Bestrafung von Hassdelikten im Netz: Löschen und verfolgen

Wie soll die Anzeigepflicht für Hass im Internet künftig aussehen? Ihre geplante Einbindung ins NetzDG wird wohl nicht alle Delikte abdecken.

Schrift "Du Opfer" und Icons

Wo fängt Hass an? Foto: Photothek/Imago Images

FREIBURG taz | Der Terrorist Stephan B., der in Halle eine Synagoge angegriffen hat, war zwar – strafrechtlich gesehen – ein Einzeltäter. Er wurde aber durch eine hasserfüllte rechtsextremistische Szene im Internet radikalisiert, deren Beifall er auch erhoffte. Die rechtspolitische Diskussion im Anschluss an den Fall Halle dürfte sich also zumindest teilweise darauf konzentrieren, den strafbaren Hass im Internet künftig auch tatsächlich zu bestrafen.

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) plant bereits eine Anzeigepflicht für die Betreiber von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Youtube. Hierzu will sie das 2017 eingeführte NetzDG verschärfen. Die Abkürzung NetzDG steht für „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“. Das NetzDG fordert bisher von Facebook und Co, dass sie ein effizientes Beschwerdemanagement unterhalten. So müssen offenkundig rechtswidrige Inhalte nach einer Beschwerde binnen 24 Stunden gelöscht werden.

Wenn die geplante Anzeigepflicht ins NetzDG integriert wird, ist das für die Netzwerk-Betreiber erst mal eine gute Nachricht. Denn sie werden voraussichtlich nicht dazu verpflichtet, proaktiv auf ihren Seiten nach strafbaren Inhalten zu suchen. Vielmehr würde sich an die berechtigte Beschwerde eines Nutzers nur eine zweite Reaktion anschließen. Der rechtswidrige Post würde nicht nur gelöscht, sondern auch den Behörden gemeldet, also angezeigt.

Auch bisher durften Netzwerke einen strafbaren Hasspost schon anzeigen, faktisch taten sie dies aber nicht. Letztlich blieb die Anzeige Privatpersonen oder Organisationen überlassen. Wer auf Facebook Volksverhetzung entdeckte, hätte den entsprechenden Post also nicht nur bei Facebook, sondern auch bei der Polizei melden müssen. Das war bisher selten. Immerhin sieht das NetzDG aber auch jetzt schon vor, dass strafbare Inhalte von den Netzwerken nicht einfach entfernt werden, sondern „zu Beweiszwecken“ zehn Wochen lang zu speichern sind.

Auch bei Beleidigung?

Aus der Integration der Anzeigepflicht ins NetzDG ergibt sich auch, für welche Delikte die Meldepflicht vermutlich gelten wird. Das NetzDG erfasst bisher nicht alle strafbaren Handlungen, sondern nur rund zwanzig Delikte, vom Verbreiten von NS-Kennzeichen über Beleidigung und Verleumdung, Volksverhetzung, Beschimpfung von Religionsgemeinschaften bis hin zur Verbreitung von Kinderpornografie.

Lambrecht hat inzwischen eingeschränkt, dass die Anzeigepflicht nur für „Offizialdelikte“ gelten soll. Das sind Delikte, bei denen die Staatsanwaltschaft stets ermitteln muss, weil kein Strafantrag des Betroffenen erforderlich ist. Damit wären Beleidigungen von der Anzeigepflicht ausgenommen, weil bei solchen Fällen in der Regel ein Strafantrag erforderlich ist. Hier müsste der Betroffene also weiter selbst entscheiden, ob er eine strafrechtliche Verfolgung will. Allerdings schlägt die schwarz-grüne hessische Landesregierung vor, künftig auch die Beleidigung zum Offizialdelikt zu machen.

Das NetzDG gilt bisher nur für soziale Netzwerke (mit mindestens zwei Millionen Nutzern), die zum Teilen „beliebiger Inhalte“ bestimmt sind. Game-Portale wie Steam wären trotz Problemen mit rechtsextremistischen Inhalten von der Anzeigepflicht nicht erfasst, da sie „spezifische Inhalte“ verbreiten. Die CDU/CSU hat aber bereits gefordert, auch Game-Portale generell ins NetzDG einzubeziehen.

Doch auch bei Facebook würde die geplante Anzeigepflicht nach derzeitiger Praxis weitgehend leerlaufen. Facebook löscht zwar hunderttausendfach problematische Inhalte, die von Nutzern gemeldet werden, aber in der Regel stützt sich Facebook dabei auf eine Verletzung seiner Community-Standards. Nur ganz selten beruht die Löschung auf dem NetzDG.

Vieles ist derzeit im Fluss

Der Grund ist banal: Eine „Flagging“-Meldung wegen Verletzung der Facebook-Richtlinien ist einfach, eine Meldung nach dem NetzDG ist kompliziert, weil das entsprechende Formular nur schwer zu finden ist. Im ersten Halbjahr 2019 gab es laut Facebook-Transparenzbericht nur 674 NetzDG-Beschwerden. Bei einer ins NetzDG integrierten Anzeigepflicht hätte Facebook also nur in diesen 674 Fällen die Behörden informieren müssen.

Allerdings ist die Sache auch hier im Fluss. Das Bundesamt für Justiz, das für die Umsetzung des NetzDG zuständig ist, hat im Juli 2019 ein Bußgeld in Höhe von 2 Millionen Euro gegen Facebook verhängt, weil der NetzDG-Meldeweg „zu versteckt“ sei.

Angesichts dieser zahlreichen Probleme verwundert es nicht, dass die Bundesregierung bisher noch keine konkreten Pläne zur Verschärfung des NetzDG vorgelegt hat.

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