Betreuungsgeld für Eltern: Im Westen zu Hause
Das Betreuungsgeld beziehen Eltern vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und NRW. Kein Wunder: Dort mangelt es seit Jahren an Kita-Plätzen.
BERLIN taz | Das Betreuungsgeld stößt auf große Nachfrage. Inzwischen beziehen es schon 145.769 Mütter und Väter, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag bekannt gab.
Das Betreuungsgeld in Höhe von zurzeit 150 Euro monatlich können seit 1. August 2013 Eltern bekommen, die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause betreuen und nicht in eine Kita bringen. Im vergangenen Jahr bekamen es noch 64.877 Familien. Den raschen Anstieg um fast 50 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres erklärt Statistikerin Kathrin Schäfer mit einer „mittlerweile größeren Bekanntheit“.
Am stärksten beziehen die „Herdprämie“ Eltern in Bayern (33.535), in Baden-Württemberg (30.284) und in Nordrhein-Westfalen (31.845): Damit verteilt sich die „Herdprämie“ zu drei Fünfteln allein auf jene Bundesländer, die seit Jahren einen Mangel an Kita-Plätzen beklagen. Experten vermuten, dass Eltern dort aus „purer Not“ das Betreuungsgeld beantragen, um damit zu Teilen eine privat organisierte und bezahlte Kinderbetreuung zu gewährleisten.
Laut dem Betreuungsatlas, einer soeben erschienenen Untersuchung der TU Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts München (DJI), werden in den drei westlichen Bundesländern weniger als 18 Prozent der unter Dreijährigen in Kitas betreut. In allen ostdeutschen Bundesländern sind es über 50 Prozent.
Entspannt im Süden
In Bayern und Baden-Württemberg scheinen die Anstrengungen zum politisch wie gesellschaftlich geforderten Kita-Ausbau nicht sonderlich ernst genommen zu werden. Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und den Ostländern, wo in den vergangenen Jahren laut Betreuungsatlas verstärkt Kita-Plätze geschaffen wurden, fallen die beiden südlichen Bundesländer mit einer Ausbauquote von bis zu 6 Prozent weit ab.
Auffällig ist auch das Ost-West-Gefälle hinsichtlich der Bezugsdauer: Im Westen beziehen den Angaben aus Wiesbaden zufolge vier von fünf Familien das Betreuungsgeld insgesamt 22 Wochen lang, das ist der maximal mögliche Zeitraum. Im Osten sind das nur zwei von fünf Familien. Anders gerechnet: In den alten Bundesländern beträgt die durchschnittliche Bezugsdauer 19,6 Monate, in den neuen Bundesländern 13,5 Monate.
Das Betreuungsgeld ist ein Lieblingsprojekt der bayerischen CSU. Bevor es in Kraft trat, gab es heftige Debatten um seine Folgen: So wurde befürchtet, dass gerade Kinder, die in einer Kita bessere Bildungschancen hätten, wegen des finanziellen Anreizes für die Eltern zu Hause blieben. Genau das scheint eine weitere Studie der TU Dortmund und des DJI zu bestätigen.
Der Untersuchung zufolge, die offiziell in 14 Tagen erscheinen soll und aus der der Spiegel vorab zitiert, beantragen insbesondere Eltern mit Migrationshintergrund sowie Eltern, die „eine geringe Erwerbsbeteiligung aufweisen“, das Betreuungsgeld. Damit sei das Betreuungsgeld, „bezogen auf Fragen der Chancengerechtigkeit, kontrainduziert“, schlussfolgern die Bildungsexperten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee