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Besetzung von nordhessischem AckerKompostklo statt Privatisierung

Umweltschützer wollen den Bau eines Logistikzentrums in Neu-Eichenberg verhindern. Die Gemeinde erhofft sich von dem Bau neue Arbeitsplätze.

Nicht der betroffene Acker (Symbolbild) Foto: imago images/onemorepicture

Neu-Eichenberg taz | Umweltschützer halten seit vergangenem Samstag einen Acker am Rande der nordhessischen Gemeinde Neu-Eichenberg besetzt. Die überwiegend jungen Leute haben dort Zelte zum Übernachten und für Versammlungen errichtet, ein Kompostklo gebaut und Gemüsebeete angelegt. Die Aktion richtet sich gegen Pläne der Dietz AG aus dem südhessischen Bensheim, auf dem Areal ein 80 Hektar großes Logistikzentrum zu errichten. Die Fläche entspricht rund 100 Fußballfeldern, die mit Hallen für Onlinefirmen und Paketzusteller bebaut werden sollen.

Die Aktivisten argumentieren, wertvoller Ackerboden werde versiegelt. „Außerdem wird das Landschaftsbild zerstört, und die Lebensqualität in den umliegenden Orten verringert sich durch Lärm und verstopfte Straßen“, sagte einer der Besetzer der taz.

Bei den Anwohnern haben sich die Besetzer mit einem an rund 1.000 Haushalte verteilten Schreiben vorgestellt. Sie luden darin auch ein, das Camp zu besuchen: „Wir schützen den Acker vor der zerstörerischen Privatisierung und geben ihn den Menschen zurück.“ An diesem Wochenende sollen kulturelle Angebote wie eine Filmvorführung und ein Konzert Besucher auf den besetzten Acker locken.

Auch anderenorts gab oder gibt es Proteste gegen Logistikzentren – so im rheinland-pfälzischen Haßloch, in der hessischen Wetterau und im niedersächsischen Lehrte. Die Gemeinde Neu-Eichenberg verspricht sich von dem Logistikzentrum Steuereinnahmen und Arbeitsplätze, der Gemeinderat muss noch abschließend über die Änderung des Bebauungsplans abstimmen.

Die Kommune verweist auch darauf, dass bislang mehr als eine Million Euro Kosten aufgelaufen sind, die auch im Fall eines Planungsstopps zu zahlen seien. Die Linke hat deshalb die Hessische Landesregierung aufgefordert, diese Summe zu übernehmen, sofern die Gemeinde einen Rückzieher macht. Sie könnte stattdessen von einem der zahlreichen Öko- und Umweltprogramme des Landes profitieren, denn Neu-Eichenberg liegt in einer vom Land geförderten Ökomodellregion.

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6 Kommentare

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  • Ach ja, diese vielen hochqualifizierten Jobs im Logistikzentrum, die Neu-Eichenberg in eine blühende Metropole verwandeln werden. Ich seh die vielen Hilfskräfte schon in Scharen Häuschen bauen für einen kurzen Weg zur erfüllenden Arbeit *Sarkasmus off

  • Auch weil ich den schönen Ecke mal gelebt habe.....



    VOLLE SOLIDARITÄT!



    Alle sabbeln davon weniger Fläche zu betonieren und dann passieren genau diese Dinge, die nicht nur für die FFF Bewegung völlig unverständlich und zum kotzen sind.



    Und ich schliesse mich auch der Frage von FLY an: wer hat da eine Mio versenkt und auf welcher Grundlage????

    • @Heiner Petersen:

      Ich habe unter Flys Kommentar die Antwort formuliert. Es geht inzwischen um 1,8 Mio €. Maßgeblich vorangetrieben haben das Projekt 2 inzwischen abgedankte Bürgermeister(in) sowie der zugehörige Gemeindevorstand, von den einige seit Anfang an dabei sind. Alles "demokratisch" legitimiert durch Beschlüsse der Gemeindevertretung, die aber in Einzelheiten zu Planungsdetails, Kosten usw. garnicht ausreichend eingeweiht war. So wurde ein Bürgerentscheid u.a. damit gewonnen dass behauptet wurde, dass die Planungen der Gemeinde nichts kosten würde. Eine glatte Lüge, wie sich inzwischen herausgestellt hat.

  • Hoffentlich bleibt die Bebauung aus. Potenzielle Steuereinnahmen hin oder her. Wieso müsste die Kommune 1 Mio Planungskosten tragen? Wenn es noch keinen rechtsgültigen Bebauungsplan gibt, da der Gemeinderat noch abstimmen muss, kann keine Firma mit Planungen anfangen und hinterher Kosten einklagen.



    Es scheint nur eine lokale Nachricht zu sein, aber leider passiert das überall.



    Wir können nicht alles zubetonieren und Brasilien auffordern den Regenwald nicht abzuholzen.

    toitoitoi

    • @fly:

      Es gibt seit 2009 einen Bebauungsplan. Mit dem war das Gebiet aber nicht zu vermarkten. Jetzt geht es um die erste Änderung des B-Plans. Mit der Dietz AG besteht ein Vorvertrag. Kippen die Gemeindevertretr_innen die B-Plan Änderung wird der Plan zunichte.

      Die Planungskosten sind so hoch, weil das Verfahren grob seit 2002 läuft. 2004 gab es auch einen Bürgerentscheid. Das war unter völlig anderen Voraussetzungen, ist aber der einzige demokratische Punkt, an dem mal offen über das Thema abgestimmt wurde. Darauf berufen sich die Lokalpolitiker_innen gerne. Im ländlichen Raum sind Kurskorrekturen nicht vorgesehen :)

    • @fly:

      Die Planungen laufen schon seit 2003. Bisher wollte kein Investor dahin bauen. Um es einem Investor schmackhaft zu machen, muss die Erschließung billiger werden. Damit werden aber auch die Anforderungen zum Schutz der Bevölkerung massiv runtergeschraubt (kein Sicht-und Lärmschutzwall, dichtere Bebauung, etc). Hierzu muss der Bebauungsplan geändert werden. Nach dem existierenden Bebauungsplan kann sowieso nicht gebaut werden, da die verkehrliche Anbindung nicht funktioniert. Die bisherigen Planungskosten von fast 2 Mio. € hat die Hessische Landgesellschaft vorgestreckt, die aber zurückgezahlt werden müssen. Bei Nichtrealisierung bleibt die Gemeinde darauf sitzen. Die Frage, die sich stellt: Warum gibt es einen bereits gültigen Bebauungsplan, nach dem gar nicht gebaut werden kann? Wurden da nicht massive Fehler gemacht? Man sollte mal die Haftungsfrage stellen.