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Besuch beim belarussischem RadiosenderGleich hinter der Grenze

Zensur und Gleichschaltung der Medien in Belarus können dem Sender Radio Racja nichts anhaben. Denn der sendet vom polnischen Staatsgebiet aus.

Das Studio im polnischen Białystok: Von hier aus sendet „Radio Racja“ Foto: Bladyniec/wikimedia

Białystok taz | „Wir sind zwar hier in Polen, aber mit all unseren Gedanken und Gefühlen bei den mutigen Freiheitskämpfern in Belarus“, sagt Eugeniusz Wappa. Wappa ist Chef des belarussischen Exilradios Racja in der ostpolnischen Großstadt Białystok. Die Tür seines Büros steht offen, und immer wieder kommen Redakteure vorbei, um ihm kurz zu signalisieren, dass ein wichtiges Interview ausgestrahlt werden kann. Oder aber dass einer der rund 30 Korrespondenten in Belarus Probleme hat, seine Informationen in die Redaktion in Białystok zu schicken. „Lukaschenko kann zwar in Belarus alle Medien gleichschalten und auch das Internet blockieren, aber unser Radio kann er nicht abschalten“, sagt der 56-Jährige. „Wir senden rund um die Uhr Nachrichten, aber auch Unterhaltung und – im Moment ganz wichtig – die neu entstehenden belarussischen Protestsongs und Freiheitslieder.“

Im großbürgerlichen Mietshaus an der Ciepła-Straße 1 sind die Wohnungen groß genug für Institutionen, Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien. Vor einigen Jahren wurde das Haus grundsaniert, in einem warmen Gelbton gestrichen, und auch die gusseisernen Balkone und Stuckarbeiten aus dem 19. Jahrhundert wurden rekonstruiert.

Hier hat Radio Racja seinen Sitz. Entstanden ist es bereits 1997 in Polens Hauptstadt Warschau. Doch finanzielle Schwierigkeiten zwangen die Radiomacher, ihren Sender im Jahr 2002 zu schließen. Mit zunehmenden Repressalien des Lukaschenko-Regimes gegen freie Medien und unabhängige Journalisten in Belarus wuchs der Bedarf an einer glaubwürdigen Informationsquelle in belarussischer Sprache. So ging Radio Racja im Jahr 2006 erneut auf Sendung – diesmal von der ostpolnischen Stadt Białystok aus. Die Geldgeber – neben der polnischen Regierung auch die Niederlande, Belgien, Österreich und Großbritannien sowie etliche Stiftungen – sorgten dafür, dass das technische Equipment der Studios auf den neuesten Stand gebracht werden konnte.

„Wir machen von Polen aus ein Radio von Belarussen für Belarussen“, sagt Wappa, steht von seinem Arbeitsplatz auf und zeigt auf der großen Wandkarte, welche Reichweite das Radio hat. „Früher haben wir über Mittelwelle gesendet, inzwischen erreichen wir über UKW das gesamte polnisch-belarussische Grenzgebiet, teils auch das polnisch-litauische und das polnisch-ukrainische Grenzgebiet. Außerdem sind wir kostenlos im Internet und auch per App zu empfangen.“

Unzensierte Sicht

Regelmäßige Hörerforschungen zeigten, dass das Radio großen Anklang bei den Belarussen finde – egal ob das die lang eingesessene belarussische Minderheit in Polen, die neu exilierten Belarussen oder die Hörer in Belarus selbst seien. „Gerade als Lukaschenko das Internet in den letzten Wochen blockierte, waren wir für viele in Belarus eine letzte Quelle unabhängiger und glaubwürdiger Informationen. Viele riefen bei uns an und dankten uns für unsere Arbeit.“ Über Radio Racja konnten die Demonstranten in Belarus erfahren, was sich überall in ihrem Lande wirklich ereignete, denn die Staatsmedien bringen seit Jahren nur noch eine zensierte Sicht der Realität.

Unser Radio kann er nicht abschalten

Eugeniusz Wappa, Senderchef, über Präsident Lukaschenko

„Insgesamt beschäftigt Radio Racja 40 Mitarbeiter“, erläutert Wappa, dessen Familie ursprünglich aus dem Grenzgebiet zwischen Sachsen und Bayern stammt und vor Jahrhunderten ins historische Livland gezogen war. „Ich fühle mich aber heute ganz und gar als Belarusse, auch wenn ich polnischer Staatsbürger bin. Doch dies nur am Rande“, setzt der Radiochef hinzu. „Hier in den Studios in Białystok arbeiten gerade mal zehn Redakteure und Verwaltungsangestellte. Knapp 30 Korrespondenten hingegen arbeiten in Belarus und senden uns aus vielen Städten aktuelle Informationen und auch fertige Sendungen zu.“

Da Radio Racja Lukaschenko von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen sei, hätten die Korrespondenten trotz offizieller Anfragen noch nie eine Akkreditierung bekommen. „Das Problem ist, dass nach belarussischem Recht ihre Arbeit ohne Presse-Akkreditierung illegal ist. Und so bekommen sie immer wieder Geldstrafen. Oder werden vor die Wahl gestellt: entweder die Arbeit an der Universität, im Labor oder Krankenhaus – oder für das Radio. Da springen dann verständlicherweise immer wieder gute Korrespondenten ab.“ Er schaut auf die Uhr. In ein paar Minuten muss er auf Sendung. Doch er wartet noch ein paar Sekunden bis zur vollen Stunde und dreht das Radiogerät im Büro auf volle Lautstärke. Zu hören ist der Racja-Jingle. „Toll, oder?“, strahlt Wappa. „Das sind wir – dynamisch und kraftvoll. Und so muss das auch sein!“

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1 Kommentar

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  • Bitte beziechnen Sie der Einwohner von Belarus als Belarusen/Belarusinnen und nicht wie hier beschrieben als Belarussen/Belarussinen

    "Mit dieser inkonsequenten Terminologie, die auch die deutsche Bundesregierung seit Jahren pflegt (Verzeichnis der Staatennamen für den amtlichen Gebrauch in der Bundesrepublik Deutschland), entlässt man einerseits das Land sprachlich durch die Bezeichnung Belarus in die Unabhängigkeit von -russland, ordnet dessen Einwohner aber andererseits als Belarussen wieder klar dem Nachbarvolk im Osten zu.

    Wie man es richtig machen sollte, zeigt die Belarusisch-Deutsche Geschichtskommission, deren Sprecher Prof. Dr. Thomas Bohn im Juli 2020 eine Pressemitteilung mit Empfehlungen zur Schreibweise herausgegeben hat."

    // Zitat aus:



    uepo.de/2020/08/18...n-oder-belarussen/