesundheitlichen Atteste der Klage recht gegeben habe, aber das sei erst mal nebensächlich.
Für MSC kommt das Urteil zeitlich ungelegen
MSC erklärt der taz, man habe das Urteil zur Kenntnis genommen, warte jetzt auf die Begründung und verweist auf die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter zur Kündigung. Die Tochterfirma Medrepair wollte sich nicht äußern.
In der kommenden Woche entscheidet die Hamburger Bürgerschaft, ob MSC 49,9 Prozent der Anteile an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) übernehmen darf. Bisher besitzt die Stadt 70 Prozent und der Rest ist in Streubesitz. Lars Stubbe und die anderen rund 30 Unterstützer*innen von Fur machten am Donnerstag vor dem Gericht deutlich, was sie davon halten: Nichts. „Es werden die gleichen Fehler gemacht wie damals bei der Privatisierung der Krankenhäuser“, gibt ein älterer Mann zu bedenken.
Für Samstag (14 Uhr, Landungsbrücken) mobilisieren politische Gruppen und Gewerkschaften zu einer Demonstration gegen den teilweisen HHLA-Verkauf an MSC.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin